General gefeuert

Fischer zitierte Darabos zu sich

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Bundespräsident zeigt sich überrascht von der Abberufung Entachers.

Die Wehrpflichtdebatte hat nach der Abberufung von Generalstabschef Edmund Entacher durch Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) am Montagabend eine neue Dimension erreicht: Die ÖVP sah am Dienstag das Koalitionsklima gefährdet, von allen Seiten hagelte es Kritik an Darabos - nur die SPÖ, allen voran Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), rückte zur Verteidigung ihres Ministers aus. Darabos traf am Dienstag außerdem auf Bundespräsident Heinz Fischer, der nach dem Gespräch auf die Verfassungskonformität der Abberufung hoffte.

Entacher will Druck der "Krone" standhalten

Entacher gab am Dienstag weiterhin keine Stellungnahme ab. Er bestätigte jedoch, dass es gestern drei Gespräche mit dem Minister und dem Ministerkabinett gegeben habe, und dass er aufrecht bleiben und nicht dem Druck der "Krone" weichen wollte. Der nunmehr mit der Wahrnehmung der Aufgaben des Chefs des Generalstabes betraute Generalleutnant Othmar Commenda war für Interviews nicht erreichbar - er sei mit der Übernahme beschäftigt, hieß es aus dem Verteidigungsministerium. Wilhelm Waldner, Vorsitzender der Bundesheergewerkschaft, will die Situation derzeit nicht kommentieren.

Fischer: "Tüchtiger Offizier"
Darabos traf nach dem Ministerrat das Staatsoberhaupt - ein schon länger vereinbartes, routinemäßiges Gespräch, wie betont wurde. Er schätze Entacher als "tüchtigen Offizier, der eine klare Meinung hat", sagte Fischer. Er kenne zwar den Bescheid bezüglich der Abberufung noch nicht, aber: "Ich hoffe, dass dieser Bescheid der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs entspricht." Er habe den Minister gebeten, dass es noch vor einer allfälligen Reform des Wehrdienstes zur Ausarbeitung der Sicherheitsdoktrin kommen soll. Darabos habe diesbezüglich einvernehmliche Verhandlungen mit der ÖVP zugesagt.

ÖVP "entsetzt"
Die Reaktionen des Koalitionspartners fielen Dienstagvormittag wieder recht heftig aus: ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf sah "Sprengsätze" gelegt, die nicht optimal für den Zustand der Koalition seien. "Ich bin wirklich entsetzt darüber", meinte er im Zusammenhang mit der Abberufung. Darabos scheine alle aus dem Weg räumen zu wollen, die nicht die Position der SPÖ vertreten. "Das ist ein Demokratie-Verständnis, das wirklich jeder Beschreibung spottet." Das Vertrauen in Darabos sei "massiv erschüttert".

Spindelegger: "Sehr bedenklich"
Auch Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) wertete die Vorgangsweise als "sehr bedenklich". Entacher sei entlassen worden, da er eine Stellungnahme gegen das SPÖ-Modell abgegeben habe. Damit seien Parteiinteressen über die Interessen der Republik gestellt worden. "Das ist ein Bild, das wirklich einmalig in der Republik ist." Zwar sei es am Ressortchef zu beurteilen, ob die Absetzung gerechtfertigt sei, jedoch bekomme man aus sicherheitspolitischer Sicht "ein Problem", wenn der Generalstab sich nicht mehr äußern dürfe, erklärte Innenministerin Maria Fekter (ÖVP).

Cap empört über Fekters Stauffenberg-Vergleich

Fekter sagte außerdem, dass es auch im Zweiten Weltkrieg aktiven Widerstand gegeben habe. SPÖ-Klubobmann Josef Cap zeigte sich empört, dass sie Generalstabschef Edmund Entacher nach dessen Abberufung mit dem Hitler-Attentäter Graf Stauffenberg verglichen habe. Dieser Vergleich sei ein "unfassbarer Fehlgriff", meinte Cap. Er forderte die Innenministerin auf, sich beim Verteidigungsminister zu entschuldigen.

ÖVP-Wehrsprecher: "Meinungs- und Gesinnungsterror"
Scharfe Kritik kam auch von ÖVP-Wehrsprecher Norbert Kapeller: "Das geht ja schon Richtung Meinungs- und Gesinnungsterror, was Darabos hier betreibt." Der Minister habe mit seinen Worten und Taten "die Grenze des Zumutbaren endgültig überschritten", meinten die freiheitlichen Heeres-Gewerkschafter. Deren sozialdemokratische Kollegen bedauern die Eskalation.

"Im Zuge der aktuellen Bundesheerdebatte habe ich schon vieles erlebt - das, was sich gestern abgespielt hat, sprengt nun aber alle Grenzen des bisher Dagewesenen, ist unentschuldbar und ganz einfach unglaublich", so Kapeller.

Faymann: Volle Unterstützung für Darabos
SPÖ-Chef Faymann betonte wiederum seine volle Unterstützung für Darabos: "Ich stehe zu 100 Prozent hinter dem Verteidigungsminister." Dieser habe selbstverständlich das Recht zu entscheiden, ob er noch Vertrauen zu seinen Spitzenbeamten habe oder nicht. Der Kanzler hat laut eigenen Aussagen das Gefühl, dass in der Koalition derzeit alles in Ordnung sei.

Verteidigungsminister versucht zu beruhigen
Darabos selbst war vor dem Ministerrat um Beruhigung bemüht und verteidigte sein Vorgehen: Der Generalstab habe die sieben Modelle zum Wehrdienst ausgearbeitet, das beste Modell habe er ausgewählt. Entacher habe dieses Modell dann in der Öffentlichkeit desavouiert, die Abberufung sei daher ein logischer Schritt gewesen. Er schätze Entacher als Person, man habe sich aber in der Frage der Reform auseinandergelebt, meinte der Minister. Es handle sich nicht um einen Maulkorb seinerseits, es sei um einen "politischen Schritt" gegangen. Man solle nun wieder zur "Sachlichkeit" zurückkehren.

Der Minister sah sich indes wieder in zahlreichen Aussendungen mit Kritik konfrontiert: Die Offiziersgesellschaft und die Bundesvereinigung der Milizverbände forderten ihn abermals zum Rücktritt auf, der Kameradschaftsbund meint, der Minister sollte so viel Anstand besitzen, dass er sein Amt zur Verfügung stelle. "Schockiert" gab sich seitens der FPÖ u.a. der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf. Für BZÖ-Chef Josef Bucher ist der für Katastrophenschutz zuständige Darabos die "größte Katastrophe für das Land und das Bundesheer". "Führungsversagen" warf Grünen-Chefin Eva Glawischnig dem Minister vor, wiewohl die Absetzung "formal vollkommen korrekt" sei.

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