Ermittlungsakte

Flüchtlinge: Vorwürfe nicht gerechtfertigt

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Staatsanwaltschaft weiß nichts von den schweren Vorwürfen der Innenministerin.

Der Gerichtsakt zur Schlepper-Causa, in die auch drei der sogenannten Votivkirchen-Flüchtlinge involviert sein sollen, liest sich harmloser als die Aussagen von Polizei und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zu diesem Fall. Während die Ministerin etwa davon spricht, dass die Schlepper "äußerst unmenschlich" agiert hätten, finde sich im Gerichtsakt kein Wort von Misshandlungen, berichtet der "Falter" in seiner am Mittwoch erscheinenden Ausgabe. Das Bundeskriminalamt sieht darin keinen Widerspruch, habe Mikl-Leitner doch über Vorgehensweisen im internationalen Schlepperwesen gesprochen, hieß es in einer Aussendung.

Keine Millionen
Zunächst hatte vorige Woche die Abschiebung mehrerer Personen aus der Gruppe der mittlerweile im Servitenkloster untergebrachten Flüchtlinge nach Pakistan und dann die Festnahme von drei "Refugees" wegen Verdachts der Schlepperei für Aufregung gesorgt. Das Bundeskriminalamt erklärte damals in einer Aussendung, man ermittle gegen eine "große kriminelle Organisation" und die Erhebungen hätten ergeben, "dass pro geschleppter Person bis zu 10.000 Euro verlangt wurden". Der Organisation seien Schleppungen "von mindestens 300 Personen" vorwiegend nach Pakistan nachgewiesen worden. Dies ergebe einen Umsatz von "mindestens drei Millionen Euro". In den vergangenen Monaten sollen von der Organisation mindestens 1.000 Personen geschleppt worden sein, was einen Umsatz von zehn Millionen Euro ausmache.

   Diese Zahlen sind laut "Falter" zu hoch gegriffen, denn in den Akten berichten Flüchtlinge nur von 2.000 bis 5.000 Euro, die sie an pakistanische Schlepper zahlen mussten. Was die beschuldigten Votivkirchen-Flüchtlinge verdienten, ist ungeklärt, Geld habe man bei ihnen keines gefunden. Vorgeworfen wird ihnen, "als Mitglied einer kriminellen Vereinigung" die rechtswidrige Einreise von Fremden "mit dem Vorsatz gefördert zu haben, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern". Die Zahl von Fremden, die sie beim Grenzübertritt begleitet haben sollen, sei noch festzustellen, heißt es weiters.

"Keine großen Bosse"
 Innenministerin Mikl-Leitner hatte in einem Zeitungsinterview erklärt, die Schlepper würden "äußert unmenschlich" agieren: "Wenn es etwa Probleme mit schwangeren Frauen auf der Schlepper-Route gab, dann wurden diese Frauen hilflos auf der Route zurückgelassen." In der Gerichtsakte finde sich jedoch nichts über Misshandlungen. Die mit dem Fall beschäftigten Staatsanwaltschaften Wien und Wiener Neustadt kennen derartige Vorwürfe "nur aus den Medien". Diese seien "nicht Gegenstand" des Ermittlungsverfahrens.

   Das Bundeskriminalamt hielt am Dienstag fest, dass sich die Ermittlungen gegen den internationalen Schlepperring erst am Anfang befinden und noch andauern würden: "Medieninformationen werden zu jedem Zeitpunkt basierend auf der Faktenlage gegeben." Zu dem Vorwurf, die Votivkirchen-Flüchtlinge würden beschuldigt, schwangere Frauen auf der Flucht ausgesetzt zu haben, erklärte das BKA, diese Information habe sich auf Vorgangsweisen im internationalen Schlepperring bezogen. Dieser sei nur zum Teil in Österreich tätig. Klar sei weiters, dass sich die durch das internationale Verbrechen erzielte Gewinne hierarchisch verteilt werden: "Daher kann zwischen der laufenden polizeilichen Berichterstattung an die Staatsanwaltschaften und den Erkenntnissen der SOKO kein Widerspruch erkannt werden."

   Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun ortet jedenfalls Klärungsbedarf und kündigte eine parlamentarische Anfrage an Mikl-Leitner an. Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas der Erzdiözese Wien, zeigte sich "fassungslos, wütend und erleichtert" über den Inhalt der Ermittlungsakte. Es sei "zum Schämen, wie auf dem Rücken der Schwächsten in Wahlkampfzeiten Politik gemacht wird", so Schwertner in einer Aussendung.
 

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