Neuwahl am 26.11.?

Fronten-Krieg gegen Kanzler Kern

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Neuer Tiefpunkt im gestrigen Ministerrat. Wie die ÖVP Neuwahlen provozieren will.

SPÖ-Kanzler Christian Kern sei ein „tourner le cou“ – ein Wendehals – ätzte gestern VP-Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter. Ein neuer Tiefpunkt im rot-schwarzen Dauerkonflikt – an dessen Ende wohl vorge­zogene Nationalratswahlen stehen. Der Kanzler stoppte zwar gestern kurzfristig den Streit um die mit der EU paktierte Flüchtlingsaufnahme – Kern will jetzt persönlich mit Brüssel eine weitere Ausnahme verhandeln –, aber die Sticheleien gehen weiter: Die ÖVP, die wie Kern heute Pakttreue gegenüber der EU einforderte, wirft Kern nun einen „Zickzack-Kurs“ vor.

Revanche

Kern hat mit seiner Ankündigung, dass „wir uns an europäische Vereinbarungen halten“ – SP-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil wollte ein Aussetzen der paktierten Teilnahme Österreichs an der Flüchtlingsverteilung –, freilich auch ein Verfahren der EU gegen die Republik verhindern. Allerdings kontert Kern nun im ÖSTERREICH-Gespräch auch gegen die VP. Außenminister Sebastian Kurz will die Familienbeihilfe für EU-Bürger, deren Kinder im Ausland leben, ja senken. Auch das gehe „nur mit einer sauberen Vorgangs­weise“. „Augenzwinkernde Rechtsbrüche gehen nicht“, sagte Kern in wohl klarer Anspielung auf Kurz.

Crasher

VP-Chef Reinhold Mitterlehner sorgte gestern nach dem Ministerrat für eine Premiere. Als sich Kern alleine den Medien stellen wollte, platzierte sich der Vizekanzler schlicht hinter den Kanzler und lächelte süffisant. Danach twitterte Mitterlehner, trotz Klarstellung Kerns: „SPÖ muss ihre Linie zur Relocation klären. Kanzler stimmt auf EU-Ebene mehrmals zu, Verteidigungsminister will aussteigen. Zickzack.“ In der VP rechnet man mit Neuwahlen am 26. November. Mitterlehner würde Kurz dann die VP-Spitzenkandidatur überlassen.

Spötteln

VP-Innenminister Sobotka – er zündelt mit Vorliebe gegen Kern und will Kurz als schwarzen Stimmenfänger – spöttelt nun über Kern via ÖSTERREICH: „Er soll Brüssel seinen Umfaller erklären, nachdem er drei Mal zugestimmt hatte.“

Duell

Das ultimative Polit-Duell führt freilich Kurz gegen Kern. Nachdem er sein Integrationspaket gestern durchgebracht hatte, zündelte der VP-Star, dass nun de facto die Null-Euro-Jobs für Asylwerber – von der SPÖ stets abgelehnt – kommen würden. Gemeinsam mit VP-Finanzminister Hans Jörg Schelling – er soll Kern in Wirtschaftsfragen provozieren – und Sobotka soll der rot-schwarze Rosenkrieg zur baldigen Polit-Scheidung führen.

Kern: "Augenzwinkernde Rechtsbrüche gehen nicht"

ÖSTERREICH: Warum wollen Sie nun mit Brüssel über weitere Ausnahmen aus dem Relocation-Programm verhandeln?

Christian Kern:
Ich möchte das im Einvernehmen mit der EU lösen. Mein Ziel ist es, zu erklären, dass wir durch die Aufnahme von Flüchtlingen, die illegal zu uns gekommen sind, bereits unseren Anteil an der Flüchtlings-Aufteilung erfüllt haben.

ÖSTERREICH:
Und falls Brüssel einen neuerlichen Aufschub ablehnt?

Kern:
Wir glauben, dass wir gute Argumente haben, aber natürlich wird es schwer. Diese Vereinbarung wurde 2015 getroffen und wir werden unsere europäischen Verpflichtungen erfüllen. Dann werden wir versuchen, dass wir beim nächsten Relocation-Programm Flüchtlinge abgeben können, statt welche aufzunehmen.

ÖSTERREICH:
Sie wollen auch die Indexierung der Familienbeihilfe im Einvernehmen mit der EU lösen?

Kern:
Ja, wir brauchen hier einen wasserdichten Antrag – gerade bei so einem sensiblen Thema, bei dem ganz Europa auf uns schaut. Wir brauchen in all diesen Fragen saubere europäische Vorgangsweisen, statt den Außenseiter geben zu wollen. Augenzwinkernde Rechtsbrüche gehen nicht.

Video zum Thema: Regierungskrach um Flüchtlings-Deal mit EU
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