Skinhead-Reportage

Fronten zwischen Justiz und ORF verhärtet

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Der Oberstaatsanwaltschaft reicht das vom ORF ausgestrahlte Material nicht. Jetzt entscheidet das Justizministerium.

Im Zusammenhang mit dem Filmmaterial, das für eine "Am Schauplatz"-Reportage über jugendliche Neonazis auf Betreiben der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt beschlagnahmt hätte werden sollen, haben sich die Fronten zwischen der Justiz und dem ORF weiter verhärtet. Die Oberstaatsanwaltschaft Wien hält es für unumgänglich, dass das gesamte, auch nicht zur Ausstrahlung gelangte Material herausgegeben wird. Für den Wiener Medienrechtsspezialisten Gottfried Korn, der den ORF anwaltlich vertritt, wäre das "Verrat am Journalismus".

Auch Redakteur unter Verdacht
Bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ist ein Verfahren nach dem Verbotsgesetz anhängig, weil der Verdacht im Raum steht, die beiden Skinheads, die vom ORF unter anderem zu einer Veranstaltung von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache begleitet wurden, könnten sich dabei im nationalsozialistischen Sinn wiederbetätigt haben. Auch der ORF-Redakteur Eduard Moschitz wird in diesem Zusammenhang als Beschuldigter geführt. Er kommt für die Anklagebehörden demnach als möglicher Anstifter für kolportierte "Sieg heil!"-Rufe in Betracht.

Filmmaterial ist Beweismittel
Die Staatsanwaltschaft stellt sich in einem geheimen Vorhabensbericht, den die OStA bereits genehmigt hat, auf den Standpunkt, dass es nicht ausreicht, die vom ORF ausgestrahlte Reportage, sowie die bereits von der Staatsanwaltschaft sichergestellte Kassette mit Rohmaterial vom Dreh der FPÖ-Veranstaltung zu sichten, um beurteilen zu können, ob tatsächlich strafbare Handlungen vorliegen. Es gibt aufgrund von Zeugenaussagen Hinweise, dass auf dem restlichen Material mögliche tatbestandsmäßige Handlungen dokumentiert sind. Daher sei das gesamte Filmmaterial Beweismittel.

Justizministerium entscheidet
Der Vorhabensbericht liegt derzeit zur endgültigen rechtlichen Beurteilung im Justizministerium. Sollte er genehmigt werden, hieße das, dass die Anklagebehörden gemäß der Strafprozessordnung die Herausgabe des Materials mit Beugemaßnahmen - Geldstrafen oder Beugehaft - erzwingen können.

Gang zum EuGH denkbar
ORF-Anwalt Korn lässt sich davon nicht beeindrucken: " Der für die Sendung verantwortliche Chefredakteur Johannes Fischer hat dem Staatsanwalt gesagt, dass er zur Wahrung des Redaktionsgeheimnisses bereit ist, ins Gefängnis zu gehen." Es sei zwar zutreffend, dass für den ORF-Mitarbeiter Moschitz das Redaktionsgeheimnis nicht zum Tragen kommt, wenn er für die Staatsanwaltschaft als Beschuldigter gilt: "Aber der ORF ist Eigentümer des Materials. Ich habe dem ORF daher empfohlen, alle Rechtsmittel gegen die beabsichtigten Schritte der Behörden auszuschöpfen und im Namen des Journalismus und der gesamten Medien den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anzurufen."

Der ORF weigere sich nicht "aus Selbstherrlichkeit", das Material freiwillig herauszugeben. "Hier geht es um Grundrechte des Journalismus. Das, was die Staatsanwaltschaft tut, ist nichts anderes als der Versuch, das gesetzlich garantierte Redaktionsgeheimnis zu umgehen und auszuhebeln", meinte Korn.

Für den Anwalt ist zwar nachvollziehbar, dass die Strafverfolgungsbehörden zur Sicherung möglicher Beweismittel ein umfassendes Interesse am Filmmaterial haben: "Aber das Redaktionsgeheimnis, das wohl auch für den ORF gilt, ist eine gesetzlich legitimierte Behinderung der Strafverfolgungsbehörden. Dann hat die Staatsanwaltschaft halt ein Beweismittel weniger. Das ist Alltag."

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