ÖSTERREICH-Interview

Häupl: "Werde Faymann nicht ausgrenzen"

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Wiens Bürgermeister: "Werde Faymann im Wahlkampf weder überbeanspruchen noch ausgrenzen."

Mächtig. Michael Häupl (65) ist gut gelaunt, als er ÖSTERREICH am SONNTAG zum Interview in seinem Büro im Wiener Rathaus empfängt. „Traurige Menschen tröstet man, aber man wählt sie nicht“, so sein Credo. Seit 20 Jahren ist der Wiener Bürgermeister und Landeshauptmann im Amt und ist somit nicht nur einer der längstdienenden, sondern auch der mächtigsten Politiker im Land.

Verantwortung. Am 11. Oktober stellt er sich zum fünften Mal einer Landtagswahl. Die Situation sei nach Rot-Blau im Burgenland „nicht leichter“ geworden, so der 65-Jährige, der sich neuerdings wieder mit Sport fit hält und so auch sein „Kreuzweh“ erfolgreich bekämpft hat.

Den zuletzt in der Kritik stehenden SPÖ-Chef Werner Faymann will Häupl im Wahlkampf „weder überbeanspruchen noch ausgrenzen“. Auf die Frage, ob er darauf eine Flasche Wein wette, dass Faymann nächstes Jahr noch Kanzler sei, ­erklärt er: „Selbstverständlich! Aber darauf nur eine Flasche Wein zu verwetten, wäre fast eine Beleidigung.“ Und Häupl betont: „Egal wie die Wahl ausgehen wird, ich trage die Verantwortung ohne Ausreden.“

ÖSTERREICH: Sie sind seit 20 Jahren Wiener Bürgermeister. Ihre Frau ist Ärztin, macht sie sich keine Sorgen, dass der Stress zu viel wird?
Michael Häupl: Als Ärztin hat sie mir beigebracht, wieder dazu zurückzukehren, was ich früher viel gemacht habe: Sport – und zwar dreimal in der Woche, damit ich mich körperlich wohlfühle. Beim Ergometer sehe ich Fortschritte und ich habe angefangen, meine Rumpfmuskulatur zu stärken. Jetzt habe ich endlich kein Kreuzweh mehr!

ÖSTERREICH: Wie lang dauern denn die Arbeitstage – geht es um 6 Uhr los und endet um Mitternacht?
Häupl: Am Abend ist es ad infinitum. Aber ich bin ein ausgesprochener Abendmensch. Was ich aber mein ganzes Leben gehasst habe, ist das frühe Aufstehen. Ich musste immer zwischen 6 und – wie jetzt – 6.30 Uhr auf: zuerst als Kind, dann als Schüler, beim Militär, im Studium, weil wir Naturwissenschafter schon um 8.15 Uhr an der Uni waren. Für mich ist Urlaub also ganz einfach definiert: Es gibt keine Wecker.

ÖSTERREICH: Was treibt Sie an – und wie hält man es konditionell und mental so lange in der Spitzenpolitik aus?
Häupl: Man muss sich natürlich ­seine emotionelle Sensibilität bewahren, zum anderen darf man aber nicht alles Emotionelle an sich heranlassen. Das ist nicht einfach, weil Politik sehr distanzlos ist. Ich kenne keine andere Berufsgruppe, die so schlecht miteinander umgeht wie die Politik. Aber, du meine Güte: Mich fasziniert es einfach, dass man als Wiener Bürgermeister so viel umsetzen kann und sich dann auch augenblicklich Lob oder Kritik und Diskussion darüber stellen muss. Wenn ich am Vormittag etwas entscheide und am späten Nachmittag ins Wirtshaus gehe, muss ich mich für meine Entscheidung gleich rechtfertigen. Entweder ich werde belobigt oder geschimpft. Dieser Kontakt mit den Leuten ist mir das Allerliebste.

ÖSTERREICH: Ihr Parteikollege aus Vorarlberg, Michael Ritsch, hat gesagt, dass man nie weiß, was Sie ­wollen. Warum verunsichern Sie Ihre Parteifreunde so?
Häupl: Michael Ritsch ist wahrscheinlich zu weit weg, und wenn er halbwegs regelmäßig in die Sitzungen kommen würde, wüsste er, was ich will. Ich bin keine Sphinx, sondern ziemlich berechenbar und klar in meinen Grundhaltungen. Und zwar nicht nur in der Frage, was politische Zwangsehen betrifft, von denen ich übrigens nichts halte, so wie von allen Arten von Zwangsehen.

ÖSTERREICH: Aber wenn Sie sagen: Nicht mit der FPÖ, dann bleibt der SPÖ im Bund nur die Zwangsehe mit der ÖVP. Oder die Opposition.
Häupl: Das ist ein defätistischer Zugang. Es gibt ja auch die absolute Mehrheit. Das wird im Bund nicht von heute auf morgen möglich sein – um hier auch negativistisch angekränkelt zu sprechen. Aber die Menschen unterscheiden, auf welcher Ebene sie wählen. Erwin Pröll hat auch bei Landtagswahlen in Niederösterreich mehr als 50 %, obwohl ­seine ÖVP bei Nationalratswahlen in Niederösterreich nur 37 % erreicht. In Wien ist es ähnlich. Und ich sage auch klar: Egal wie die Wahl ausgehen wird, ich trage die Verantwortung ohne Ausreden.

ÖSTERREICH: Pröll hat eine Flasche Wein drauf verwettet, dass er nicht als Bundespräsident antritt. Würden Sie dementsprechend eine Flasche Wein drauf wetten, dass Werner Faymann nächstes Jahr noch Bundeskanzler ist?
Häupl: Selbstverständlich! Aber darauf nur eine Flasche Wein zu verwetten, wäre fast eine Beleidigung. Natürlich ist Faymann nächstes Jahr noch Kanzler. Und 99 Prozent der ­Leute in der Partei haben Erfahrung genug, um das so zu sehen. Alle an­deren, die irgendwelche anderen politischen Projekte betreiben, sollen das bitte außerhalb der Partei um­setzen.

ÖSTERREICH: Von wem sind Sie eigentlich mehr enttäuscht: Von Franz Voves, dass er den Landeshauptmann-Sessel abgegeben hat – oder von Hans Niessl und seinem Rot-Blau im Burgenland?
Häupl: Das eine ist inhaltlich schlimm, das andere im Hinblick auf die Emotionalität der Partei nicht gut. Wie das in der Steiermark gelaufen ist, war für die, die im Wahlkampf bis an ihre Grenzen alles gegeben haben, ein Schlag ins Gesicht. Und im Burgenland waren viele über die Koalition mit den Blauen enttäuscht. Ich war über die Entscheidung von Niessl persönlich nicht glücklich. Dadurch ist die Situation in Wien nicht leichter geworden. Aber das hilft uns jetzt nichts. Traurige Menschen tröstet man, aber man wählt sie nicht.

ÖSTERREICH: Soll Bundeskanzler Werner Faymann mit Ihnen gemeinsam in Wien wahlkämpfen? Oder möchten Sie sich vollkommen von der Bundespolitik abgrenzen?
Häupl: Ich werde ihn weder überbeanspruchen noch ausgrenzen. Wo er will, wird der Bundesparteivorsit­zende im Wiener Wahlkampf auftreten. Das Abgrenzen von der Bundespolitik funktioniert ja nicht. Das hat die Steiermark gezeigt.

ÖSTERREICH: Hauptverantwortlich für das schlechte Abschneiden von SPÖ dort und im Burgenland wurde die Asylpolitik gemacht. Muss das Thema bis zur Wiener Wahl erledigt sein?
Häupl: Wir haben eine Challenge, und das ist die Situation der Flüchtlinge, die hierher kommen. Das Problem müssen wir lösen. Wir müssen jenen helfen, die vor den Mörder­banden des IS fliehen. Das ist weder juristisch noch organisatorisch schwierig. Es gab schon schlimmere Probleme zu lösen, beispielsweise im Balkankrieg. Herumgerede hilft da nicht. Was hilft, sind Taten, wie Landeshauptmann Pröll und ich diese Woche sie gemacht haben: Unbegleitete Minderjährige holen wir aus Traiskirchen raus. Flüchtlingsgipfel, die zum Gaudium des Herrn Strache stattfinden, können wir uns also sparen, wenn alle Länder ihre Pflicht erfüllen.

ÖSTERREICH: Gibt es für Sie bei der Wahl eigentlich eine Schmerzgrenze? Voves hatte seine bei 30 %.
Häupl: Ich will die Mandatsmehrheit im Wiener Gemeinderat zurückerobern. Es fehlen uns ja nur zwei Mandate. Eine Schmerzgrenze gibt es nicht, ich bin doch ein Profi. So etwas ist lächerlich. Eine Schmerzgrenze ist Befindlichkeit. Und ein Wahlergebnis ist ja keine Blinddarmentzündung!

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