Integrationsgesetz

Harte Kritik am Burkaverbot

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Das geplante Gesetz sei "unnötig und grundrechtlich bedenklich".

Etliche Kritik gibt es am Ende der Begutachtungsfrist zum von SPÖ und ÖVP geplanten Integrationsgesetz. Das Sammelgesetz sieht unter anderem ein verpflichtendes Integrationsjahr, mehr Deutschkurse, gemeinnützige Arbeit für Asylberechtigte sowie ein Burkaverbot im öffentlichen Raum vor. Widerstand gibt es vor allem gegen das vorgesehene Verbot der Vollverschleierung im öffentlichen Raum.

"Negativer Höhepunkt"
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hält das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz für den "negativen Höhepunkt" des Gesetzespakets und lehnt dieses als "ungeeignet, unverhältnismäßig, diskriminierend, kontraproduktiv und nicht zuletzt grundrechtswidrig" ab. Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) sieht darin einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens, der Religionsfreiheit und der Meinungsäußerungsfreiheit. Darüber hinaus lehnt die Glaubensgemeinschaft auch jenen Passus ab, der Polizisten, Richtern und Staatsanwälten das Tragen besonders sichtbarer religiöser Symbole wie das Kopftuch untersagen soll.

Die Dokustelle für Muslime vermutet in ihrer Stellungnahme, dass das Vollverschleierungsverbot betroffene Frauen "in die Isolation" treiben werde. Auch die Arbeiterkammer befürchtet, "dass die vorgesehene Regelung weniger die soziale Teilhabe dieser Frauen als vielmehr ihren völligen Ausschluss aus dem öffentlichen Raum zur Folge hat". Die Agenda Asyl, hinter der die Asylkoordination, die Diakonie, das Integrationshaus, SOS Mitmensch sowie die Volkshilfe stehen, sieht durch die Maßnahme das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Religionsfreiheit (Artikel 9 der Menschenrechtskonvention) sowie auf freie Gestaltung der Lebensführung (Artikel 8 EMRK) verletzt.

"Ausdruck des Erziehungsstaates"

Die Österreichische Rechtsanwaltskammer lehnt das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz rundum ab - als "Ausdruck eines Erziehungsstaates, ein Staatsmodell, das im Widerspruch zu den im Integrationsgesetz betonten Werten einer rechtsstaatlichen Demokratie steht". Die Regelung sei "gleichermaßen unnötig wie ungeeignet und grundrechtlich bedenklich". Ohne jeden sachlichen Grund würden die Grundrechte der Gewissensfreiheit und Freiheit des Privatlebens in verfassungswidriger Weise eingeschränkt. Und da versucht worden sei, religionsneutral zu formulieren, wäre davon zum Beispiel auch ein Motorradfahrer betroffen, der nach der Fahrt mit Helm am Kopf durch eine Fußgängerzone geht, warnen die Rechtsanwälte.

Das Vollverschleierungsverbot soll mit 1. Juli in Kraft treten und sieht bei Verstößen eine Verwaltungsstrafe von 150 Euro vor. Das Innenministerium plädiert in seiner Stellungnahme für "eine gewisse Legisvakanz" und regt ein Inkrafttreten erst mit Herbst 2017 an. Es seien nämlich noch entsprechende Vorbereitungs- und Schulungsmaßnahmen zu ergreifen.

Grundsätzlich enthält das von SPÖ und ÖVP in Begutachtung geschickte Integrationsgesetz laut Agenda Asyl "einige wichtige Maßnahmen, aber auch zahlreiche Leer- und Schwachstellen". Es sei von "großem Misstrauen" gegenüber jenen Menschen getragen, für die Integrationsmaßnahmen vorgesehen sind. Die Asyl-Lobby empfiehlt, Integrationsmaßnahmen allen Asylsuchenden zugänglich zu machen, um Integration von Beginn an ohne Bruchstellen sicherzustellen. Die Arbeiterkammer wiederum hält vorgesehene Sanktionen bei Integrationsverweigerung wie den Wegfall der Mindestsicherung für "unangebracht und kontraproduktiv".

Für die Rechtsanwaltskammer ist überhaupt offen, ob der Bund den Ländern die Verhängung von Sanktionen - bei Nicht-Mitwirkung an Deutsch- und Wertekursen - vorschreiben kann. Mangels bundeseinheitlicher Regelung zur Mindestsicherung wäre dies kompetenzrechtlich fraglich. Außerdem stünden diese Sanktionen im Gegensatz zu der pädagogischen Erkenntnis, dass Motivation und Beteiligung den Lernerfolg fördern, drohende Sanktionen jedoch in aller Regel das Gegenteil bewirken. Sinnvoller wäre ein Bonus für die Mitwirkung.

Die Landesregierungen von Niederösterreich und der Steiermark verwiesen in ihren Stellungnahmen denn auch auf mögliche Eingriffe in die Länderkompetenzen. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts monierte unterdessen zahlreiche unpräzise Bestimmungen sowie eine "Reihe unbestimmter Begriffe, die unterschiedliche Auslegungen zulassen und daher zu Auslegungsschwierigkeiten und Unklarheiten führen können".

Arbeiterkammer und Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB) fordern zudem im Zusammenhang mit dem verpflichtenden Integrationsjahr, das ab 1. September für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte kommen soll, sowie den damit verbundenen Aufgaben für das Arbeitsmarktservice mehr Ressourcen für das AMS. Die zusätzlich 100 Millionen Euro, die dem AMS zur Verfügung stehen sollen, würden nicht ausreichen. Es brauche mehr Personal, so AK und ÖGB. Im AMS hält man eine Umsetzung des Integrationsjahres mit September für nicht realistisch. Insbesondere für Asylwerber ist eine gesetzeskonforme Umsetzung erst ab Jänner 2018 möglich, heißt es beim Arbeitsmarktservice.

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