Kriminalsoziologen

Jeder 2. Vorbestrafte wird nie wieder verurteilt

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Einer Studie zufolge sind Wiederholungstäter nicht die Mehrheit. Interessant: Von den Sexualtätern sind überhaupt nur 4% rückfällig.

Knapp zwei Drittel - exakt 62 Prozent - der von den heimischen Strafgerichten Abgeurteilten werden kein zweites Mal verurteilt. Selbst unter den Vorbestraften bleibt fast jeder Zweite "wiederverurteilungsfrei". Bei Jugendlichen bzw. Einheimischen ist die Wiederverurteilungsrate höher als bei Erwachsenen bzw. Fremden. Diese Studienergebnisse präsentierten die Wiener Kriminalsoziologen Arno Pilgram und Veronika Hofinger am Freitag im Justizministerium.

Ein Jahr Arbeit
Ein Jahr hatten die beiden mit einer Arbeitsgruppe an dem Projekt gearbeitet, das fundierte Grundlagen für zukünftige kriminalpolitische Überlegungen liefern soll. Die neue Wiederverurteilungsstatistik bezieht sich auf sämtliche im Jahr 2003 rechtskräftig abgeurteilten Personen sowie jene, die im selben Jahr aus unbedingten Freiheitsstrafen entlassen wurden. In weiterer Folge beobachteten die Wissenschaftler, wie viele Männer und Frauen bis zum 31. Dezember 2007 neuerlich strafrechtlich schuldig gesprochen wurden.

Wenig Wiederholungstäter
Die vorgelegte Statistik fördert bemerkenswerte Fakten zutage: Von jenen Personen, die erstmals verurteilt worden waren, blieben im Beobachtungszeitraum drei Viertel "wiederverurteilungsfrei". Selbst von den bereits Vorbestraften wurden 46 Prozent nicht mehr schuldig erkannt. Fazit der beiden Forscher: "Die Justizklientel ist nicht geprägt von Wiederholungstätern". Fast jeder zweite Vorbestrafte schaffe "den Ausstieg aus der Karriere".

Sexualtäter wiederholen nicht
Von den Wiederverurteilten wurde im Beobachtungszeitraum die Hälfte nur einmal neuerlich schuldig gesprochen, immerhin ein Fünftel allerdings öfter als viermal. Bei Suchtmittel- und Vermögensdelikten war die Rückfallquote am Größten. Das Gegenteil davon zeigte sich bei Sexualstraftätern: Ein Viertel dieser Männer wurde wieder verurteilt, allerdings nur vier Prozent innerhalb derselben Deliktsgruppe.

Harte Strafen bringen's nicht
Je geringer die Strafe ausfällt, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, neuerlich vor Gericht zu landen - das lässt sich ebenfalls aus der Statistik ablesen. 74 Prozent der zu einer bedingten Geldstrafe Verurteilten wurden überhaupt nicht mehr verurteilt, während 35 Prozent der zu unbedingten Haftstrafen neuerlich eine "Unbedingte" ausfassten.

Bedingte sind sinnvoll
Die Wiederverurteilungsstatistik belegt deutlich die Sinnhaftigkeit von bedingten Entlassungen: Während 67 Prozent der Personen, die zum vorgesehenen Zeitpunkt aus der Strafhaft entlassen wurden, wieder verurteilt wurden, waren es bei vorzeitig auf Bewährung Entlassenen nur 54 Prozent.

Milde regional unterschiedlich
Regionale Unterschiede stellten Pilgram und Hofinger bei der Anwendung der Diversion und der bedingten Strafnachsicht fest. Die Diversionsrate betrug in den Sprengeln der Oberlandesgerichte Innsbruck und Linz 59 bzw. 56 Prozent, in Graz demgegenüber nur 45 Prozent. Die bedingte Geldstrafe wurde in Innsbruck zehnmal häufiger angewandt als in Graz, die unbedingte Freiheitsstrafe in Graz um ein Drittel häufiger als in Westösterreich.

"Obwohl selektiver verurteilt und milder gestraft wird, zeigen sich im Westen keine höheren Wiederverurteilungsraten als im Südosten", betonen die Studienautoren.

Wenigste Zweiturteile in Wien
Mit 34 Prozent wies der Sprengel des Oberlandesgerichts Wien die geringste Wiederverurteilungsrate überhaupt aus. "Das kann zum Teil Resultat einer wenig selektiven und dennoch strengeren Urteilspraxis sein, aber auch an einer anderen Zusammensetzung der Verurteiltenpopulation - etwa am höheren Ausländeranteil - liegen", lautet die Erklärung von Pilgram und Hofinger.

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