Coup des Kanzlers

Jetzt kommt die Zocker-Steuer

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Bundeskanzler Faymann will dazu ein EU-weites Volksbegehren starten. Die Finanztransaktionssteuer könnte allein in Österreich 1,3 Mrd. Euro bringen.

An diesem Tag ist Werner Faymann ein europäischer Player. Als Österreichs Kanzler knapp nach 15 Uhr gemeinsam mit den beiden mächtigsten deutschen Sozialdemokraten, SPD-Chef Sigmar Gabriel und Fraktionsvorsitzendem Frank-Walter Steinmeier, den Start des EU-weiten Volksbegehrens bekannt gibt, erntet er Lob, das er in der Heimat selten hört: Beide, Gabriel und Steinmeier, bedanken sich bei Faymann, es sei seine Initiative, er hätte die Vorreiterrolle gespielt.

Bringt Milliarden
Das erste Referendum in der EU-Geschichte soll eine Transaktionssteuer bringen – eine Art Umsatzsteuer auf Börsen-Deals, die sehr einträglich wäre: Bei 0,05 Prozent könnte der österreichische Staat über 1,3 Milliarden Euro im Jahr kassieren, im ganzen EU-Raum betrüge das Steuereinkommen 190 Milliarden.

Seit dem Morgen hatten sich die Ereignisse überschlagen. Schon beim Frühstück nimmt Faymann mehrere Anrufe entgegen – erste Reaktionen auf den ÖSTERREICH-Bericht über seine Pläne des EU-Volksbegehrens. Nach und nach wird bekannt, dass auch der konservative Luxemburger Ministerpräsident Claude Juncker eine Besteuerung von Finanztransaktionen befürwortet und auch Angela Merkels schwarz-gelbe Koalition nicht mehr abgeneigt ist. Auch Finanzminister Josef Pröll springt auf den Zug auf.

1 Million aus neun Ländern: So läuft das Volksbegehren

Auf dem Weg zum Flughafen macht Faymann ÖSTERREICH gegenüber aber klar: Auch wenn konservative Finanzminister der neuen Steuer jetzt freundlich gegenüberstehen, werde er am Referendum festhalten. Er hätte kein Vertrauen, dass die Steuer rechtzeitig kommt.

In Berlin dann das Treffen mit den SPD-Größen. Der Plan wird präsentiert:

  • Am 1. Oktober startet das erste europaweite Referendum, das durch den Lissaboner Vertrag möglich wurde.
  • Wenn sich eine Million EU-Bürger aus mindestens neun Ländern daran beteiligen, müssen sich EU-Parlament und die EU-Kommission damit befassen.
  • Theoretisch haben die Initiatoren ein Jahr Zeit, die Unterschriften zu sammeln. Faymann und SPD-Chef Gabriel sind aber überzeugt, dass es viel schneller geht.
  • Weitere Bündnispartner sollen gewonnen werden. Faymann ist überzeugt, dass die Franzosen als nächstes an Bord sind. Auch NGOs sollen auf die Plattform.

Die CDU kann Faymann beim protokollarischen Höhepunkt des Tages, dem Termin bei Kanzlerin Angela Merkel, noch nicht überzeugen. Beim gemeinsamen Pressegespräch präsentiert er aber eine neue Idee: Die Gründung einer eigenen EU-Rating-Agentur, um weniger von den US-Ratern abhängig zu sein.

"Wer Krise verursacht, muss zahlen", meint Faymann. Hier das ganze Interview:

ÖSTERREICH: Wann kamen Sie auf die Idee der EU-weiten Volksbefragung?

Werner Faymann: Letzte Woche. Für mich war klar, dass wir etwas unternehmen müssen. Wir können nicht immer von EU-Sitzungen zurückkommen und sagen: Es wird schon besser werden. Es geht jetzt darum, Spekulationen einzubremsen und jene, die für die Krise verantwortlich sind, auch zahlen zu lassen.

ÖSTERREICH: Aber was bringt das Referendum? Die Finanzminister haben sich de facto schon zu dieser Steuer bekannt …

Werner Faymann: Dass im Oktober alles schon beschlossen ist, wäre schön. Aber das glaube ich leider nicht … Daher werden wir nun gemeinsam mit der Bevölkerung etwas für Gerechtigkeit unternehmen.

ÖSTERREICH: Mit wem haben Sie diese Initiative hinter den Kulissen eingefädelt?

Werner Faymann: Ich hatte es zunächst Martin Schulz und dann Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel vorgeschlagen. Gemeinsam haben wir dann Text und Prozedere entwickelt. Wir versuchen, diese Initiative in allen 27 EU-Staaten durchzuführen.

ÖSTERREICH: Ist so ein Referendum nicht ein Eingeständnis des Scheiterns der EU-Kommission und der Regierungschefs?

Werner Faymann: Nur ein Eingeständnis, dass der EU-Rat nicht so schnell reagiert, wie wir uns das vorstellen. Wir wollen die Themen soziale Gerechtigkeit, wer soll die Suppe auslöffeln, Kampf gegen Spekulationen mit den Menschen verändern.

ÖSTERREICH: Aber Pröll spricht sich nun auch für die Spekulationssteuer aus. Oder?

Werner Faymann: Auch in der Politik gibt es leider sehr starke Interessenvertretungen der Banken. Da ist die Bevölkerung der verlässlichere Partner. Es ist wie damals bei der Umweltpolitik. Wir müssen die Sache gemeinsam und solidarisch angehen.

ÖSTERREICH: Welche Steuern werden in Österreich kommen?

Werner Faymann: Die Bankenabgabe, die 500 Millionen Euro bringt, ist absoluter Fixstarter. Ich möchte zudem die Spekulationssteuer, am besten im EU-Gleichklang, notfalls als österreichischer Alleingang. Und ebenfalls klar ist, dass höhere Steuern auf Stiftungen auf der Agenda stehen. Die Details dieses Pakets müssen wir aber erst mit dem Koalitionspartner ausverhandeln. Mit diesen Steuern müssen wir auskommen. Denn sicher ist nur eines: Es darf keine Erhöhung von Massensteuern herauskommen. Alle Versuche in diese Richtung bekämpfe ich.

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