Existenzängste

Kassen droht der Pleitegeier

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Unser Gesundheitssystem ist noch maroder als gedacht. Die Ärzte streiken erneut und einige Krankenkassen sind schon jetzt konkursreif.

Der Zustand des „Patienten Krankenkasse“ verschlechtert sich rasant. Eine aktuelle Prognose des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger zeigt auf, wie schlimm es um die Finanzen steht – die Kassen in Österreich sind pleite. Keine Einzige soll im kommenden Jahr eine positive Bilanz aufweisen können.

Unbezwingbarer Schuldenberg. Die schockierenden Prognosen des Hauptverbandes für alle heimischen Kassen gemeinsam:

  • 2007: – 310 Millionen Euro
  • 2009: – 389 Millionen Euro
  • 2010: – 574 Millionen Euro
  • 2012: – 2,8 Milliarden (!)

Am schlimmsten wird das Minus bei der steirischen Krankenkasse, 100 Millionen Euro werden erwartet. Niederösterreichs Defizit wird mit 98 Millionen Euro beziffert. Die Wiener Krankenkasse wird im kommenden Jahr ein Minus von 94 Millionen Euro erwirtschaften. Dieses Szenario tritt ein, falls es kein frisches Geld von der Regierung gibt.

Kassen in Konkurs
Für Aufsehen sorgt jetzt der renommierte Anwalt Johannes Reich-Rohrwig. In einem von ihm erstellten Rechtsgutachten spricht er davon, dass die Wiener Gebietskrankenkasse überschuldet und konkursreif sei. Die Vorstände müssten Konkurs anmelden, tun sie das nicht, machen sie sich strafbar, steht im Gutachten. Ähnliches gilt für Niederösterreich und die Steiermark.

Geld wäre weg
Ein Konkurs wäre das absolute Horrorszenario für den Wiener Patientenanwalt Konrad Brustbauer: „Das ist unvorstellbar. Dann würden die Leistungen der Krankenversicherungen aufhören. Das Geld der Patienten wäre weg – wie das halt ist bei einem Konkurs.“ Dass es so weit kommt, glaubt Brustbauer nicht: „Letztlich wird die öffentliche Hand bezahlen.“

Jetzt liegt es an der Politik, strikte Sparpläne für die Kassen zu gestalten. Mit der Kassenreform will die Regierung ja bis 2012 das Defizit der Krankenkassen auf 350 Millionen Euro drücken.

Keine Mehrheit
Gut sieht es nicht aus: Am 8. Juli soll das Paket im Parlament beschlossen werden. Zwar laufen noch fieberhafte Verhandlungen – für heute und morgen sind über 30 Experten zu Hearings geladen. Doch noch findet das neue Gesetz unter den Abgeordneten keine Mehrheit. Die Sanierung des Gesundheitswesens könnte somit weiter aufgeschoben werden.

Selbstbehalte
Klar ist: Falls die Reform letztlich nicht greift und die Kassen weiter unaufhaltsam ihre Schuldenberge vergrößern, drohen drastische Maßnahmen: Eine Möglichkeit wären Selbstbehalte für Patienten bei jedem Arztbesuch. In Regierungskreisen munkelt man schon von 30 bis 40 Euro pro Behandlung. Eine andere Lösung wären eingeschränkte Leistungen, wie Patientenanwalt Brustbauer erklärt: „Das hat bereits bei der Physiotherapie begonnen. Ich fürchte, das wird schlimmer.“

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