In letzter Sekunde

Koalition schließt Sommer-Frieden

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Seit einem Jahr streitet die Koalition mit wechselnden Fronten um den Förder-Strip für alle Österreicher. Jetzt wollen alle auf Urlaub – und der Kompromiss steht.

Es war eine Einigung in allerletzter Sekunde: Montag, bei der nachmittäglichen Sitzung der Regierungskoordination, traten die Chefs persönlich auf den Plan, was höchst ungewöhnlich ist: Kanzler Werner Faymann und Vize Josef Pröll kamen zur „Vorbereitung“ des Dienstag-Ministerrats. Tatsächlich wurden hinter den Polstertüren des Kanzleramts dann die letzten Details der beiden wichtigsten Gesetzesvorhaben der Koalition geklärt:

Lesen Sie hier die unendliche Geschichte von Mindestsicherung und Trasparenzdatenbank!

Pünktlich um 16.45 Uhr, damit Pröll auch noch zu einem steirischen VP-Sommerfest düsen konnte, stand ein doppelter Deal:

SP rettet Mindestsicherung.
Das SP-Wunschprojekt soziale Mindestsicherung kommt per 1. September: „Ein sozialpolitischer Meilenstein“, so der Kanzler zu den 744 Euro pro Monat, die Langzeitarbeitslose künftig erhalten.

VP rettet Transferkonto.
Und auch das VP-Lieblingsprojekt, die Transferdatenbank ist fix. Genau wie Josef Pröll es will, können künftig Bürger via Internet nachschauen, wie viel Geld sie von der öffentlichen Hand erhalten. Behörden können Mehrfach-Förderungen kontrollieren.

Gespießt hatte es sich am letzten offenen Detail, der Einbeziehung der Länderdaten. Das wird, so der Kompromiss, bis Herbst fixiert. Der Bund startet am 1. Jänner 2011 mit seinen Transferdaten. Per Verfassungsgesetz oder via 15a-Staatsvertrag sollen die Länder bis 30. Juni 2011 verpflichtet werden, ihre Daten einzuspeisen.

Blamage verhindert.
Hätten sich Faymann und Pröll nicht wenige Stunden vor Ultimo auf die Transparenzdatenbank geeinigt, wäre diese – und auch die Mindestsicherung – nicht mehr vor dem Urlaub durchs Parlament gegangen. Statt eines halbwegs ruhigen – und koalitionär friedlichen – Sommers hätte Dauerstreit vor den wichtigen Wahlen in der Steiermark und in Wien geblüht. „Wie die Wähler auf diese Blamage reagiert hätten, wollen wir uns gar nicht ausmalen“, sagt einer der Verhandler.

Jetzt können sich beide, Faymann und Pröll, über diesen „Beweis der Arbeitsfähigkeit“ freuen. Auch wenn in Wahrheit wichtige Details noch offen sind.

Werner Faymann im Interview:
,Kein Platz für Verhinderer‘

ÖSTERREICH: Herr Bundeskanzler, wie wichtig war Ihnen die Einigung auf Mindestsicherung und Transferkonto?
Werner Faymann: Wir haben bewiesen, dass wir als Regierung arbeiten. Gewonnen habe nicht ich allein, sondern die Regierung unter meinem Vorsitz, die Großes bewegt – und die auch im Herbst Großes bei gerechtem Sparen und gerechten Einnahmen bewegen wird.

ÖSTERREICH: Trotzdem stand der Kompromiss auf Messers Schneide, oder?
Faymann: Ehrlich gesagt wusste ich beim Hineingehen in die Sitzung nicht, ob wir am Ende mit einer guten Lösung herauskommen. Ich hätte dann über den Sommer hart um die Mindestsicherung kämpfen müssen. So aber ist es besser. Wir zeigen, dass es keinen Platz für Verhinderer in Österreich gibt.

ÖSTERREICH: Sie wollen jetzt via Mindestsicherung auch beim Wähler punkten?
Faymann: Wir sind ja eines der reichsten Länder der Welt. Da kann man doch nicht nur zu Weihnachten bei „Licht ins Dunkel“ die Armut bekämpfen. Der Kampf gegen die Armut ist für mich einer der wichtigsten politischen Aufträge.

ÖSTERREICH: Wer hat sich beim Transferkonto letztlich durchgesetzt?
Faymann: Es ist ein Erfolg für beide Partner, denn ohne Einbeziehung der Länderdaten hätten wir letztlich nur weitere Riesenstreitereien und Verunsicherungen ausgelöst. Gut, dass es nicht so kam.

Interview: J. Galley

Wer Geld will, soll Auto verkaufen

Bei der Mindestsicherung zieht die Regierung knallharte Spielregeln für Arbeitslose ein, die noch Autos oder Geld am Konto haben.

Dass die soziale Mindestsicherung das „Sprungbrett in eine bessere Zukunft“ sei, wie SP-Sozialminister Rudolf Hundstorfer schwärmt, darf stark bezweifelt werden. „Soziale Hängematte“, wie es VP-Klubchef Karlheinz Kopf ausdrückte, kann man bei maximal 744 Euro Monatseinkommen für die erwarteten 11.000 Bezieher wohl auch kaum sagen.

Klar ist, dass ab 1. September – in Oberösterreich und Steiermark wohl erst ab 2011 – nach knallharten Spielregeln bundesweit einheitlich Geld für die Ärmsten der Armen fließen soll: Der Grundtarif ist 744 Euro, zwölfmal pro Jahr.

Sparbuch und Auto weg.
Österreicher, EU-Bürger und Ausländer, die mindestens fünf Jahre legal hier arbeiten, können beim Arbeitsamt einen Antrag stellen. Dort müssen sie nachweisen, dass sie arbeitswillig sind – und ihre Vermögensverhältnisse offenlegen. Immobilien muss man nicht verkaufen, Barvermögen über einer Höhe von 3.720 Euro müssen zuerst verbraucht werden, bevor man zur Mindestsicherung kommt. Auch Autos müssen verkauft werden, wenn sie nicht unbedingt notwendig sind, um einen Job zu bekommen.

Wer etwa kostenlos bei den Eltern wohnt, dem werden ebenfalls 186 Euro pro Monat abgezogen. Dann erhält man statt 744 Euro nur noch 558 Euro pro Monat – zwölfmal pro Jahr. Größter Vorteil der Neuregelung: Alle Bezieher sind künftig via E-Card versichert.

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