UN-Flüchtlingsgipfel

Kurz gewann IS-Opfer als "OSZE-Botschafterin"

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Die 23-jährige Yezidin wurde von Jihadisten als Sexsklavin missbraucht.

Rund um die UN-Vollversammlung hat Nadia Murad Basee Taha bereits tragische Berühmtheit erlangt, am Montag wurde das yezidische IS-Opfer von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) als "OSZE-Botschafterin des guten Willens" gewonnen. Kurz traf die 23-jährige am Montag in New York und bat als künftiger Vorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (2017) um ihre Kooperation.

Hintergrund ist die Idee, im Rahmen der österreichischen OSZE-Präsidentschaft erstmals "Goodwill-Abassadors" zum Einsatz zu bringen. Nadia Murad erklärte sich bereit, Österreich bei diesem Projekt zu unterstützen und ihrem Schicksal und aktuellen Engagement gemäß gegen Gewalt gegen Frauen und gegen Radikalisierung aufzutreten. Dies ist auch einer der Schwerpunkt des österreichischen Vorsitzes im Jahr 2017 und ein Gebiet, in dem die USA und Russland gemeinsame Interessen haben, wie es aus dem Umfeld von Kurz am Montag in New York hieß.

"Eindrucksvolle Persönlichkeit"

Der Außenminister sprach nach dem Treffen mit Murad von einer "eindrucksvollen Persönlichkeit". "Es ist erschütternd, wenn ich daran denke, was sie mitgemacht hat." Die 23-jährige Yezidin aus dem Irak war von der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) als Sexsklavin missbraucht worden. Sie wurde bereits am Freitag zur "UNO-Sonderbeauftragten für die Würde der Opfer von Menschenhandel" ernannt und offiziell in das Amt eingeführt. Die junge Frau stammt aus dem vorwiegend von Angehörigen der religiösen Minderheit der Yeziden bewohnten Dorf Kocho unweit der Stadt Sinjar.

Im August 2014 wurde Kocho vom IS überfallen. Fast die ganze männliche Bevölkerung wurde laut Berichten internationaler Nachrichtenagenturen von den Jihadisten niedergemetzelt, auch Nadia Murads Brüder starben. Ihre Mutter kam ums Leben, als sie gemeinsam mit anderen Frauen in die IS-Hochburg Mossul (Mosul) deportiert wurden. Dort wurde Nadia Murad Opfer von Gruppenvergewaltigungen, mehrmals wurde sie weiterverkauft. "Ich wurde auf die Art und Weise benutzt, wie sie es wollten", sagte die 23-Jährige. "Der Tod ist harmlos im Vergleich zu der Hölle, durch die wir alle gehen mussten".

Engagement gegen IS

Es gelang ihr die Flucht, die sie letztlich nach Deutschland führte. Seither engagiert sie sich gegen den Radikalismus des IS. Murad forderte die Freilassung von schätzungsweise 3.200 yezidischen Frauen und Mädchen, die weiter als Sexsklavinnen vom IS festgehalten werden, und verlangte, die Täter vor Gericht zu stellen. Ihre große Angst sei es, dass die IS-Kämpfer, wenn die Miliz einmal besiegt sei, "einfach ihre Bärte abrasieren und durch die Straßen der Städte gehen, als sei nichts gewesen", sagte Murad. "Wir dürfen das nicht geschehen lassen. Wir müssen dafür sorgen, dass durch Deradikalisierung die Voraussetzungen für Frieden geschaffen werden."

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte am Freitag gesagt, er sei "zu Tränen gerührt" vom Schicksal der jungen Frau, aber auch von "ihrer Kraft, ihrem Mut und ihrer Würde". Als Sonderbotschafterin der UNO wird Murad auf das Leid der Opfer von Menschenhandel aufmerksam machen, vor allem auf das Schicksal von Flüchtlingen, Frauen und Mädchen. Unterstützt wird sie dabei von der Anwältin Amal Clooney. Diese bezeichnete das Vorgehen des IS gegen die Yeziden als "Völkermord". "Und wir wissen, dass er andauert", fügte sie hinzu. "Ich schäme mich als Mensch, dass wir ihre Hilferufe ignorieren", sagte Clooney mit Blick auf die Opfer. Murad wurde auch für den Friedensnobelpreis nominiert.

Verfolgung von Yeziden

Die religiöse Minderheit der Yeziden stammt aus dem Irak, Syrien, der Türkei und dem Iran. Die Yeziden sind vorwiegend Kurden und lebten bisher vor allem in der Gegend um die nordirakische Stadt Mossul und im nahe gelegenen Sinjar-Gebirge. Beim Vormarsch der IS-Jihadisten in die Region flohen im vergangenen Sommer jedoch nach Angaben der Yeziden rund 500.000 Menschen von dort.

Wegen der Verfolgung vor allem im Irak waren in den vergangenen Jahren viele Anhänger der monotheistischen Religion schon zuvor ins Ausland geflüchtet. Der wichtigste heilige Ort ihrer Religion liegt in Lalish, einem abgelegenen Tal im Nordirak. Dort befindet sich das Grab von Sheikh Adi, der im 12. Jahrhundert starb und den die Yeziden als Heiligen verehren.

Jedes Jahr im Herbst kommen zehntausende Menschen zu einer Wallfahrt in das Tal. Mitte April feiern die Yeziden hier ihr Neujahrsfest. Viele Muslime betrachten die Yeziden als "Teufelsanbeter", weil sie auch den "Engel Pfau" ("Tausi Melek") als zentrale Figur ihres Glaubens verehren. Tausi Melek fiel bei Gott vorübergehend in Ungnade und wurde zeitweise in die Hölle verbannt. Darauf gründen sich die Vorurteile gegenüber dieser Religion.

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