Neue Studie

Migranten drängen ins ORF-Programm

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Zuwanderer fühlen sich nicht stark genug repräsentiert im Programm.

Migranten wollen sich in den ORF-Programmen stärker wiederfinden. Wie eine unter der Leitung des Wiener Kommunikationswissenschafters Fritz Hausjell durchgeführte qualitative Public Value Studie für den ORF zeigt, fühlen sich zugewanderte Menschen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sehr auf die Rolle des Problemfalls reduziert. Hausjell empfiehlt Schulungsmaßnahmen und mehr Migranten in journalistischen Berufen.

Sichtbarkeit
"Die Betroffenen wollen nicht auf das reduziert werden, was die Politik mit ihnen treibt", sagte Hausjell. "Migranten sind als Teil der gesellschaftlichen Normalität zu wenig sichtbar." Konkret äußere sich das etwa in Straßenbefragungen, in denen Zugewanderte fast ausschließlich bei Migrationsfragen zu Wort kämen. "Migranten sind nur dann drinnen, wenn sie Probleme für die Mehrheitsbevölkerung darstellen."

Programmformate
Die Befragten würden sich wünschen, in allen Programmformaten - seien sie fiktional oder nichtfiktional - vertreten zu sein. Als Negativbeispiel wurde laut Hausjell beispielsweise die erste Staffel der Reality-Show "Taxi Orange" genannt. "Hier wurde ein Berufsfeld thematisiert, das klassischerweise von Migranten ausgeübt wird, in der ersten Staffel war aber kein einziger Migrant zu sehen."

"Selten auf Augenhöhe"
Migranten finden, ihnen werde im Programm "selten auf Augenhöhe begegnet", ergab die Studie. So würden auch Experten mit Migrationshintergrund "immer nur zu Migrationsthemen befragt". Erfolgreiche Migranten würden außerdem fast ausschließlich erst dann in die Medien gebracht, wenn sie außergewöhnliche Karrieren hätten, um dann auf ihre Herkunft zu verweisen.

Positive Beispiele
Ein positives Beispiel sei "Helden von morgen", wo nicht nur Moderatorin Doris Golpashin sondern auch rund ein Drittel der Kandidaten Migrationshintergrund habe. Aber auch österreichische Filmen und Serien wie "Tschuschenpower" oder die "Tatort"-Folge, in der es um eine Moschee in Telfs geht, seien lobenswert.

Hausjell plädiert für die Schaffung eines eigenen Integrationsbeauftragten beim ORF. Grundsätzlich müsse man die interkulturelle Kompetenz in den Redaktionen erhöhen. Dies könne entweder durch Schulungen oder durch "multikulturalisieren der Redaktionen" geschehen. "Man kann die Redaktion 'Heimat, fremde Heimat' auch als Kompetenzzentrum begreifen", so Hausjell. So gebe es positive Beispiele, dass Migranten im ORF von dort aus auch in Redaktionen kommen,"die Mainstream sind und dort ihre Perspektiven besser einbringen".

Öffentliche Verpflichtung
Klaus Unterberger, als Leiter des Public-Value-Kompetenzzentrums im ORF für die Schärfung des öffentlich-rechtlichen Profils zuständig, unterstrich die gesellschaftlichen Verpflichtungen des ORF: "In einer sich ändernden Gesellschaft wäre es unsinnig, auf einem historischen Status quo zu bestehen. Niemand will heute, dass das Fernsehen genauso ist wie das Fernsehen der 50erJahre. Der ORF stellt sich dem Anspruch der Gesellschaft und dokumentiert seine Bemühungen."

Mit der Studie reihe sich der ORF in die Avantgarde europäischer Sendeanstalten ein, die solche Forschung betreibe, lobte Hausjell den Sender. Ähnliche Studien gebe es sonst nur von BBC oder dem WDR. Handlungsbedarf ortete er auch bei der normalen Reichweitenforschung im Fernsehen, die Migranten zwar abbilde, aber nicht separat ausweise. So würden in das Teletest-Panel nur Haushalte mit österreichischem Haushaltsvorstand aufgenommen.

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