ÖSTERREICH-Interview

Molterer: ,Harte Strafen für Mineralölfirmen'

Teilen

Der VP-Chef im ÖSTERREICH-Interview über seinen Kampf gegen die Teuerung, Faymann und Lügen im Wahlkampf .

Als Erster preschte SPÖChef Werner Faymann vor. Im ÖSTERREICH-Interview vor exakt zwei Wochen kündigte er ein Paket gegen die Teuerung an. Die Fakten:

  • Steuerreform sofort – und nicht erst 2010.
  • Benzinpreis-Stopp.
  • Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel (von 10 auf 5 Prozent).
  • Einfrieren der Gebühren von Ämtern und Behörden.
  • Mietpreis-Stopp.
  • Erhöhung des Pflegegeldes (5 Prozent im Schnitt).

Die ÖVP wurde auf dem falschen Fuß erwischt, wollte ihren Anti-Teuerungsplan eigentlich erst Anfang ­August auf den Tisch legen. Folge: Faymann führt in der Direktwahl gegen ÖVP-Chef Molterer überlegen.

Nun holt der Vizekanzler zum Gegenschlag aus, verriet diese Woche Teile seines Inflationspakets – es ist dem der SPÖ nicht unähnlich:

  • Die ÖVP ist ebenfalls für Gebührenstopp und eine Erhöhung beim Pflegegeld.
  • Dazu: Familien mit Kindern sollten eine 13. Familienbeihilfe erhalten.
  • Und: Um 1.490 Euro soll es eine Jahreskarte für alle öffentlichen Verkehrsmittel in ganz Österreich geben.

Im ÖSTERREICH-Interview nennt Molterer nun erstmals Details.

ÖSTERREICH: Sie haben diese ­Woche ein Anti-Teuerungspaket präsentiert – haben Sie je errechnet, wie viel das dem einzelnen Bürger im Schnitt bringt?

WILHELM MOLTERER: Ich habe hier ein Anti-Teuerungspaket entwickelt, das vor allem Menschen mit geringem Einkommen und Familien hilft, wo ein Einkommen auf mehrere Köpfe verteilt wird. Es geht mir um die Älteren – daher Pensionserhöhung früher. Es geht mir um Familien mit mehr Kindern – daher eine 13. Familienbeihilfe. Und Hilfe für all jene, die Pflege brauchen – daher gehe ich über den Vorschlag Buchingers hinaus und sage: nicht fünf, sondern sieben Prozent Anhebung des Pflegegeldes. Dazu kommen die Entlastungen, die wir schon gemacht haben.

ÖSTERREICH: Was hat aber der Einzelne konkret davon?

MOLTERER: Mir hat gestern ein Familienvater seinen Lohnzettel gezeigt: Er hat nach Abschaffung der Arbeitslosenversicherung aufs Jahr gerechnet netto 250 Euro mehr, da kommen jetzt dann für zwei Kinder 300 Euro zusätzliche Familienbeihilfe dazu. Ich habe 1,2 Milliarden Euro Teuerungsausgleich möglich gemacht. Das entspricht genau dem Mehrbetrag, den wir durch die gute Konjunktur verbuchen. Das heißt: Ich gebe den Bürgern genau das zurück, was wir mehr eingenommen haben.

ÖSTERREICH: Es gibt aber Experten, die sagen, dass Sie heuer bis zu vier Milliarden Steuern mehr von den Österreichern kassieren.

MOLTERER: Der einzig seriöse Vergleich ist: Wie ist unser Budget-Voranschlag und wie ist die Einnahmenentwicklung. Und hier werden wir geschätzt 1,3 Milliarden Euro in diesem Jahr mehr an Steuern einnehmen. Und genau in dieser Größenordnung kann ich es verantworten, dass ich das den Bürgern zurückgebe. Ich will auch in Wahlkampfzeiten nie mehr versprechen, als ich halten kann.

ÖSTERREICH: Sie bekommen jetzt aber das Bremser-Image.

MOLTERER: Ich sage „Ja“ zu sozialer Verantwortlichkeit – aber ich sage „Nein“ und bremse ganz bewusst, wenn ich falsche politische Entwicklungen sehe.

ÖSTERREICH: Was sind die falschen Entwicklungen?

MOLTERER: Zum Beispiel, wenn jetzt jemand eine Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel verspricht, dann ist das ein völlig falscher Ansatz. Eine Halbierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel kostet uns 750 Millionen – und da würden Familien mit Kleinsteinkommen, die sparsam für 100 Euro Lebensmittel einkaufen, mit ihrem Steuergeld Millionärsfamilien finanzieren. Da sage ich eindeutig: Nein! Ich will nicht wie Herr Faymann die Büchse der Pandora mit neuen Schulden und damit neuen Steuern öffnen.

ÖSTERREICH: Das heißt: Eine Senkung der Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln auf fünf Prozent halten Sie deklariert für einen Unsinn?

MOLTERER: Genau – weil sie ex­trem teuer und nicht sozial treffsicher wäre und in Wahrheit nur Vorteile für Reiche und „Big Spender“ bringt, aber nichts für sozial Bedürftige.

ÖSTERREICH: Was halten Sie von einer Mineralölsteuer-Senkung?

MOLTERER: Gar nichts. Ich habe mir das genau durchgerechnet. Der Effekt wäre, dass wir noch mehr Tanktourismus hätten, dass mehr ausländischen Lkws nur noch bei uns tanken würden, dass unsere Kyoto-Ziele endgültig nicht mehr schaffbar wären …

ÖSTERREICH: Da gibt es aber den Vorschlag der FPÖ, die Mineralölsteuer nur für Inländer, also für Pkws mit österreichischem Kennzeichen zu senken.

MOLTERER: Das ist ein hanebüchener Unsinn. Das widerspricht allen EU-Rechten. Das hält nicht einen einzigen Tag. Da war es doch viel gescheiter, die Pendlerpauschalen und das Kilometergeld zu erhöhen.

ÖSTERREICH: Das heißt: Mehrwertsteuersenkung auf Benzin und Lebensmittel kommt nicht?

MOLTERER: Ich bin komplett dagegen, weil Sie die Teuerung nicht mit der Gießkanne bekämpfen können. Die Gießkanne ist ungeeignet für die soziale Treffsicherheit.

ÖSTERREICH: Dann behaupten Sie: Das, was alle anderen Parteien, vor allem die SPÖ und Faymann fordern, ist unseriös?

MOLTERER: Es ist nicht finanzierbar. Allein, was Werner Faymann in der letzten Woche gefordert hat, kostet vier Milliarden Euro. Das ist nicht finanzierbar, würde eine Steuerreform unmöglich machen – und das ist genau das, was Gusenbauer im letzten Wahlkampf getan hat: einfach den Menschen viel mehr versprechen, als man halten kann.

ÖSTERREICH: Trotzdem können Sie die Tatsache nicht vom Tisch wischen, dass der durchschnittliche Österreicher heuer über die Teuerung 2.000 Euro im Jahr verliert, dass Sie ihm an zu viel kassierter Steuer noch einmal weitere 1.000 Euro wegnehmen – und ihm über Ihr Teuerungspaket maximal 500 bis 600 Euro zurückgeben.

MOLTERER: Ich habe nie gesagt, dass es von der Politik den vollständigen Teuerungsausgleich geben kann – wer das behauptet, der lügt. Man muss ja auch ehrlich sagen: Die Hochkonjunktur ist vorbei, die Wirtschaft wird im Herbst Probleme bekommen, wir gehen auf schwierigere Zeiten zu.

ÖSTERREICH: Und wie bekämpfen Sie die Inflation?

MOLTERER: Zum Beispiel durch ein ganz klares Signal an die Mineralölwirtschaft. Ich habe dem Chef der OMV vor Kurzem ganz klar gesagt: Wenn Ihr nicht Fairness walten lasst und der Benzinpreis nicht sofort sinkt, wenn der Ölpreis nach unten geht, dann braucht es ein bissiges Wettbewerbsrecht. Die Branchenuntersuchung ist bereits im Gang – und es wird gerade bei den Mineralölfirmen in Zukunft ganz, ganz ­rigoros sanktioniert, also gestraft werden. Wir werden diesen Herrschaften jetzt ganz ­genau auf die Finger schauen.

ÖSTERREICH: Sie halten die Drohung mit Milliardenstrafen gegen die Mineralölwirtschaft, die die Bundeswettbewerbsbehörde angekündigt hat, für real.

MOLTERER: Selbstverständlich. Keine Frage – es wird ganz harte Strafen geben, wenn hier un­faires Verhalten nachgewiesen wird. Und das gilt nicht nur für Mineralölfirmen – das gilt für alle, auch für den Lebensmittelhandel. Ich habe kürzlich selbst eine Tankstelle erwischt, wo mir ein Autofahrer erzählt hat, dass die den Preis dreimal täglich anpasst. Und zwar nicht nach dem Rohöl-Preis, sondern nach der Frequenz. Wenn mehr kommen, geht der Preis in die Höhe, wenn weniger kommen, werden die Preise runtergesetzt. Ich wiederhole: Wenn das jetzt bei der Branchenuntersuchung bewiesen wird, wird es Strafen geben müssen.

ÖSTERREICH: Warum geben Sie Ihrem Herzen nicht einen Stoß und machen die Steuerreform schneller – also Anfang 2009 statt Anfang 2010?

MOLTERER: Ich will einmal ganz deutlich sagen: Es wird eine Steuersenkung in der Höhe von 2,7 Milliarden Euro kommen. Davon werden zwei Milliarden für die Tarifsenkung verwendet werden – davon profitieren alle, die Steuern bezahlen. Und weitere 700 Millionen Euro wird es zusätzlich für Familien mit mehr Kindern geben – plus einen neuen Vorschlag: Die Kinderbetreuung soll für berufstätige Frauen und Mütter steuerlich absetzbar sein. Das heißt, jede Frau, die Kinderbetreuung in Anspruch nimmt, soll den vollen Betrag von der Steuer absetzen können.

ÖSTERREICH: Und welcher Zacken würde Ihnen aus der Krone fallen, wenn Sie genau diese offenbar bereits fix in Ihrem Kopf befindliche Steuerreform gleich machen – also noch für 2009?

MOLTERER: Es geht nicht um Kronen und nicht um irgendwelche lächerlichen Zacken – sondern es geht um das Steuergeld der Österreicher. Und weil diese Steuerreform seriös gemacht wird, kann sie erst Anfang 2010 kommen – jeder der behauptet, er macht eine Steuerreform Anfang 2009, lügt die Wähler an, weil das technisch gar nicht geht

ÖSTERREICH: Ums konkret zu machen: Wenn Sie die Tarife um zwei Milliarden senken, bedeutet das für ein mittleres Einkommen eine jährliche Steuersenkung um 1.000 Euro. Ist das richtig?

MOLTERER: Das ist Ihre Rechnung – natürlich ist eine Durchschnittsrechnung unseriös. Klar ist: Diese Entlastung in Höhe von zwei Milliarden Euro wird für alle sein, die Steuern bezahlen.

ÖSTERREICH: Als Milchmädchenrechnung spart jeder ab 2010 rund tausend Euro?

MOLTERER: Sie sind das Milchmädchen und ich der Finanzminister. Ich halte, was ich verspreche.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.