Am 1. September tritt eine neue Pestizid-Regelung in der EU in Kraft. Die Höchstwerte werden gelockert. Umweltschützer und Politiker sind entsetzt.
Rund 700 der ab 1. September EU-weit einheitlich geltenden Höchstmengen für Pestizide in Obst und Gemüse sind nicht sicher. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Donnerstag in Wien präsentierte Studie der Umweltorganisationen Global 2000 und Greenpeace Deutschland. "Viele der ab September geltenden Höchstwerte sind derart angehoben worden, dass akute und chronische Gesundheitsschäden drohen", so Global 2000-Biochemiker Helmut Burtscher.
Neue Regelung greift ab 1. September
Ab dem nächsten Monat werden
EU-weit rund 170.000 harmonisierte Höchstwerte für etwa 443
Pestizidwirkstoffen auf ca. 380 verschiedenen Lebensmitteln gelten. Etwa die
Hälfte der rund 700 unsicheren - und damit "potenziell
gesundheitsgefährdenden" - Höchstmengen ist in Österreich schon seit Jahren
in Kraft, der Rest mit September. Insgesamt weisen 121 der 443 untersuchten
Pestizidwirkstoffe laut Burtscher einen oder mehrere Höchstwerte auf, die
als potenziell gesundheitsschädigend sein können.
In der Studie wurden die rund 170.000 von der EU-Kommission festgelegten Grenzwerte nach EU-eigenen Maßstäben überprüft: Bei 570 Grenzwerten von Obst und Gemüse werde die sogenannte Akute Referenzdosis (ARfD) für Kinder überschritten. "Das heißt, dass sie nach offizieller Diktion gesundheitsgefährdend sind", so der Biochemiker. Spitzenreiter seien Trauben, Birnen und Äpfel, bei denen jeweils zwischen acht und neun Prozent aller festgelegten zulässigen Höchstmengen für die Kleinen potenziell gesundheitsgefährdend sein können.
Einmaliger Konsum für Kinder schädlich
Laut
Studienergebnis sind zahlreiche Höchstmengen "derart großzügig" festgelegt,
dass bereits der einmalige Konsum gefährdend sein könnte: Für ein 16,5
Kilogramm schweres Kind seien das z. B. schon 20 Gramm Trauben - in etwa
fünf Beeren - bei Ausschöpfung des Höchstwertes des Wirkstoffs Procymidone.
Weiters habe die Bewertung der chronischen Toxizität (wiederholter Konsum über ein ganzes Leben, Anm.) Mängel bei 94 EU-Höchstmengen aufgezeigt. "Ein zusätzliches Gefährdungspotenzial geht von den neuen Höchstwerten aus, da mögliche Kombinationswirkungen zwischen Pestizidwirkstoffen - Stichwort 'Cocktaileffekt' - nicht berücksichtigt wurden", so Burtscher. Die im Rahmen der Studie durchgeführte Bewertung habe aber "erhebliches zusätzliches Gefährdungspotenzial" für bestimmte Stoffgruppen gezeigt.
Die Umweltorganisation forderte von der EU-Kommission, die "unsicheren Höchstwerte zu korrigieren" - besonders im Hinblick darauf, dass rund die Hälfte der unsicheren Werte in Österreich bereits seit Jahren gelten würden und Greenpeace und Global 2000 wiederholt darauf aufmerksam gemacht hätten. Global 2000 kritisierte auch die Art, wie man zu den neuen Höchstwerten gekommen sei: Die EU-Kommission habe alle Höchstmengen aus den einzelnen Mitgliedsstaaten gesammelt und in der Regel einfach den jeweils höchsten Wert als neue Höchstmenge vorgeschlagen.
Die präsentierte Studie stützt laut Global 2000 auch die von der Umweltorganisation PAN Europe vor dem europäischen Gerichtshof eingereichte Klage gegen die EU-Kommission. Die Behörde hatte zuvor einen Antrag von PAN auf eine Überarbeitung der unsicheren Werte abgelehnt.
Die Reaktionen aus der Politik:
FPÖ übt ebenfalls Kritik
SPÖ zeigt sich entsetzt
RETTÖ und BZÖ kritisieren EU
Grüne: "Zurück an den Start"
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