Evaluierung

Neue Mittelschule hat massive Probleme

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Der Start der Neuen Mittelschule (NMS) verlief nicht ganz planmäßig.

Ist die Neue Mittelschule besser als die Hauptschule? Nein, sagt Professor Ferdinand Eder (Uni Salzburg) und legte den Koalitionsverhandlern mit Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek seinen Bericht vor:

Niveau niedriger
Die Neue Mittelschule liefert demnach sogar schlechtere Ergebnisse ab als die Hauptschule, die sie ja bekanntlich ersetzen soll. "Insgesamt gibt es keine belastbaren Hinweise, dass das Niveau der NMS im Durchschnitt über jenem vergleichbarer Hauptschulen liegt. Vielmehr bestehen Zweifel, ob dieses Niveau an allen Standorten tatsächlich erreicht wird", schreibt Eder. Sehr wohl Leistungsverbesserungen wurden nur im ersten NMS-Jahrgang bzw. jenen "Modellklassen" registriert, in denen das NMS-Konzept (2 Lehrer in Hauptfächern) intensiv umgesetzt wurde.

Nicht mehr Gerechtigkeit
Und weiter: "Erwartete Begleitfolgen der NMS hinsichtlich Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit treten nur teilweise ein." Geschlecht und familiäre Herkunft seien weiter entscheidend für den Bildungsfortschritt. Allerdings: "Für Schüler mit Migrationshintergrund könnte es ein Vorteil sein, eine NMS zu besuchen.

Fragen und Antworten zur Neuen Mittelschule (NMS)


Worin unterscheidet sich die Neue Mittelschule von einer Hauptschule?

Hauptunterschied sind die vom Bund finanzierten sechs Zusatzstunden für "pädagogische Fördermaßnahmen" in den Gegenständen Mathematik, Deutsch und Englisch. Diese können für die Besetzung dieser Fächer mit je zwei Lehrern (Teamteaching) eingesetzt werden oder für Individualisierung, differenzierten Unterricht in der Klasse, Begabungs- und Begabtenförderung, inklusive Pädagogik, Förderung in temporären Schülergruppen sowie Förder- und Leistungskurse. Außerdem wird in der dritten und vierten Klasse in Deutsch, Mathe und Englisch im Zeugnis ausgewiesen, ob der Schüler sich nur Basiswissen ("grundlegende Allgemeinbildung") oder komplexeres Wissen ("vertiefte Allgemeinbildung") aneignen konnte - je nachdem sind die Übertrittsmöglichkeiten in weiterführende Schulen gestaltet.


Was ist eigentlich die Neue Mittelschule organisatorisch? Eine Gesamtschule?

Von der Schulorganisation her ist die NMS keine Gesamtschule - ganz im Gegenteil: Gesamtschule bedeutet, dass es für die betreffende Altersstufe nur einen Schultyp gibt. Durch die NMS ist für eine Übergangsphase neben die bisherigen Schultypen Hauptschule und AHS-Unterstufe ein dritter getreten. Ab 2018 werden dann alle verbliebenen Hauptschulen endgültig in NMS umgewandelt sei - dann gibt es also wieder ein zweigliedriges System. Von ihrer Programmatik her ähneln die in den NMS angestrebten Ziele wie die Abkehr von der Vorstellung einer homogenen Schulklasse aber durchaus Ideen von Gesamtschulsystemen.


Wessen Idee war die Neue Mittelschule eigentlich?

Die ehemalige Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) wollte mit der NMS der ÖVP ursprünglich die Gesamtschule schmackhaft machen. Die ÖVP bestand aber auf der parallelen Führung der unterschiedlichen Schultypen. Die NMS startete nach einem politischen Kompromiss zwischen Schmied und Ex-Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) 2008 als Sonderform eines Schulversuchs, 2012 wurde sie ebenfalls auf Initiative der Regierungsparteien zur Regelschule.


Wann sind alle Hauptschulen in NMS umgewandelt?

2012 beschloss der Nationalrat, die NMS vom Modellversuch zur Regelschule zu machen. Alle Hauptschulen werden schrittweise in NMS umgewandelt - 2015/16 werden an den verbliebenen Hauptschulstandorten die ersten Klassen nur mehr als NMS geführt, im Jahr darauf die ersten und zweiten usw. 2018/19 ist die Umstellung dann vollendet.


Warum ist die Neue Mittelschule teurer als Hauptschulen und AHS-Unterstufen?

Der Rechnungshof (RH) hielt 2013 in einem Bericht fest, dass die Lehrerpersonalkosten pro Schüler an den NMS 7.200 Euro betrugen, während die Hauptschulen auf 6.600 und die AHS-Unterstufen auf 4.700 Euro kamen. Grund: Gegenüber den Hauptschulen sind die NMS schon per Definition teurer, da sie sechs Zusatzstunden pro Klasse in Deutsch, Mathe und Englisch erhalten und diese zum Teil von AHS-Lehrern unterrichtet werden. Gegenüber den AHS kommt darüber hinaus noch dazu, dass die Klassen an AHS (Höchstzahl: 30 Schüler, NMS, Hauptschulen: 25) größer sind und es im NMS-Bereich im ländlichen Bereich viele kleine Schulen gibt.
 

Müssen an der Neuen Mittelschule auch AHS-Lehrer unterrichten?

Nein. In der Schulversuchs-Phase war zwar vorgesehen, dass Bundeslehrer (AHS oder BMHS) an den Neuen Mittelschulen unterrichten. Mit der Überführung ins Regelschulwesen 2013 entfiel dieses Kriterium aber. Eingehalten wurde es ohnehin weitgehend nicht: 2014 waren nur an 55 Prozent der NMS Bundeslehrer im Einsatz.


Welche Konsequenzen hat die Neue Mittelschule für die Lehrer-Beschäftigung?

Eine durchwegs positive: Durch die zusätzliche Finanzierung von sechs Wochenstunden pro Klasse konnten im AHS-Bereich zahlreiche Stellen geschaffen bzw. im Landeslehrerbereich (Hauptschulen) Jobs erhalten werden. So sank die Zahl der Hauptschüler zwischen 2008/09 (Jahr der NMS-Einführung als Schulversuch) und 2013/14 um rund 13 Prozent, jene der Hauptschullehrer (ohne Karenzen) um lediglich vier Prozent.


Schaffen NMS-Absolventen höhere Bildungsabschlüsse als Hauptschüler?

Das kann man noch nicht sagen. Zwar erreichten mehr NMS-Absolventen die Berechtigung für den Besuch einer höheren Schule als zuvor die Hauptschüler an den jeweiligen Standorten. Da die ersten Schüler aber erst 2012 die NMS verließen, können sie noch keine Matura erworben haben.
 

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