Analyse

Polit-Duell: Faymann vs. Spindelegger

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Kanzler und Vize werden im Super-Wahljahr 2013 keine Freunde mehr.

Den ersten Schlagabtausch gibt es bereits am Dienstag, den 8. Jänner, im ORF-Bürgerforum. Da werden der Kanzler und sein Vize erstmals nicht auf „Schmusekurs“ machen, sondern sich offen attackieren. Offiziell geht es um die Wehrpflicht-Volksbefragung: Faymann wird engagiert für das Berufsheer argumentieren, Spindel-
egger für die Wehrpflicht. In Wahrheit aber wird man schon spüren: Da gehen zwei Politiker aufeinander los, die nicht mehr miteinander können – das brutale Duell um den künftigen Kanzler beginnt am 8. Jänner.

Als Spindelegger vor knapp 20 Monaten ÖVP-Chef und Vizekanzler wurde, war er so etwas wie der Wunschpartner Faymanns. Der Kanzler hatte sich mit seinem Vorgänger Josef Pröll völlig zerkracht, war dem Finanzminister zuletzt ständig in den Rücken gefallen, hatte Pröll junior so unter Druck gesetzt, dass der – schwer erkrankt – zermürbt die Politik aufgab.

Mit Spindelegger hoffte Faymann auf den idealen Koalitionspartner: Die klassische „graue Maus“, bei den Wählern kaum bekannt, geschweige denn populär – die ewige Nummer zwei.

Spindelegger begann fast devot. Immer verbindlich, immer nett. Faymann sah sich im Höhenflug, die Umfragewerte stiegen. Anfang 2012 war die SP bei 30 %, Faymann hatte die höchste Zustimmung aller EU-Regierungschefs. Im Übermut begann der Kanzler seinen Vize zu demütigen, stahl Außenminister Spindelegger auch bei der EU die Show, trickste ihn bei Staatsbesuchen aus.

Doch Faymann hatte seinen Vize unterschätzt. Die „graue Maus“ schlug zurück. Spindelegger ist in Wahrheit ein mit allen ÖVP-Wassern gewaschener Machtpolitiker. Er kommt aus der Schule des brutalen ÖAAB-Rambos und Verteidigungsministers Lichal, dessen Sekretär er war. Spindi ist die Inkarnation des ÖAAB – er kennt jeden politischen Trick, hat enorme Beharrungskräfte, gibt nie auf.

Als er mit der ÖVP schon auf 20 % gefallen war, startete Spindelegger im Frühjahr 2012 die Gegenoffensive: Er machte seine ÖAAB-Sekretärin Beatrix Karl zur Justizministerin. Rein zufällig startete die Justiz kurz danach Ermittlungen gegen den Kanzler. Seither verfolgen Faymann Staatsanwalt und U-Ausschuss. Das Mieseste, was einem Politiker passieren kann.

Gleichzeitig startete Spindelegger die große Anti-Faymann-Offensive. Was immer der Kanzler wollte, die ÖVP war dagegen: Schulreform – Nein. Reichensteuer – Nein. Berufsheer – Nein. Zuletzt forderte EU-Fan Spindelegger sogar ein Veto zum EU-Budget, um Faymann seine Verhandlungs-Erfolge in der EU-Kommission zu verhageln.
Das Ergebnis: Faymanns Umfragewerte fielen. „Graue Maus“ Spindi dagegen kletterte still und leise mit seiner ÖVP erst vom hoffnungslosen dritten auf Platz 2 – und 2012 will der „Wer bitte?“-Vize sogar Nummer 1 werden.

Kurz vor Weihnachten erhob Gallup für ÖSTERREICH die Persönlichkeits-Profile der beiden Kanzler-Duellanten – und erfuhr Überraschendes: Bei den fünf entscheidenden Kriterien für eine Kanzler-Beurteilung liegt Spindelegger bereits in drei Kategorien knapp voran.

Umfrage-Duell: Faymann vs. Spindelegger 1/5
Im Sympathie-Duell steht es remis
Beide sind je 29% der Wähler sympathisch – Spindelegger eher den jungen, Faymann klar den älteren und den Pensionisten.

Die beiden Kanzler-Gegner sind persönlich sehr ähnlich, politisch dagegen sehr unterschiedlich. Persönlich sind beide ausgeprägte Familienmenschen, mit politisch sehr engagierten Frauen (Faymanns Gattin sitzt im Wiener Gemeinderat, Spindeleggers Ehefrau arbeitet im Rechnungshof) – und mit wenig Lust zur Show.

Faymann spielt den Kanzler nur ungern, hasst Seitenblicke-Events, ist nur schwer für Kanzler-Inszenierungen zu gewinnen. Spindelegger ist noch öffentlichkeitsscheuer, meidet Partys wie die Pest. Beide gehen lieber in die Berge – oder zu Parteiveranstaltungen mit der Basis.

Politisch könnten die beiden gegensätzlicher nicht sein. Faymann kommt aus der linken „Sozialistischen Jugend“, machte Zivildienst, war gegen die Atomkraft. Spindelegger dagegen war beim Kartellverband, ein eher rechter Burschenschafter, Oberleutnant beim Heer.

In Wahrheit sind sie der Ausdruck der österreichischen Realverfassung: Beide Stellvertreter der zwei Mächtigsten im Land. Werner Faymann ist ein Produkt der Wiener SPÖ, war Häupls bester Stadtrat – in seinem Hintergrund regiert in Wahrheit Michael Häupl.

Spindelegger wiederum ist der Adjutant von Erwin Pröll – er ist ein klares Produkt der ÖVPNÖ, kommt aus dem ÖAAB und exekutiert im Bund de facto die Wünsche des niederösterreichischen Landeskaisers Erwin Pröll.
Noch ist völlig offen, wie sich das Duell Faymann-Spindelegger entwickeln wird.

Der ÖVP-Chef hat einen klaren Plan: Er will die Heeres-Befragung gewinnen und damit das Image von Faymann weiter beschädigen, dann in NÖ die Absolute halten, in Salzburg mit Haslauer wieder den Landeschef holen, zuletzt Tirol gewinnen. „2013 wird“, sagte Spindelegger zuletzt in ÖSTERREICH, „das Jahr von ÖVP und mir!“
Faymann will in letzter Sekunde die Heeres-Befragung in Richtung Berufsheer drehen – wenn die verloren geht, wenigstens am 3. März den Landeshauptmann in Kärnten gewinnen. Und dann mit Kärnten im Rücken in eine Gerechtigkeits- und Anti-Korruptions-Offensive gehen.

Die SPÖ rechnet fix mit dem Platzen des Eurofighter-Skandals als VP-Schmiergeldaffäre im Frühjahr und hat angeblich Akten im Keller, wonach Spindelegger persönlich in der Ära Lichal in die Waffen-Korruptionsaffäre mit ÖVP-Finanzierung involviert war. Die ÖVP-Justizministerin Karl lässt deshalb sicherheitshalber das – mittlerweile fast absurde – Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen Kanzler Faymann wegen der Krone-ÖBB-Inserate weiterlaufen.

Beide Regierungspartner wissen: Der jeweils andere will im Herbst siegen – und greift dabei zum Schmutzkübel.
Freunde werden die beiden sicher keine mehr. Spindelegger nennt Faymann mittlerweile in VP-Kreisen schon mal „Waschlappen“, „Schwachmatiker“ oder „Loser“.

Faymann nennt Spindi im inneren Kreis „Schwächling“ und „unfähig“, aber auch „die größte Enttäuschung meines Lebens“. Die Staatsanwaltschafts-Ermittlungen wird Faymann seinem Vize wohl nie verzeihen, den Veto-Zwischenruf beim letzten EU-Gipfel noch weniger.

Zwei ziemlich beste Feinde ziehen also in den Wahlkampf. Beide sagten unisono: „2013 wird brutal!“

Faymann: Regierung wird bis Herbst weiterarbeiten"

ÖSTERREICH: Wieso glauben Sie, dass die Abschaffung der Wehrpflicht bei der Volksbefragung gewinnen wird? Die Umfragen sagen anderes …
Werner Faymann: Ich bin überzeugt, dass ein Berufsheer die Aufgaben besser und professioneller bewältigen kann, etwa im Katastrophenschutz. Ich werde die verbleibenden Tage nutzen, um für die Vorteile eines Berufsheers zu werben.
ÖSTERREICH: Was ist für Sie das schlagkräftigste Argument gegen die Wehrpflicht?
Faymann: Derzeit haben junge Männer beim Heer eine kurze Grundausbildung, die Mehrheit wird dann die restliche Zeit als Systemerhalter eingesetzt. Man raubt ihnen Zeit. Gleichzeitig zeigt die Bevölkerungsentwicklung, dass die Zahl junger Männer und damit der Wehrpflichtigen sinkt. In einem Berufsheer werden Profis eingesetzt, die bestens ausgebildet sind. Und der Sozialminister hat mit dem Modell für ein freiwilliges Sozialjahr eine gute Alternative zum Zivildienst erarbeitet.
ÖSTERREICH: Wird die Regierung nach der Volksbefragung bis Herbst bestehen?
Faymann: Die Bevölkerung kennt den Unterschied zwischen Volksbefragung und Nationalratswahl. Deshalb wird die Regierung die Entscheidung der Befragung – wie immer sie am 20. Jänner ausfällt – umsetzen und bis zum Ende der Periode weiterarbeiten.

Spindelegger: "Wir wollen die stärkste Partei werden"

ÖSTERREICH: Stellen Sie bei der Nationalratswahl den Kanzleranspruch?
Michael Spindelegger: 2013 wird das Jahr der ÖVP. Natürlich wollen wir wieder stärkste Partei werden.
ÖSTERREICH: Ist das überhaupt realistisch?
Spindelegger: Ich glaube daran: Wenn die ÖVP wieder Nummer eins ist, gewinnt ganz Österreich.
ÖSTERREICH: Ziehen Sie persönliche Konsequenzen, wenn sich die Österreicher am 20. Jänner für das Berufsheer entscheiden sollten?
Spindelegger: Darum geht’s doch gar nicht. Die Volksbefragung am 20. Jänner ist eine Grundsatzentscheidung: Wollen wir in ein bewährtes System mit Wehrpflicht und Zivildienst oder in eine Fata Morgana investieren, die keiner kennt.
ÖSTERREICH: Wird die Regierung auch nach der Volksbefragung halten?
Spindelegger: Die ÖVP steht zu ihrer Verantwortung. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner werden wir auch nach der Volksbefragung weiterarbeiten.
ÖSTERREICH: Schließen Sie eine Neuwahl vor dem Sommer aus?
Spindelegger: Ja. Gewählt wird im Herbst 2013.
ÖSTERREICH: Ist die Fortsetzung der Großen Koalition nach der Nationalratswahl ausgemacht?
Spindelegger: Nein. Ausgemacht ist, dass wir bis zum Ende dieser Legislaturperiode für Österreich arbeiten.

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