Selbstbedienung

Politik wusste seit 2007 von Affäre

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Die beiden Salzburger Festspiel-Chefs Dewitte und Kretschmer verbrannten gemeinsam rund 2 Millionen Euro - Wirtschaftsprüfer meldeten die Budgetlöcher vor Jahren.

Geheimkonten, Schwarzgeld, Steuerbetrug und Briefkastenfirmen. Die Affäre um die Salzburger Osterfestspiele wird endgültig zum Kriminalfall. Der geheime Prüfbericht, der gestern veröffentlicht wurde, zeigt nun das ganze Ausmaß der Affäre: Demnach wurden die Osterfestspiele im Prüfungszeitraum ab dem Jahr 2002 um rund zwei Millionen Euro geschädigt – weitaus mehr als bisher vermutet. Die „Hauptübeltäter“ (O-Ton Landeshauptfrau Gabi Burgstaller): der langjährige Geschäftsführer der Osterfestspiele, Michael Dewitte, und der Technikchef der Sommerfestspiele, Klaus Kretschmer.

Selbstbedienungsladen
Dewitte führte das Festival als Selbstbedienungsladen und kassierte auf abenteuerliche Weise rund 1,2 Millionen Euro ab. Sein Komplize Kretschmer stellte über seine Firmen Rechnungen in der Höhe von 687.191 Euro.

Im Prüfbericht wird die schamlose Abzocke der beiden Festspiel-Chefs detailliert aufgeschlüsselt:

  1. Der erste Fall betrifft eine großzügige Spende des amerikanischen Festspiel-Mäzens Donald Kahn über eine Million Euro im Jahr 2005. Davon zweigte Dewitte 50.000 Euro Provision für sich ab. „Diese Auszahlung wurde nicht über die Gehaltsverrechnung abgewickelt“, heißt es dazu im Prüfbericht.
  2. Noch dreister ging Dewitte mit der Spende des russischen Förderers Igor Vidyaev über 800.000 Euro im Jahr 2008 um. Dewitte überwies davon 300.000 Euro an die Briefkastenfirma Art & Culture Consulting Ltd. in Nordzypern und auf ein anonymes Konto auf der Karibikinsel Belize. Freilich ohne die Provision zu versteuern. Hinter dieser Transaktion steckte Klaus Kretschmer. Die beiden dürften sich das Geld aufgeteilt haben, so Burgstaller.
  3. Weiters schanzte sich Dewitte selbst Gehaltssteigerungen zu, die zwischen 2001 und 2009 einen Schaden von 654.169 Euro verursachten.
  4. Und Dewitte stellte astronomische Spesenrechnungen an die Osterfestspiele: In der Spielzeit 2008/09 verrechnete er Reisekosten in der Höhe von 91.138,34 Euro (zum Vergleich: im Jahr 2001/2002 waren es noch 47.197,20 gewesen).

Strafanzeige gegen Dewitte
Bei der Staatsanwaltschaft Salzburg wurde am Mittwoch Strafanzeige gegen Dewitte eingebracht. Er ist aber nach wie vor auf freiem Fuß – und scheinbar auch noch in Amt und Würden: Beim Verein der Förderer der Osterfestspiele (dem wichtigsten Geldgeber des Festivals) scheint er laut Registerauszug der Bundespolizeidirektion Salzburg nach wie vor als Geschäftsführer auf.

Antrag auf U-Haft für Kretschmer
Für Kretschmer gibt es einen Antrag auf U-Haft, er liegt nach einem Selbstmordversuch im künstlichen Tiefschlaf. Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

Seit Herbst 2007 bekannt
Das Problem für die Politik: Die dubiosen Geldflüsse waren den Verantwortlichen schon seit Jahren bekannt. Bereits am 30. Juni 2007 warnte die Prüfgesellschaft Ernst&Young in einem Bericht – der ÖSTERREICH vorliegt – vor Unregelmäßigkeiten und schlug eine rasche Neuorganisation vor.

„Wir weisen darauf hin, dass zum 30. Juni 2007 die geforderte Eigenmittelquote (…) und die Schuldentilgungsdauer (…) nicht gegeben sind und somit die Voraussetzungen für die Vermutung eines Reorganisationsbedarfs vorliegen.“ Und: „Wir haben die gesetzlichen Vertreter mit Schreiben vom 19. September 2007 über das Vorliegen der Voraussetzungen (…) eines Reorganisationsbedarfs informiert“, so die Prüfer.

Brisant sind auch die Kosten, die bei der Prüfung ans Licht kamen: Demnach kassierten die 22 Beschäftigten der Osterfestspiele im Schnitt 142.000 Euro. Und in dem Bericht wird festgehalten, dass der Bilanzverlust von 938.918 Euro vom Verein der Förderer der Osterfestspiele abgedeckt wird. Jener Verein, dessen Geschäftsführer nach wie vor Michael Dewitte ist …

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