Fekter in der Kritik

Polizei-Profi rechnet mit Polizei ab

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Ex-BKA-Chef Herwig Haidinger attackiert die ÖVP frontal.

Das Zeugnis der Polizei fällt miserabel aus: In den ersten fünf Monaten dieses Jahres stieg die Zahl der Anzeigen im Vergleich zum Vorjahr erneut um 4,9%, die Aufklärungsquote sank im gleichen Zeitraum auf magere 31,3 %.

Die fünf Missstände der heimischen Polizei
Herwig Haidinger, Ex-Chef des Bundeskriminalamtes (und nun in die Sicherheitsakademie des Ministeriums), legt nun im Gespräch mit ÖSTERREICH die fünf größten Missstände der österreichischen Polizeiarbeit offen. Die ÖVP mit Innenministerin Maria Fekter missbrauche die Polizei für parteipolitische Manipulierung:

  • Polizei totgespart: „In den letzten Jahren sind zu viele Exekutivbeamte eingespart worden“, erklärt Haidinger. Die Folge: Die Zahl der Anzeigen stieg rasant an, während die Aufklärungsquote sank.
  • Politische Färbung: Statt objektive Ermittlungsarbeit zu leisten, werden die Beamten parteipolitisch missbraucht. „Immer wieder funkt die Parteipolitik in die Arbeit der Beamten hinein“, so der Ex-BKA-Chef. SPÖ-nahe Beamte seien in diesem Zusammenhang sogar gekündigt worden.
  • Statistiken geschönt: Auch die monatlich erscheinende Kriminalstatistik sei von „parteipolitischen Interessen“ gelenkt, Dunkelziffern würden gar nicht erforscht.
  • „Event-Polizei“: „Nur durch den öffentlichen Druck wurde die ÖVP gezwungen, eine Soko-Ost zu installieren“, so Haidinger. „Vorherige Analysen liegen dem nicht zu Grunde.“
  • Profis fehlen: Die Polizei bräuchte derzeit Hunderte Spezialisten mehr, um effektiv zu arbeiten.

Das Innenministerium wollte sich gestern zu den Vorwürfen nicht äußern.

ÖSTERREICH: Sie erheben massive Vorwürfe gegen die ÖVP. Was macht die Partei Ihrer Ansicht nach falsch?
Herwig Haidinger: Vor allem eines: Sie spart die Polizei kaputt. Als die ÖVP im Februar 2000 das Innenministerium übernommen hat, hat es noch viele Exekutivbeamte gegeben, was sich aber rasch geändert hat. In den letzten Jahren sind zu viele Polizisten eingespart worden und das hat auch Auswirkungen auf die Kriminalität. Mit diesen Einsparungen gab es einen Anstieg der Anzeigen in den Jahren 2000 bis Ende 2008 um neun Prozent und gleichzeitig sank die Aufklärungsquote deutlich.

ÖSTERREICH: Zugleich werfen Sie der ÖVP parteipolitische Einflussnahme vor. Welche Beispiele haben Sie dafür?
Haidinger: Bei den Ermittlungen im Fall Kampusch hat man meine Arbeit beispielsweise massiv eingeschränkt und auch eine Evaluation der Ermittlungen durfte nicht durchgeführt werden. Und nicht nur hier hat die ÖVP den Polizeiapparat missbraucht und instrumentalisiert.

ÖSTERREICH: BKA-Sprecher Gerhard Lang bestreitet, dass Ihre Arbeit in irgendeiner Weise eingeschränkt wurde.
Haidinger: Das kann er nicht wissen. Im Fall Kampusch ging die Weisung direkt von der politischen Führung an mich. Gernot Treibenreif (ÖVP-Kabinettsmitarbeiter, Anm.) sagte mir: „Es darf keinen Polizeiskandal vor der Nationalratswahl geben.“

ÖSTERREICH: Sie kritisieren explizit nicht das Innenministerium, sondern eine politische Partei. Warum?
Haidinger: Weil die Beamten nur ausbaden müssen, was einzig die ÖVP zu verantworten hat.

ÖSTERREICH: Es wird vermutet, dass es auch bei der Veröffentlichung der Kriminalstatistik zu Unregelmäßigkeiten kommt. Was wissen Sie darüber?
Haidinger: Auch da gibt es klare parteipolitische Interessen. Völlig außer Acht gelassen wird beispielsweise die Dunkelziffer von Straftaten. Darüber gibt es in Österreich auch gar keine Forschung.

ÖSTERREICH: Glauben Sie noch, dass Polizeiarbeit ohne politische Einflussnahme möglich ist?
Haidinger: Die Hoffnung darauf stirbt zuletzt. In jedem Fall habe ich noch vieles vor und werde mich ganz gewiss auch nicht einschüchtern lassen. Am Ende wird man sehen: Was ich gesagt habe, ist fachlich korrekt und die Menschen haben ein Recht darauf zu erfahren, was da läuft. (mud)

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