Neuer Klinik-Skandal

Pro Jahr 5.000 Tote durch Spitalsinfektionen

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Die Apothekerkammer schlägt Alarm: Mangelnde Hygiene in Österreichs Spitälern fordert bis zu 5.000 Toten jährlich.

Ein Problem, das die moderne Spitalsmedizin quält: Krankenhausinfektionen (nosokomiale Infektionen). Immer mehr Patienten mit Mehrfach-Erkrankungen und immer invasiver werdende Behandlungsprozeduren fördern das Aufkommen von Bakterien, die sich in Kliniken besonders wohlfühlen. In Österreich dürften von solchen Komplikationen jährlich Zehntausende Patienten betroffen sein, erklärte bei der Tagung der Österreichischen Apothekerkammer in Saalfelden die Wiener Expertin Agnes Wechsler-Fördös.

Das so ziemlich "ewige" Manko Österreichs:
Es gibt auch zu diesem medizinischen Problem keine eigenen Untersuchungen. Die Spitalshygienikerin (Rudolfstiftung): "Wir haben keine Zahlen. Aber etwa 55.000 Patienten dürften pro Jahr eine Krankenhausinfektion erleiden. Zu erwarten ist, dass Menschen auch sterben. Laut Hochrechnungen kann man im Jahr in Österreich von 240 bis 4.800 Todesfällen ausgehen. Die Kosten liegen bei mindestens 50 Mio. Euro - bis zu zwei Mrd. Euro."

Die Schätzungen beruhen auf einer Division der in Hunderten deutschen Krankenhäusern erhobenen Zahlen zu den in Kliniken erworbenen Infektionen durch den Faktor zehn. Demnach käme man im Jahr in Österreich auf etwa 15.000 Harnwegsinfektionen, 22.500 Wundinfektionen nach chirurgischen Eingriffen, 8.000 Infektionen der unteren Atemwege (Beatmung), 2.000 Fälle von Sepsis und noch etwa 7.000 andere Infektionen.

Die Crux:
Während Harnwegsinfektionen, die im Spital mit einer fünfprozentigen Häufigkeit pro Tag mit einem Blasenkatheter erworben werden, unangenehm, aber nicht tödlich sind, sterben bis zu 35 Prozent der Betroffenen, wenn sie eine Lungenentzündung mit einem Spitalskeim bei künstlicher Beatmung bekommen. Auch invasive Infektionen mit Verbreitung der Erreger im Blut enden für bis zu 35 Prozent der Patienten letal.

Die Sache ist bei weitem nicht unbedingt eine Sache von "Schuld" des Personals. Der größte Teil der Krankenhausinfektionen ist nämlich auf Keime zurückzuführen, die vom Patienten selbst stammen. So hat ein Drittel der Bevölkerung Staphylococcus aureus - ein im Krankenhaus gefürchteter Keim - in der Nase. Mitgebracht ins Spital kann das Bakterium schwerste Infektionen hervorrufen. Dialysepatienten tragen sogar zu 70 Prozent S. aureaus im HNO-Bereich. Hier kann eine antiseptische Behandlung vor einer Operation das Risiko um die Hälfte bis 70 Prozent reduzieren. Eine ordnungsgemäß durchgeführte Antibiotika-Prophylaxe vor einem Eingriff verringert das Risiko ebenfalls um bis zu 80 Prozent.

Was allerdings schon eher durch mangelnde Hygiene im Krankenhaus begünstigt wird: Die Übertragung von Keimen von einem Patienten zum nächsten. Das geschieht vor allem durch fehlende oder schlechte Handhygiene. Die Expertin: "Mindestens 37,5 Prozent der nosokomialen Infektionen sind Kreuzinfektionen auf Intensivstationen." Dagegen muss genauso angekämpft werden wie gegen die Übertragung von Keimen mit medizinischen Geräten.

Wahrspruch von Johann Peter Frank, Leiter des Wiener AKH vor rund 200 Jahren: "Kann es wohl einen größeren Widerspruch geben als eine Spitalskrankheit? Ein Übel, welches man erst da bekommt, wo man sein eigenes loszuwerden gedenkt." ...

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