"Nicht optimal"

Pröll will EU-Kabarett stoppen

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Der Streit um den EU-Kommissar macht Österreich zur Lachnummer Europas. Jetzt will Vizekanzler Josef Pröll die Stopp-Taste drücken.

16 Länder (von 27 EU-Mitgliedern) haben ihren EU-Kommissar bereits fix nominiert. Am Samstag kam Deutschland dazu. Noch am Tag der Regierungsbildung beschloss das neue schwarz-gelbe Kabinett: Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Öttinger (CDU) geht als deutscher EU-Kommissar nach Brüssel.

Heißt: Die attraktivsten Ämter (Agrar, vermutlich nun auch Wissenschaft) sind längst weg. Übrig bleibt, was keiner haben will.

In Österreich ist nach dem Debakel am Freitag aber frühestens in zwei Wochen mit einer Entscheidung zu rechnen. Europas Diplomatie lacht inzwischen über Österreich. Das Gezänk richte enormen Schaden an, heißt es hinter Polstertüren.

Nun will Vizekanzler Josef Pröll die Notbremse ziehen. „Die Menschen fragen sich ja, ob wir in diesen Tagen keine anderen Sorgen haben“, sagt er im ÖSTERREICH-Interview. „Mein Appell: Zurück zu den Themen, um die es wirklich geht.“

ÖSTERREICH: Die Frage, wer EU-Kommissar wird, ist immer noch nicht entschieden. Schadet dieses Tauziehen nicht dem Land?
Josef Pröll: Die Chance für ein gutes Ressort für Österreich ist aufrecht. Allerdings: Mir wäre eine sachlichere Behandlung des Themas lieber gewesen. Optimal waren die vielen Nebengeräusche sicher nicht. Die Menschen fragen sich ja, ob wir in diesen Tagen keine anderen Sorgen haben. Die Menschen haben genug von solchen Spielchen. Mein Appell: Zurück zu den Themen, um die es wirklich geht.
ÖSTERREICH: Und zwar?
Pröll: Weiter gegen die Wirtschaftskrise anzukämpfen, den Aufschwung organisieren, Österreich fit für die Zukunft zu machen. Ganz zentral sind auch Integration und Sicherheit. Wenn 60 Prozent der zugewanderten Türken in Österreich das Religionsgesetz höher achten, als unsere Rechtsordnung, dann ist das ein echtes Thema.
ÖSTERREICH: Trotzdem: Unwichtig ist die Kommissarsfrage auch nicht. Sie haben sich am Freitag mit Faymann getroffen. Haben Sie sich auf Hahn geeinigt?
Pröll: Wie viele andere Treffen hat es auch dieses gegeben. Wir haben vieles besprochen. Die Kommissarsfrage aber nicht entschieden.
ÖSTERREICH: Der Kanzler kampagnisiert seit Tagen für Ferrero-Waldner. Warum unterstützen Sie sie nicht?
Pröll: Es sollte nicht darum gehen, was für SPÖ und ÖVP gut ist, oder darum, wer für wen kampagnisiert. Wir müssen darauf schauen, was für Österreich das Beste ist.
ÖSTERREICH: Der Kanzler hat am Samstag bestätigt, dass Sie und er über Hahn als Kommissar geredet hätten…
Pröll: Ich halte mich an die Vertraulichkeit. Wir haben vieles erörtert, aber keine endgültige Entscheidung getroffen.
ÖSTERREICH: Sie hatten bei Ihrer Rede mit Hacklerregelung und Transferkonto heiße Eisen angefasst. Der Kanzler hat Ihnen „Vertrauensbruch“ gegenüber den Wählern vorgeworfen.
Pröll: Ich habe in meiner Verantwortung als Finanzminister darauf aufmerksam gemacht, dass es bei den Pensionen zur Kostenexplosion kommt, wenn wir nicht handeln. Der Sozialminister hat ein Millionen-Loch bei den Pensionen bestätigt. Wir dürfen den Menschen nicht Sand in die Augen streuen. Das würde ich für den wirklichen Vertrauensbruch halten.
ÖSTERREICH: Derzeit wirkt die Regierung zerstritten. Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Pröll: Ich bin in der Politik, um Probleme zu lösen. Meine Lösungsvorschläge habe ich auf den Tisch gelegt. Wenn wir die Dinge sachlich und ohne ideologische Scheuklappen angehen, wird sich vieles lösen lassen. „Nein-Sagen“ bringt uns nicht weiter. Wer meine Vorschläge ablehnt, soll doch bitte eigene Angebote formulieren.
Interview: Isabelle Daniel

Derzeit dominiert freilich weiter der leidige rot-schwarze Konflikt um den nächsten heimischen EU-Kommissar.

Geheim-Deal
Freitagabend hatten SP-Bundeskanzler Werner Faymann und Pröll darüber beraten, wer Nachfolger von Benita Ferrero-Waldner werden soll. VP-Wissenschaftsminister Johannes Hahn war bereits als Kompromisskandidat fix. Bis – wie ÖSTERREICH berichtete – eine gezielte Indiskretion die Einigung zum Platzen brachte.

Jetzt geht der Poker in die nächste Runde: Werner Faymann betonte am Samstag beim burgenländischen SP-Parteitag, dass er „weiter Benita Ferrero-Waldner“ als EU-Kommissarin „unterstützt“. Josef Pröll will sich wie bisher „nicht auf Namen festlegen“. Er wolle ein „wichtiges Ressort“. Die Stimmung zwischen den Koalitionspartnern ist wieder unterm Gefrierpunkt.

Molterer winkt ab
Zurzeit hat die ÖVP freilich die besseren Karten im Kommissars-Poker: Die SPÖ hatte der ÖVP bekanntlich das Vorschlagsrecht überlassen.

Einen kleinen Punktesieg konnte die SPÖ allerdings erzielen: VP-Favorit Wilhelm Molterer ist aus dem Rennen. Der Ex-Vizekanzler will selbst nicht länger Kommissar werden, berichten mehrere Regierungspolitiker.

Ferrero-Waldner hingegen ist nach wie vor „für eine weitere Amtsperiode als Kommissarin offen“. Und der neueste Favorit, Johannes Hahn, hatte im ÖSTERREICH-Interview erklärt, dass er als Wissenschafts-Kommissar zur Verfügung stünde.

EU-Chef José Manuel Barroso wünscht sich allerdings eine Frau. Unter den 16 fixierten Kommissaren sind bisher nur drei…

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