Erfreute Stimmung

Regierung setzt Sozialröntgenbrille auf

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Ruf nach Durchleuchtung der Parteispenden wird trotzdem lauter.

Die Mindestsicherung kommt, die Transparenzdatenbank ebenso. Dieses Verhandlungsergebnis von SPÖ und ÖVP vom Montagabend hat die beiden Regierungsparteien auch am Dienstag noch erfreut. Bundeskanzler Werner Faymann (S) blickte nach dem Ministerrat effizienter Armutsbekämpfung und einem "ordentlichen Röntgenbild" der heimischen Förderlandschaft entgegen. Vizekanzler Josef Pröll (V) rief den Kampf gegen Missbrauch aus und hofft auf Zustimmung der Länder zur Datenbank. Etwas getrübt wurde die Jubellaune durch Zwischenrufe von Experten, die die Transparenzbegeisterung der Regierung gerne dafür nutzen würden, Licht ins Dunkel der Parteispenden zu bringen.

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Rückwirkende Mindestsicherung
Die Mindestsicherung kann nach der Einigung von SPÖ und ÖVP am Mittwoch im Sozialausschuss und kommende Woche im letzten Nationalratsplenum vor der Sommerpause abgesegnet werden. Nicht in allen Ländern wird sich freilich angesichts des späten Beschlusses ein Start mit 1. September ausgehen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer verwies allerdings auf dortige Klarstellungen, dass die Mindestsicherung rückwirkend gelten werde.

Grund für die Verzögerung beim Beschluss war das zähe Hin und Her um die Transparenzdatenbank, deren Einführung die ÖVP mit der Mindestsicherung verknüpft hatte. Diese wird nun per Entschließungsantrag ebenfalls auf die Reise gebracht. Begutachtungsentwurf von Finanz- und Sozialminister bis Anfang September Regierungsvorlage bis spätestens 19. Oktober 2010, Beschluss vor Weihnachten und In-Kraft-Treten mit 1. Jänner 2011 lautet der Fahrplan. Dann sollen auch die technischen Arbeiten zum Aufbau der Transparenzdatenbank beginnen. Parallel dazu sollen Finanz- und Sozialminister mit den Ländern über eine 15a-Vereinbarung verhandeln. Steht diese nicht bis 30. Juni 2011, könnte das Bundesverfassungsgesetz kommen, das die Bundesländer an der Teilnahme verpflichtet. Pröll zeigte sich zuversichtlich, die Länder zum Mitmachen bewegen zu können: "Wir werden werben für dieses Projekt." Die Kosten für die Transparenzdatenbank bezifferte er mit weniger als einem zweistelligen Millionenbetrag.

Schutz von Daten
Der Schutz der personenbezogenen Daten soll voll gewährleistet werden. Über jede Auswertung und Veröffentlichung der aggregierten und anonymisierten Daten aus der Transparenzdatenbank entscheidet "nach Glaubhaftmachung eines öffentlichen Interesses" ausschließlich die Bundesregierung, heißt es im Entschließungsantrag. Als Ziel der Datenbank ist eine "klare Übersicht" über die monatlich und jährlich zur Verfügung stehenden Bruttobezüge bzw. Nettoeinkommen inklusive öffentlicher Förderungen für alle juristischen und natürlichen Personen definiert. In das Transparenzkonto inkludiert werden Transferzahlungen, Förderungen, Steuerersparnisse, Geldleistungen der Sozialversicherung und Sachleistungen.

Und dazu sind auch die staatlichen Parteienförderungen zu zählen, ergänzte Pröll am Dienstag. Davor waren Experten ausgerückt, um wieder einmal die Intransparenz der Parteienfinanzierung anzuprangern. Forderungen, dass in die Datenbank auch (private) Parteispenden aufgenommen werden, erteilte er indes eine Absage: "Das ist keine Spendentransparenzdatenbank." Die SPÖ verwies auf Verhandlungen zwischen den Parteigeschäftsführern, bis Jahresende sollen demnach Vorschläge für eine Änderung des Parteiengesetzes vorliegen.

Verhalten positive Reaktionen
Aus einzelnen Ländern kamen erste mehr oder weniger verhalten positive Reaktionen auf die Transparenzdatenbank. Der Tiroler ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter fand, "die Linie passt". Die Wiener Sozialstadträtin Sonja Wehsely (S) findet Transparenz auch gut, warnte allerdings vor "einer wahnsinnigen Bürokratie", die es zu vermeiden gelte. Die FPÖ wiederum kritisierte, dass die Transparenzdatenbank nicht in allen Bundesländern gleichzeitig eingeführt werde und sprach von "Flickwerk".

Die Grünen befanden, die Ankündigung, die Parteienförderung in der Datenbank abzubilden, sei schlicht "ein Witz", wie es Vize-Klubchef Werner Kogler ausdrückte. Diese sei längst offengelegt, stattdessen gehe es um die "Gepflogenheit der Spendenwäsche". Konkret kritisierte Kogler die Industriellenvereinigung, diese fungiert seiner Ansicht nach "derzeit als Großspendenwaschanlage auf dem Weg von Konzernen und Firmen hinein in die Parteikassen". Dies liege am "intransparentesten Parteiengesetz Europas", das Spendenwäsche anrege, die Grünen wollen deshalb volle Transparenz.

Caritas-Präsident Franz Küberl und Caritas-Direktor Michael Landau zeigten sich erfreut über die Einigung der Regierung bei Transparenzdatenbank und Mindestsicherung, wie Kathpress berichtete. Im Sozialausschuss am Mittwoch gebe es nun "hoffentlich endlich grünes Licht" für die Mindestsicherung, denn "die von Armut betroffenen Menschen hängen ohnehin schon zu lange in der Warteschleife", sagte Küberl. Wichtig sei, dass das Verschlechterungsverbot in jedem einzelnen Fall gelten müsse, betonte Landau. Der Katholische Familienverband (KFÖ) warnte davor, dass trotz Mindestsicherung das Ziel der Armutsvermeidung insbesondere bei Mehrkindfamilien gefährdet sein könnte, so sei etwa der Kinderbetrag "eindeutig zu niedrig" angesetzt.

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