Wien

Rot-Grün mobilisiert gegen Fremdenpaket

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Deutsch vor Zuzug sei der "völlig falsche Weg", meint Bürgermeiser Häupl.

Die neue rot-grüne Wiener Stadtregierung hat sich am Freitag zu ihrer ersten Klausur getroffen - und dabei massive Kritik an der geplanten Fremdenrechtsnovelle des Bundes geübt. Zwar wurde die Idee einer Rot-Weiß-Rot-Card prinzipiell begrüßt, Punkte wie die Deutsch-Anforderungen vor dem Zuzug jedoch abgelehnt. Es handle sich hier um einen "völlig falschen Weg", betonte Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) in einer Pressekonferenz zu Mittag.

Dadurch würde nicht nur der Familienzuzug erschwert, es gebe auch verfassungsrechtliche Bedenken: "Weil der Herr Universitätsprofessor darf sehr wohl ohne Deutschkenntnisse zu uns kommen, die Putzfrau aber nicht." Man sei für Regeln für den Zuzug, diese müssten jedoch klar und gerecht sein, fügte Häupl hinzu. Er verwies auch auf die Angebote der Stadt, etwa die Deutschkurse für Mütter.

"Unsinn"
Kritik setzte es auch an den geplanten Anforderungen für Personen, die ihr Studium abgeschlossen haben und dann weiter in Österreich bleiben wollen. Diese müssten rasch eine Arbeit mit einem hohen Mindesteinkommen finden - was kaum zu schaffen sei, hieß es. Es sei ein "Unsinn", Menschen um teures Geld auszubilden und dann außer Landes zu bringen, befand Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (G).

Vassilakou: Wäre unter solchen Voraussetzungen nicht da
Sie selbst, so meinte Vassilakou, würde unter diesen Voraussetzungen nicht da sein. Die seit November amtierende Vizebürgermeisterin stammt aus Griechenland und kam zu einer Zeit nach Österreich als dieses noch kein Mitglied der EU war.

Neben der Kritik an Bundes-Plänen bzw. Integrationsfragen beschäftigte sich Rot-Grün bei ihrer ersten Klausur weiters mit der Entwicklung des Arbeitsmarktes, der nächsten Budgeterstellung, mit dem Planungsbereich oder mit neuen Verkehrsangeboten. Unter anderem wurde ein städtisches Carsharing-Projekt angekündigt.

"Ausländer-Raus-Paket"
Scharfe Kritik am Fremdenpaket kam auch aus der Grünen Bundespartei: Die Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun hat das Gesetz in einer Aussendung als "Ausländer-Raus-Paket" bezeichnet. SOS Mitmensch kündigte für Montag eine Protestaktion vor dem Innenministerium an.

Korun forderte, das Fremdenrecht von der Ministerrats-Tagesordnung zu nehmen, da "die Regierung selber noch nicht weiß, was von der Kritik an ihrem Ausländer-Raus-Gesetzespaket berücksichtigt wird". Sie kritisierte etwa erneut die im Entwurf vorgesehene Schubhaft für Kinder und Jugendliche und die "Illegalisierung von seit Jahren legal hier Lebenden". Die Regierungsvorlage dürfe so nicht beschlossen werden, so Korun.

"Das ist nicht unser Gesetz" verzeichnet 5.000 Unterstützer
SOS-Mitmensch teilte unterdessen mit, dass die E-Mail-Aktion "Das ist nicht unser Gesetz" bereits mehr als 5.000 Unterstützer verzeichnete. Die Aktion richtet sich an die gesamte Regierung und fordert sie auf, dem Gesetzesentwurf nicht zuzustimmen. Am Montag hält die Organisation außerdem am Minoritenplatz eine Kundgebung als Protest gegen das Fremdenrechtspaket ab.

Seite 2: Weitere Themen der Rot-grünen Klausur

Rot-grüne Klausur: Klima "sehr, sehr positiv"

Die Stimmung in der rot-grünen Wiener Koalition - sie ist die erste ihrer Art in Österreich und seit November im Amt - ist offenbar ganz gut. "Das Klima der Zusammenarbeit ist sehr, sehr positiv", freute sich Vizebürgermeisterin Vassilakou. Die Kommunikation funktioniere hervorragend. Bürgermeister Häupl betonte, dass die Koalitionspartner "seriöse Arbeit" leisten wollen und lobte die "gute, partnerschaftliche Zusammenarbeit".

Arbeitsmarktpaket
Häupl erinnerte an Projekte, die von Rot-Grün bereits umgesetzt worden seien: So freue er sich etwa über die Anhebung der Mindestsicherung für Kinder. Was nun kommt, ist unter anderem ein weiteres Arbeitsmarktpaket, wie Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SPÖ) heute ankündigte. In jenem für das Jahr 2011 wird demnach auf Qualifizierungsmaßnahmen großen Wert gelegt. Dies habe nicht zuletzt mit dem 1. Mai zu tun, wie sie betonte. Denn an diesem Tag wird der Arbeitsmarkt für EU-Bürger aus dem Osten (ohne Bulgarien und Rumänien, Anm.) geöffnet.

Bürgermeister Häupl zitierte Schätzungen, wonach bis zu 11.700 Personen neu auf den Wiener Arbeitsmarkt strömen werden. Davon brauche man sich aber "nicht wirklich" fürchten, zeigte er sich überzeugt. Alles andere sei politische Polemik.

Wiener Charta
Weiters wolle die rot-grüne Stadtregierung nun den Dialog zur Erstellung der Wiener Charta - eine Art Grundsatz- und Regelkatalog für das Zusammenleben - starten. Das solle mit Hilfe von Experten sowie unter möglichst großer Mitwirkung der Bevölkerung geschehen. Der Bürgermeister betonte, dass es sich bei dem Dialogprozess nicht um eine "PR-Kampagne" handle, sondern vielmehr versucht werde, "eine Diskussion zu strukturieren, die bereits stattfindet". Mit dieser Maßnahme will Häupl "zumindest die Hälfte" all jener erreichen, die bei der Wien-Wahl vergangenen Oktober die FPÖ gewählt haben.

Carsharing-Projekt
Voraussichtlich im nächsten Jahr werde außerdem ein städtisches Carsharing-Projekt starten, kündigte Vassilakou an. Konkrete Details dazu wollte sie allerdings noch nicht verraten, nur so viel: "Unser Modell soll sicherstellen, dass jeder rasch in seiner Nähe ein Auto vorfindet, wenn er es braucht." Ziel sei, dadurch die Gesamtzahl der Pkws in der Stadt zu reduzieren, ohne dass die Lebensqualität darunter leide.

Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung
Ab März kommt auch Bewegung in Sachen Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung: Dann beginnt nämlich die zuständige Kommission zu tagen, informierte Vassilakou. Verhandelt wird unter anderem mit den Bezirken. "Mit einem Ergebnis ist im Laufe des Jahres 2012 zu rechnen", betonte die Vizebürgermeisterin.

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