Wirbel um Gesetz

Scheidung: Mehr Rechte für Väter

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Experten sind sich uneins, doch Justizministerin Claudia Bandion-Ortner lässt sich nicht beirren und will die gemeinsame Obsorge durchpauken.

18.806 Ehen wurden im Vorjahr in Österreich geschieden. 4,5 Prozent weniger als im Jahr zuvor, so viel wie vor zehn Jahren – die Wirtschaftskrise zeigt Wirkung. Die Österreicher haben ein höheres Bedürfnis nach Sicherheit.

Aber: Hauptleidtragende bleiben die Kinder. 14.480 Kinder unter 18 Jahren mussten die Trennung ihrer Eltern erleben. Und häufig erbitterte Kämpfe um die Obsorge.

  • Derzeit 85 % bei Mutter. Zwar einigen sich schon jetzt 54 Prozent der Eltern auf eine gemeinsame Obsorge nach der Scheidung, doch auch dann wohnen 85 Prozent der Kinder bei der Mutter.
  • Väter steigen schlecht aus. In den restlichen Fällen steigen die Väter derzeit schlecht aus. Erzielen die Eltern keine Einigung, wird das Kind in der Regel (in 38 % der Fälle) der Mutter zugesprochen. Väter bekommen das Kind nur in vier Prozent der Fälle.
  • Vorstoß von Ministerin. Geht es nach Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, sollen künftig automatisch beide Eltern die Obsorge erhalten. Ein Gesetz sei, so kündigt Bandion-Ortner im ÖSTERREICH-Gespräch an, bereits in Vorbereitung.

Gute Erfahrungen gibt es in Deutschland, wo seit 1998 die automatische gemeinsame Obsorge nach Scheidungen gilt. „Ich fühle mich bestärkt“, sagt Bandion-Ortner daher. „Ich werde dazu einen Gesetzesentwurf vorbereiten. Wann dieser fertig sein kann, möchte ich in den nächsten Tagen mit Experten besprechen.“

Heftiger Gegenwind
Von Experten wurde das Thema am Donnerstag bei der von Bandion-Ortner initiierten parlamentarischen Enquete sehr kontrovers diskutiert. Männer- und Geschlechterforscher Erich Lehner: „Die gemeinsame Obsorge entspricht nicht der gesellschaftlichen Realität, da immer noch die Mütter die meiste Erziehungsarbeit verrichten.“

Fix ist auch: Beim neuen Gesetz wird Bandion-Ortner heftiger Gegenwind entgegenblasen. Denn der Koalitionspartner ist dagegen. SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek sprach von „Zwangsbeglückung“.

Zustimmung findet Bandion-Ortner bei FPÖ und BZÖ. Versucht doch die FPÖ, mit ihrer Plattform „Trennungsopfer“ seit einiger Zeit, bei Scheidungsvätern zu punkten.

ÖSTERREICH: Sie wollen, dass nach Scheidungen automatisch die gemeinsame Obsorge gilt. Haben die Expertenvorträge bei der parlamentarischen Enquete etwas daran geändert?

Claudia Bandion-Ortner: Ich fühle mich in meiner Meinung bestärkt. Die Experten haben bestätigt, dass die automatische gemeinsame Obsorge die bessere Lösung ist. Zum Beispiel hat eine Pädagogin erläutert, dass die gemeinsame Obsorge deeskalierend wirkt. Auch ein Richter aus Berlin hat über die großen Erfolge referiert, die es damit seit der Einführung in Deutschland 1998 gibt.

ÖSTERREICH: SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek spricht von „Zwangsbeglückung“?

Bandion-Ortner: Das ist keineswegs eine Zwangsbeglückung, wenn auch nach einer Scheidung der natürliche Zustand beibehalten wird, dass beide Eltern für das Kind da sind.

ÖSTERREICH: Heinisch-Hosek argumentiert, dass 42 Prozent der Eltern keine gemeinsame Obsorge wollen, obwohl 87 % einvernehmlich geschieden werden ...

Bandion-Ortner: Das hat ganz verschiedene Gründe. Oft ist es leider so, dass da die Obsorge gegen den Unterhalt getauscht wird. Auch in diesen Fällen wird durch die automatische gemeinsame Obsorge eine bessere Gesprächsbasis im Sinne des Kindeswohls erreicht.

ÖSTERREICH: Was sind jetzt die nächsten Schritte?

Bandion-Ortner: Ich setze eine Arbeitsgruppe im Ministerium ein, in der Experten weiter beraten. Ich plädiere dafür, diese Frage abseits der Parteipolitik zu diskutieren.

ÖSTERREICH: Wann soll es das neue Gesetz geben?

Bandion-Ortner: Das kann ich noch nicht sagen, weil es auch vom Koalitionspartner abhängt. Ich werde einen Gesetzesentwurf vorbereiten. Wann der fertig sein kann, werde ich in den nächsten Tagen mit meinen Experten im Ministerium entscheiden.

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