"Ösi-Kanzler bei Merkel"

So spotten deutsche Medien über Kurz

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Der Medien-Rummel beim Kurz-Besuch in Berlin war enorm – manche Medien griffen in ihren Kommentaren daneben.

Kanzler Kurz traf die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. Die Atmosphäre zwischen den beiden Staatsoberhäuptern ist zuerst distanziert, am Ende dann freundschaftlich. Der Besuch des österreichischen Kanzlers löste enorm viele Reaktionen in den deutschen Medien aus – nicht alle waren positiv und manche griffen im Kommentar einfach daneben.
 

"Spiegel" nimmt Titel zurück

Der "Spiegel Online" titelte in seinem Kommentar zum Kurz-Besuch heute Morgen: "Kurz sucht Anschluss". Das kam bei vielen vor allem in den sozialen Medien ganz schlecht an. Ihnen entging nicht, dass damit die Anspielung an den Anschluss an Deutschland 1938 gemeint war. "Spiegel.de" änderte den Titel nach heftiger Kritik auf eine angemessenere Wortwahl in "Kurz mal nach Berlin". 
 
 
Wien-Korrespondent Hasnaim Kazim entschuldigte sich auf Nachfrage österreichischer Medien für den Titel, der in der "ersten Version" in der Redaktion entstand und ausgebessert wurde.
 

"Muss sie denn wirklich jeden ins Land lassen?"

Für Aufsehen sorgt auch die Überschrift der "taz". Die Zeitung ist bekannt für ihre bissigen Kommentare. Der Titel zum Kurz-Besuch bei Merkel, "Muss sie denn wirklich jeden ins Land lassen?", stößt genau in diese Richtung. Der Österreich-Korrespondent der "taz" zeigte sich besorgt, ob der Charme-Offensive von Kurz und der Regierungsbeteiligung der FPÖ.  
 

Positiven Meldungen überwiegen

Die bissigen Kommentare waren aber die Ausnahme. Überwiegend lobten die deutschen Medien den Auftritt von Kanzler Kurz bei Bundeskanzlerin Angela Merkel.
 
"Bild-Zeitung"
 
"Ösi-Kanzler"
 
"Nur die Maut hat die Stimmung versaut. Annäherung in der Migrationspolitik, aber kein Verständnis für Maut-Klage" - titelte die Bild-Zeitung heute Morgen. 
 
"Als Österreichs Neu-Kanzler Sebastian Kurz (31, ÖVP) heute von der geschäftsführenden Bundeskanzlerin Angela Merkel (63, CDU) mit militärischen Ehren empfangen wurde, trafen zwar zwei unterschiedliche Generationen aufeinander – aber nicht mehr zwei Welten."
 
"Die Welt"
 
"Nicht Pegida, AfD und CSU haben erreicht, was Kurz in Deutschland gelungen ist"
 
"Sebastian Kurz ist der erste österreichische Bundeskanzler überhaupt, der in Deutschland eine innenpolitische Größe ist und als Innenpolitiker hierzulande Einfluss ausübt. Nicht zuletzt durch eine gezielte Interviewpolitik in den deutschen Medien, die ihm jederzeit offenstehen. Nicht Pegida, nicht die AfD und schon gar nicht die CSU haben erreicht, was Sebastian Kurz gelungen ist."
 
"Deutsche Welle"
 
"Kurz macht Merkel Kopfschmerzen"
 
"Immer ein paar Schritte weiter vorn als andere: so sieht sich der neue österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz. Dass er im zarten Alter von 31 Jahren an die Macht kam, scheint ihn darin zu bestätigen. Bei seinem ersten offiziellen Besuch bei Angela Merkel, der dienstältesten Regierungschefin der EU, mehrten sich jedoch die Zeichen, dass er es manchmal etwas übertreibt mit dem Vorwärtskommen.
 
Schließlich war es nicht nur sein schamloses Selbstbewusstsein, das den politischen Jungstar ins Kanzleramt gebracht hat. Sebastian Kurz hat Instinkt für Populismus und ist willens, Partnerschaften einzugehen, vor denen andere zurückschrecken. Seine Koalition mit den Rechtsaußen von der "Freiheitlichen Partei" FPÖ, engen Verbündeten des "Front National" in Frankreich, muss bei Angela Merkel echten Ekel hervorrufen. Für sie ist eine Zusammenarbeit mit den Rechten von der AfD in Deutschland schlicht undenkbar."
 
"Berliner Morgenpost"
 
"Debatte um die Zukunft Europas können die Wiener Einsprüche durchaus guttun"
 
"Die Karten in Europa werden neu gemischt: Auch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz spricht von Erneuerung und Umbruch in der Europäischen Union. Aber er meint etwas anderes als die Regierungen in Paris und Berlin. Er stellt unbequeme Fragen, er will nicht mehr, sondern weniger Europa. Die EU soll sparsamer sein, sich um weniger Aufgaben kümmern. Und sie soll auf verpflichtende Vorgaben zur Verteilung von Flüchtlingen verzichten, auf die gerade Merkel so vehement besteht.
 
"Der Spiegel"
 
"Kurz mal nach Berlin"
 
"Beim Flüchtlingsthema hatte es in jüngster Vergangenheit die lautesten Misstöne zwischen Wien und Berlin gegeben. Kurz, bis Ende 2017 noch Außenminister von Österreich, war maßgeblich verantwortlich für eine Politik der Grenzschließungen und hatte im Wahlkampf damit geworben, die Schließung der Balkanroute durchgesetzt zu haben. Er gilt als einer der schärfsten Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik. Das Verhältnis zwischen Merkel und Kurz gilt daher auch als unterkühlt, auch wenn Merkels Sprecher Steffen Seibert betont, Kurz werde von der Bundeskanzlerin "freudig erwartet".
 
In Wien hat man jedoch registriert, dass Deutschland von der österreichischen Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik - von "Refugees Welcome" zur Politik der Mauern und Zäune - profitiert hat, in dem Sinne, dass die Bundesregierung sinkende Flüchtlingszahlen als Erfolg preist. Ohne die österreichische Härte, weiß man in Wien, wäre das nicht möglich gewesen. Gleichwohl, heißt es aus Kurz' Umfeld, wisse man eben auch, "dass die deutsche Bundesregierung das so offen nicht sagen kann"."
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