Sieben-Punkte-Plan

So will Kanzler Kern die EU umkrempeln

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Kanzler Kern nennt sieben Punkte für Neuordnung der Europäischen Union

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat ein Zurück zur Form der Debatte über die Europäische Union gefordert, wie sie rund um Österreichs Beitritt 1995 geherrscht habe. Bei einer Diskussionsveranstaltung der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) im Kuppelsaal der TU Wien formulierte Kern am Montagabend zudem sieben, für die Neuordnung Europas aus seiner Sicht notwendige, Punkte.

"In der jüngeren Vergangenheit haben wir in Österreich einen übergroßen Schluck aus der Populismusflasche genommen. Die Schlagzeile am heimischen Boulevard wog schwerer als der Versuch, eine ernst zu nehmende Rolle am europäischen Parkett zu spielen. (...) Zu dieser Form der Debatte müssen wir wieder zurück", mahnte Kern.

Er würdigte vor diesem Hintergrund den anwesenden Altkanzler Franz Vranitzky (SPÖ) - und auch den kürzlich verstorbenen Ex-Außenminister Alois Mock (ÖVP) - dafür, Österreich in die EU geführt zu haben - und nannte beide in einem Atemzug mit dem am Wochenende zu Grabe getragenen, deutschen Ex-Kanzler Helmut Kohl, einer der wenigen Ehrenbürger Europas, für den es erstmals in der Geschichte einen europäischen Trauerakt gab, an dem auch Kern teilnahm. "Er hat es geschafft, das Richtige populär zu machen, die Österreicherinnen und Österreicher wurden mit einer Botschaft des Miteinanders in einem größeren Ganzen gewonnen", sagte Kern laut Redetext über seinen Vorgänger als Regierungs- und SPÖ-Parteichef, Vranitzky.

Die sieben Punkte, die der Bundeskanzler in seiner Rede zur Neuordnung der Europäischen Union nannte, waren:

   1. die Wirtschafts- und Währungsunion - vor allem durch Koordinierung der Steuerpolitik unter den EU-Staaten - vollenden,

   2. für Steuergerechtigkeit - und gegen Steueroasen sowie Sonderbegünstigungen für Großkonzerne - kämpfen,

   3. Lohn- und Sozialdumping bekämpfen (Stichwort: Entsende-Richtlinie),

   4. ein ähnliches Wohlstandsniveau in den EU-Staaten fördern - etwa durch Zukunftsinvestitionen,

   5. auf eine faire Handelspolitik pochen - etwa auf Trennung von Handel und Investorenschutz in Freihandelsabkommen,

   6. die europäische Wertegemeinschaft verteidigen, wobei "Liberalität und Demokratie untrennbar" seien

   und

   7. bei der Migration die Lasten aufteilen.

 Als "kurzfristige" Maßnahmen nannte Kern zum letzten Punkt auch "einen soliden Schutz der Außengrenzen, eine Kontrolle der Fluchtrouten".

"Projekt der Hoffnung"
Kern will nach eigenen Worten die EU wieder zu dem machen, was sie ursprünglich war: "ein Projekt der Hoffnung, ein Projekt, das bei den Bürgerinnen und Bürgern wieder an Vertrauen gewinnt. Dafür müssen wir aber das Versprechen Europas von Sicherheit und Wohlstand erneuern", führte der SPÖ-Vorsitzende aus. "Wir müssen ein aktives, schützendes Europa bauen, damit Europa ein Projekt des Friedens und der Sicherheit, aber auch des gemeinsamen Wohlstands und der Gerechtigkeit ist." In einer Zeit, wo "die absolute Dominanz der USA von einem Geflecht von konkurrierenden und kooperierenden Machtzentren abgelöst" werde, müsse die EU eines dieser Zentren neben den USA, China oder Russland werden, "da wir unsere Werte und Interessen nur gemeinsam wirkungsvoll vertreten können".

Keine andere Region habe es geschafft, "Demokratie, wirtschaftliche Dynamik und soziale Gerechtigkeit so erfolgreich zu kombinieren, wie Europa. Dieses einmalige Gesellschaftsmodell unter veränderten globalen Bedingungen auszubauen und weiterzuentwickeln" sei "die große Herausforderung unserer Generation". Als größte Bedrohung für das europäische Projekt nannte Kern den "politischen Egoismus, der das Recht des Stärkeren zur politischen Methode erhebt - im europäischen und globalen Maßstab".

Zu den wirtschaftlichen unter seinen sieben "EU-Baustellen" betonte der Kanzler laut Redetext: "Über Jahrzehnte war Europa auf ein Wohlstandsversprechen gebaut, das heute nicht mehr gilt. Die Menschen auf unserem Kontinent haben das Gefühl, dass dieses Versprechen, dass es den Kindern eines Tages besser gehen wird als ihren Eltern, gebrochen ist. Dieses Versprechen müssen wir erneuern. Wir müssen auch in Europa dafür sorgen, dass alle am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben können, dass wir gemeinsam prosperieren." Die ist aus der Sicht Kerns an erster Stelle Aufgabe der Mitgliedstaaten; große Investitionsprogramme, der Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping, die Sicherung der Sozialsysteme durch Steuergerechtigkeit seien aber wesentliche Beiträge der gemeinsamen EU-Ebene.
 

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