77 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund haben vor Eintritt in die Volksschule Sprachdefizite.
Das ist ein Ergebnis der Sprachstandsfeststellung, das Günter Haider vom Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (BIFIE) am Donnerstag bei einem Symposium der Arbeiterkammer (AK) in Wien präsentiert hat. Bei der Erhebung wurden in diesem Jahr erstmals die Deutschkenntnisse von 25.000 Vier- bis Fünfjährigen untersucht.
Verpflichtendes Gratiskindergartenjahr
Haiders Schluss: Ein
verpflichtendes Gratis-Kindergartenjahr sei wichtige Voraussetzung dafür,
dass Kinder mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Schichten
künftig im Schulsystem nicht mehr diskriminiert werden. Während
Vierjährige, die den Kindergarten besuchen, 23 Prozent Förderbedarf haben,
seien es unter jenen, die daheim betreut werden, 51 Prozent. Unter
Kindergartenkindern mit deutscher Muttersprache sind überhaupt nur neun
Prozent mit Sprachdefiziten. Es gebe für Migranten und Arme "massive
Einstiegsprobleme ins Bildungssystem", sagte Haider. Zwar besuchten in
Österreich insgesamt 93 Prozent der Fünfjährigen den Kindergarten. Aber
gerade Eltern, die keinen oder nur einen Pflichtschulabschluss haben, würden
ihre Kinder - oft auch aus finanziellen Gründen - nicht in den Kindergarten
schicken.
Langzeitfolgen
Das habe, so Haider, auch Langzeitfolgen: Die
PISA-Studie habe gezeigt, dass in der weiteren Schullaufbahn 43 Prozent
derer, die keinen Kindergarten besucht haben, zu Risikoschülern mit
schlechter Lese- und Schreibkompetenz würden. Am Ende der Volksschule, sagte
Haider, hinkten jene Kinder bei der Lesekompetenz um eineinhalb bis zwei
Jahre hinterher. "Das zeigt, dass das Bildungssystem an dieser Stelle
versagt hat."