Asyl-Krach in Regierung

Totales Chaos um Asyl-Zahlen

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In dem Rätseln um die tatsächliche Zahl von Flüchtlingen gibt es jetzt konkrete Antworten.

„Lesart gibt es nur eine“, betont Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). Nach zwei Tagen Rätselraten und Ärger zwischen den Koalitionspartnern rückte er am Donnerstag aus, um konkrete Asyl-Zahlen zu liefern. Seit am Dienstag Kanzler Christian Kern (SPÖ) von 11.000 Asylanträgen sprach, gingen die Wogen hoch. Auch der Innenminister konnte sich Seitenhiebe nicht verkneifen, als er die konkreten Zahlen präsentierte.

Schwenk der Regierung in Zählweise für Obergrenze

  • 22.300 Menschen haben mit Stichtag 29. Mai seit Jahresbeginn Asyl in Österreich beantragt. Doch diese Zahl gilt – laut Sobotka – nicht für die Obergrenze von 37.500 Anträgen. Das ist ein Schwenk – seine Vorgängerin Johanna Mikl-Leitner hatte immer die Gesamtantragszahl angegeben.
  • 18.950 Asylanträge wurden angenommen – werden also in Österreich abgewickelt. Laut Sobotka ist dieser Wert für die Obergrenze wichtig.
  • 12.261 davon sind Flüchtlinge, die heuer um Asyl angesucht haben und zum Verfahren zugelassen wurden (siehe unten). Dazu kommen noch 6.689 Zugelassene, die ihren Antrag bereits 2015 gestellt haben, aber erst heuer entschieden wurden. 138 davon sind Familienzusammenführungen.
  • 10.039 Anträge wurden zurückgewiesen, sie fallen nicht unter die Obergrenze. Davon sind 6.200 laufende Dublin-Verfahren und warten auf Rückführungen in andere Länder. Bei 3.800 Menschen läuft die Entscheidung noch.

Rückschiebung
Sobotka drängt jetzt massiv darauf, dass er wieder Dublin-Fälle nach Ungarn und Griechenland zurückschieben darf, ein EU-Gerichtsurteil verbietet das momentan, es ginge aber um 4.500 Fälle.

(pli)

Die wichtigsten Asyl-Begriffe im Check

Asylantrag
Wer nach Österreich kommt, kann einen Asylantrag stellen. 2016 waren das bisher 22.300 Menschen, aber nur 12.261 (plus 6.689 Rückstände von 2015) bekamen ein Asylverfahren.

Asylverfahren
Von 18.950 Asylwerbern wurde der Asylantrag angenommen. Asylberechtigt – wie Kern versehentlich sagte – sind sie erst, wenn das Asylverfahren positiv abgeschlossen ist.

Dublin-Fälle
10.039 wurden nicht zum Asylverfahren zugelassen, 6.200 davon müssten laut Dublin-Abkommen ausgewiesen werden, also in jenes EU-Land zurück, in dem sie als Erstes registriert wurden. Bei nur 554 ist das tatsächlich passiert. 4.500 können derzeit nicht ausgewiesen werden, weil laut EuGH-Urteil nicht nach Ungarn und Griechenland abgeschoben werden darf. Bleiben sie, ist Österreich nach sechs Monaten automatisch zuständig.

Innenminister Sobotka im Interview: »Asyl-Kurs wird beibehalten«

ÖSTERREICH: In den letzten Tagen gab es Aufregung um die von Kanzler Kern genannte Zahl von 11.000 zum Verfahren Zugelassener, was ist da passiert?

Wolfgang Sobotka: Um Missverständnisse in Zukunft zu vermeiden, werden wir künftig die aktuellen Zahlen in regelmäßigen Abständen auch schriftlich der Regierung vorlegen. Fest steht: An dem Beschluss der Obergrenze gibt es nichts zu rütteln, der Kurs wird beibehalten. Einen nochmaligen Zuzug wie im Jahr 2015 können wir heuer nicht verkraften.

ÖSTERREICH: Wann kommt die Notstandverordnung?

Sobotka: Ich darf Sie hier korrigieren: Es geht hier nicht um eine Notstandverordnung, sondern um eine Verordnung zum Schutz der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit. Diese bereiten wir gerade in der Regierung vor. Wir brauchen diese Verordnung rasch.

ÖSTERREICH: Wie wird sich die Flüchtlingssituation weiterentwickeln?

Sobotka: Wir werden die bisherigen Durchschnittswerte überschreiten. Deshalb brauchen wir die Möglichkeit, nach Ungarn und Griechenland rückführen zu können. Niemand versteht es, dass wir in die Türkei rückführen können, aber nicht nach Ungarn. Hier ist der Europäischer Rat gefordert. Das ist auch dem Bundeskanzler, der Österreich ja im Europäischen Rat vertritt, ein großes Anliegen.

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