Zu Besuch beim neuen Präsidenten

Van der Bellen im ersten Interview als Präsident

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Eines ist Alexander Van der Bellen schon jetzt sicher: eine historische Persönlichkeit.

Denn das gab‘s bei keinem seiner acht Amtsvorgänger in der Zweiten Republik: Nach drei, statt höchstens zwei Wahlgängen, und nach 202 Tagen Verzögerung wird er ausgerechnet an einem Tag angelobt, an dem die Regierung gerade in ihre schwerste Krise schlittert. Ein Kaltstart sozusagen.

Sogar sein größter Gegner Hofer zollte ihm Respekt

VdB hat‘s geschafft. Zur Angelobung sind viele prominente Politiker gekommen, Künstler von André Heller bis Hubert von Goisern, und als er seine launige Rede („Ich stehe hier mit einem Gefühl der Unwirklichkeit“)beendet hat, zollt ihm auch sein geschlagener Widersacher Norbert Hofer mit einer stehenden Ovation Beifall. „Was lange währt, wird heute gut“, sagt Nationalratspräsidentin Doris Bures, die Van der Bellen über ein halbes Jahr lang vertreten hat – und auf dem anschließenden Weg vom Parlament in die Hofburg, wo er zumindest die nächsten sechs Jahre verbringen soll, kann er seinen Fans, die ihn begleiten, endlich sagen: „Ich bin‘s, Euer Präsident ...“

Schon sein erster Arbeitstag ist vollgepackt mit Terminen, dazwischen hält er immer wieder Kontakt zu den Regierungs-Streithansln. Ein Ende der Koalition und Neuwahlen wären wirklich nicht das, was er sich für seinen Start gewünscht hätte.

Beim ersten ÖSTERREICH-Interview als Bundespräsident gibt sich HBP VdB betont gut gelaunt. Persönlich begrüßt er im Maria Theresien-Zimmer, wo er noch am Donnerstag den Rücktritt der Regierung nicht annahm. Ob es ihn gejuckt hat? „Nein, mit so etwas spielt man nicht.“

Eines ist ihm nicht zu entlocken - wo hinter all den verschlossenen Türen sein Raucherkammerl liegt.

Van der Bellen
© Wolfgang Wolak

Quelle: Wolfgang Wolak

Das große ÖSTERREICH-Interview mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen

 

ÖSTERREICH: Haben Sie sich schon akklimatisiert, das Raucherkammerl schon gefunden?

Alexander v. d. Bellen: Ja, ich habe mich schon etwas eingelebt. Es sind ja sehr schöne Räume hier. Und was das Rauchen betrifft: Es ist allgemein bekannt, dass der Bundespräsident dieses Laster hat. Wir werden die Gesetze schon einhalten (lacht).

ÖSTERREICH: Sie mussten eine Wahlaufhebung hinnehmen, eine geplatzte Wahlwiederholung und jetzt starten Sie mit einer Regierungskrise. Geht‘s Ihnen wie Franz Josef, der sagte: Mir bleibt nichts erspart?

VAN DER BELLEN: Es ist normal, dass es hin und wieder Zerwürfnisse in einer Bundesregierung gibt. Und ich bin eigentlich ganz zuversichtlich, dass die Verhandlungen in ganz wesentlichen Punkten zu einem Ergebnis kommen.

ÖSTERREICH: Trump, Brexit, Krise der EU: Wird in Ihrer Amtszeit einmal Normalität ausbrechen. Oder folgt eine lange krisenhafte Periode?

VAN DER BELLEN: Die letztere Variante ist die realistischere. Im Chinesischen gibt es eine Verwünschung, die lautet: Mögest du in interessanten Zeiten leben. Die Zeiten sind interessant. Die Situation in der EU ist beunruhigend, die Wahl in den USA lässt viele Fragen offen. Ich würde es etwa sehr bedauern, wenn die US-Politik darauf hinausläuft, die Klima-Ergebnisse von Paris zu unterlaufen Das betrifft uns alle. Nicht nur Eisbären. In diesem Fall sind wir die Eisbären. Das alles wird uns begleiten in den nächsten Jahren.

ÖSTERREICH: Wie wollen Sie da einwirken? Reden Sie mit Trump? Werden Sie ihn treffen?

VAN DER BELLEN: Das ist durchaus möglich. Etwa bei der UN-Generalversammlung,

ÖSTERREICH: Ist Brückenbauen zu ihm überhaupt denkbar?

VAN DER BELLEN: Wir müssen es versuchen. Brückenbauen ist eine österreichische Tradition.

ÖSTERREICH: Apropos Brücken bauen: Rechnen Sie mit einer Koalitionseinigung oder gibt es Neuwahlen?

VAN DER BELLEN: Ich bin optimistisch, dass pessimistische Prognosen nicht eintreffen.

ÖSTERREICH: Keine Neuwahl?

VAN DER BELLEN: Keine unmittelbare Neuwahl.

ÖSTERREICH: Kann einer – Kanzler oder Vize – aber nicht sagen: Ich will nicht mehr?

VAN DER BELLEN: Möglich. Machen wir uns nichts vor. Wenn die Mehrheit des Nationalrates beschließt Neuwahlen auszuschreiben, habe ich das zur Kenntnis zu nehmen.

ÖSTERREICH: Diese Verhandlungen werden als quälend empfunden. Hat es sie gejuckt, den Rücktritt anzunehmen?

VAN DER BELLEN: Nein, mit so etwas spielt man nicht.

ÖSTERREICH: Wie ist Ihre Rolle in dieser Krise. Reden Sie Kanzler und Vize gut zu?

VAN DER BELLEN: Meine Rolle ist nicht die des väterlichen Zuredens. Ich bin ja kein Neuling. Politik hat ihre Spielregeln. Das Aufkochen von Emotionen und Aufbauschen von Konflikten gehört halt manchmal dazu. Das nehme ich alles nicht so bierernst.

ÖSTERREICH: Haben Sie eine Schmerzgrenze, an der Sie sagen, so, jetzt bitte Klarheit

VAN DER BELLEN: Ich werde nicht öffentlich Schmerzgrenzen nennen. Wichtig für mich ist, dass die Arbeitslosigkeit bekämpft und Kindern und Jugendlichen die Zukunft erleichtert wird. Das gilt auch für die Flüchtlingskinder, die sind ja leicht zu integrieren.

ÖSTERREICH: Aber man hat doch gerade den Eindruck, bei der Integration läuft etwas falsch: Jugendbanden, Radikalisierung.

VAN DER BELLEN:Unterscheiden wir doch das Rabaukentum von Heranwachsenden, von jenen, die eine echte Gefahr darstellen, wenn sie mit dem IS sympathisieren.

ÖSTERREICH: Stichwort IS: Fußfessel für „Gefährder“. Also noch vor einem Urteil, ohne ein Urteil – problematisch?

VAN DER BELLEN: Natürlich ist das problematisch, ein Spannungsfeld zwischen Freiheit – einem Grundprinzip einer liberalen Demokratie – und andererseits dem Sicherheitsbestreben. Ohne Sicherheit keine Freiheit. Das ist eine ganz heikle Entscheidung.

ÖSTERREICH: Zurück zu den Neuwahlen: Gilt es noch, dass Sie FPÖ-Chef Strache nicht beauftragen würden? Wie beantworten Sie das heute?

VAN DER BELLEN: So wie ich es immer beantwortet habe: Dass ich es für immanent im österreichischen Interesse betrachte, eine stark pro-europäische Regierung zu haben. Ein kleiner Staat wie Österreich der seine nationalen Interessen, alleine verteidigen kann gegenüber Großmächten –das ist eine absurde Vorstellung.

ÖSTERREICH: Kann sich die FPÖ ändern? Oder fordern Sie eine Pro-Europa-Präambel, wie es Klestil damals gemacht hat?

VAN DER BELLEN: Jede Partei kann sich ändern. Klestil hat damals das Notwendigste getan. Die Situation heute ist aber eine andere als im Jahr 2000: Die EU ist viel fragiler. Was damals eine Präambel, die gut und richtig war, festgeschrieben hat, muss heute mit mehr Energie auf EU-Ebene verteidigt werden.

ÖSTERREICH: Das CETA-Volksbegehren läuft. Würden Sie den Vertrag unterschreiben, wenn es ratifiziert wird?

VAN DER BELLEN:Ich werde mir das genau ansehen. Wenn es vom Parlament ratifiziert wird, wird der Bundespräsident aber sehr gute Argumente brauchen , um es nicht zu unterschreiben. Das Parlament verkörpert ja den Volkswillen.

ÖSTERREICH: Der Opernball. Pflicht – oder freuen Sie sich?

VAN DER BELLEN: Freuen tue ich mich auf den Wissenschaftsball Samstagabend, weil den habe ich mit initiiert. Der Opernball wird mir als interessante Veranstaltung geschildert. Ich werde nicht tanzen, dafür ist auch gar keine Zeit. Gesprächskontakte mit Wirtschaft und Politik werden im Vordergrund stehen.

ÖSTERREICH: Ihre Frau findet das Wort „First Lady“ nicht so angebracht. Wie sehen Sie die Rolle Ihrer Frau?

VAN DER BELLEN:: Das US-Modell ist nicht übertragbar. Die USA hat eine ganz andere Tradition, spätestens seit Jacqueline Kennedy. Abgesehen davon, ist meine Frau berufstätig und wird nur bestimmte Termine wahrnehmen – soweit sie nicht mit ihrem Job kollidieren. Am Wochenende oder am Abend, oder sie nimmt sich Urlaub. Aber ich halte es für richtig, dass eine Frau heute – ohne andere Lebensentwürfe zu kritisieren – sagt: Ich will mein eigenes Einkommen, meinen eigenen Pensionsanspruch, mein eigenes Leben – und nicht nur an der Seite des Partners stehen.

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