BP-Wahl

VfGH-Reaktion für Böhmdorfer "unfassbar"

Teilen

Schnizer habe der FPÖ "kriminelle Vorbereitungen" auf Anfechtung vorgeworfen.

FPÖ-Anwalt Dieter Böhmdorfer hat die Nicht-Distanzierung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) von Äußerungen ihres Richters Johannes Schnizer kritisiert. "Es ist unfassbar und unglaublich, dass der VfGH hier nicht mehr Tätigkeit entwickelt, um seinen eigenen Ruf zu retten", sagte er im Ö1-Morgenjournal. Schnizer habe der FPÖ "kriminelle Vorbereitungen" ihrer Wahlanfechtung vorgeworfen.

"Unfassbare strafrechtliche Vorwürfe"

Man bewege sich hier "in Bereiche ganz relevanter unfassbarer strafrechtlicher Vorwürfe, die man so nicht stehen lassen kann", so der ehemalige Justizminister der schwarz-blauen Bundesregierung am Donnerstag. "Ich verstehe, dass der Präsident des Verfassungsgerichtshofes den Richtern ihre private Meinung lässt, das ist aber keine private Meinung mehr. Das ist der Vorwurf gegen eine politische Partei und zwar die derzeit größte, sich kriminell auf einen Wahlvorgang eingestellt zu haben, damit man nachher die Wahl anfechten kann."

Er selber werde dennoch nicht weiter tätig werden, dies sei Sache einer anderen Rechtsanwaltskanzlei, so Böhmdorfer. Bereits am Mittwoch hatte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl medienrechtliche Schritte unter Federführung von Anwalt Michael Rami angekündigt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite:

Johannes Schnizer - Verfassungsrichter unter Druck

Johannes Schnizer - Verfassungsrichter unter Druck

Diese Medienoffensive ging ordentlich daneben: Als der Verfassungsrichter Johannes Schnizer (57) am Dienstag in Interviews mit "Falter" und "Zeit im Bild 2" zur Verteidigung des heiß diskutierten Verfassungsgerichtshof-Entscheids zur Aufhebung der Bundespräsidentenwahl ausritt, rechnete wohl niemand damit, dass zwei Tage später bereits über einen möglichen Rücktritt Schnizers spekuliert wird.

Mit Vorwürfen gegen die FPÖ, wonach diese ihre Anfechtung schon vor der Stichwahl vorbereitet habe, und seinem Wahl-Outing für den Grünen Alexander Van der Bellen hatte sich der Verfassungsrichter selbst in die Schusslinie und den Verfassungsgerichtshof ins Gerede gebracht. Da half es auch nichts, dass Schnizer nur seine "persönliche Meinung" zum Ausdruck brachte, wie er und auch VfGH-Präsident Gerhard Holzinger erklärten. Schnizer gehört dem Verfassungsgerichtshof seit Jänner 2010 an. Für den Sitz am Höchstgericht vorgeschlagen wurde Schnizer von der SPÖ, in der er zuvor verschiedene Stationen durchlief.

Dr. Johannes Schnizer wurde am 14. September 1959 als Sohn eines konservativen Grazer Kirchenrechtsprofessors geboren. Sein Jus-Studium absolvierte er in Salzburg. Von 1982 bis 1992 arbeitete er bereits als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof. Politisiert durch den Aufstieg des damaligen FPÖ-Chefs Jörg Haider dockte Schnizer weltanschaulich schließlich bei der SPÖ an. 1992 wechselte er - formal als Beamter in der Parlamentsdirektion angestellt - in den SPÖ-Parlamentsklub, wo er für Verfassungsfragen zuständig war und die SPÖ 2003 und 2004 unter anderem im Österreich-Konvent vertrat.

SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer nahm Schnizer nach seinem überraschenden Wahlsieg 2006 mit ins Kanzleramt, wo der Jurist als Kabinettschef das Kanzlerbüro leitete. Schon damals wurden ihm Ambitionen auf einen Höchstrichterposten nachgesagt. Nach dem vorzeitigen Abgang Gusenbauers wechselte Schnizer im Jänner 2009 zunächst zurück in die Parlamentsdirektion, wo er für die Abwicklung des Entschädigungsfonds zuständig war. Ende 2009 war es dann so weit. Schnizer wurde auf Vorschlag der SPÖ von der Bundesregierung zum Verfassungsrichter bestellt. Im Jänner 2010 trat er seinen Dienst an. Von 1994 bis 2008 war Schnizer übrigens auch Mitglied jener Bundeswahlbehörde, die der Verfassungsgerichtshof nun mit seinem Urteil unter Druck brachte.

Dass es der Verfassungsrichter nach der Aufregung um seine Medienoffensive an die Spitze des Höchstgerichts schafft und im kommenden Jahr dem vor dem Ruhestand stehenden Verfassungsgerichtshofpräsidenten Gerhart Holzinger folgt, gilt inzwischen als eher unwahrscheinlich. Auch wenn Schnizer von Juristen ob seiner Kompetenzen und Kenntnisse Rosen gestreut werden, im Verfassungsgerichtshof ist man alles andere als glücklich über den außergewöhnlichen Schritt an die Öffentlichkeit.

Dabei wollte Schnizer nur die Kritik von Juristen und Statistikern wie Heinz Mayer, Alfred Noll und Erich Neuwirth zurückweisen, die bisherige Judikatur des Gerichts verteidigen und darauf hinweisen, dass es bei der Bundespräsidenten-Stichwahl am 22. Mai nicht nur "Schlampigkeiten", sondern "eklatante Rechtswidrigkeiten" gegeben habe. Und Schnizer wollte jener "Kritik, die wirklich schmerzt", wie er selbst meinte, begegnen, wonach das Gericht in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der FPÖ entschieden habe. Der Vorwurf, das Geschäft der FPÖ zu beteiben, ging dem Verfassungsrichter mit SPÖ-Wurzeln offenbar zu weit.
 

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.