ÖVP-Neuwahlpapier

War Aktenklau Verbrechen oder Intrige gegen SPÖ?

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Wurde das ÖVP-Neuwahlpapier wirklich entwendet, oder hat die ÖVP die Geschichte inszeniert, um der SPÖ zu schaden?

Der mutmaßliche „Aktenklau“ bei Ralf Böckle, Kabinettschef von ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer, entwickelt sich immer mehr zum Kriminalfall. Gegenüber ÖSTERREICH packen jetzt Insider mit einer zweiten Version des dubiosen Vorfalls aus – die sich für die ÖVP zum veritablen Eigentor entwickeln könnte.

SPÖ anpatzen?
Demnach ist die Aktentasche, in der sich ein Dossier über die Topsecret-Wahlkampfvorbereitungen befanden, gar nicht „verschwunden“ oder „gestohlen“ worden, wie das von der ÖVP behauptet wird. Im Gegenteil: Am 12. März soll sie von einem Amtsdiener im menschenleeren Ministerratssaal des Parlaments gefunden worden sein. Der brave Mann sei damit einfach nach nebenan – ins Büro des Bundeskanzlers gegangen und habe dort nachgefragt, wem denn diese Tasche gehöre.

Die Tasche sei also kurz geöffnet worden, um die Identität des Inhabers festzustellen, und dann Ralf Böckle „nachgetragen“ worden. Von Diebstahl und Aktenklau also keine Rede. Stimmt diese, kurioserweise in der ÖVP kursierende Geschichte, dann wäre die Diebstahlsanzeige nur mit parteipolitischem Kalkül zu erklären, nämlich allein um die SPÖ anzupatzen.

Denn in Böckles Sachverhaltsdarstellung scheint es so, als habe Böckle selbst die Tasche bei einem Amtsdiener gefunden, die dieser vorher aus den Händen eines Gusenbauer-Mitarbeiters erhalten habe.

„Entwendete“ Unterlagen
Personen aus dem Umfeld des Kabinettschefs beschwören auch, aus der Tasche seien tatsächlich Unterlagen entwendet worden – während andere Quellen davon berichten, Neuwahlpläne der ÖVP seien bloß kopiert und dann wieder zurückgesteckt worden. Aufklärung könnte eine Darstellung des angeblich bestohlenen Ralf Böckle selbst bringen, doch der war – wiewohl im Dienst – nicht zu erreichen. Böckle gilt als loyaler ÖVP-Mann, war einer der engsten Mitarbeiter von Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel, bevor er zu Molterer wechselte.

Auch die Staatsanwaltschaft Wien, der die Sachverhaltsdarstellung Böckles geschickt wurde, zögert. Bis Donnerstagabend hat sie Böckles Anzeige noch nicht erhalten. Zudem stellt sich für Staatsanwalt Gerhard Jarosch die Frage, ob es sich bei dem kolportierten Papier überhaupt „um ein diebstahlsfähige Sache“ handelt. Gut möglich sei, dass das die Staatsanwaltschaft gar nicht überprüfen wird.

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