Nach Faymann-Rücktritt

Wer kann jetzt Kanzler?

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ÖBB-Boss Kern ist Favorit für die Faymann-Nachfolge. Aber: Häupl kämpft noch für Zeiler.

Nach dem überraschenden Rücktritt von Werner Faymann als SPÖ-Chef und Kanzler am Montag ging es gestern Schlag auf Schlag: Gleich mehrere SPÖ-Landesgruppen – Kärnten, Steiermark, Niederösterreich, Tirol, Vorarlberg und Salzburg – sprachen sich bereits offiziell für ÖBB-Chef Christian Kern als neuen roten Obmann und Kanzler aus.

Der interimistische SPÖ-Chef, Wiens Bürgermeister Michael Häupl, wollte sich zwar mit der Entscheidung über den Nachfolger von Faymann bis zum SPÖ-Parteivorstand kommenden Dienstag Zeit lassen. Die roten „Rebellen“ wollen aber Fakten schaffen: „Wir haben uns bereits Montag in der Früh auf Christian Kern geeinigt“, sagt einer der fünf „Rebellen“-Landeschefs ÖSTERREICH.

Freitag: SP-Landeschefs wollen Kern nominieren

Das Schani-Komplott
Wie von ÖSTERREICH berichtet, hatten sich die fünf „rebellischen“ SPÖ-Landeschefs Montagmorgen im Hotel Schani am Wiener Hauptbahnhof getroffen und sich dort – noch vor Faymanns Rücktritt – auf Kern als Nachfolger geeinigt. Sie wollen auf einem Treffen aller neun SPÖ-Länderchefs am Freitag Kern nominieren.

Häupls Regie: Er möchte lieber Zeiler und wartet
Häupl favorisiert hingegen Time-Warner-Manager Gerhard Zeiler. Als Faymann am Montag seinen Rücktritt gerade bekannt gegeben hatte, saß er im Flieger nach New York. Mittlerweile ist er bereits am Rückweg nach Wien. Zeiler soll der SPÖ anbieten, die Partei „wieder zu einen“. Heißt: das linke und das rot-blaue Lager in der Asylpolitik wieder zu versöhnen. Er möchte – behaupten Insider – Kern anbieten, in seinem Team Infrastrukturminister zu werden.

Gewerkschaft: Mehrheit tendiert zum ÖBB-Boss
Derzeit will in der SPÖ aber kaum einer wetten, dass Häupl „seinen Zeiler durchsetzen kann“. Denn auch die rote Gewerkschaftsfraktion soll sich hinter den Kulissen eher für Kern ausgesprochen haben. Dieser habe in seiner Zeit als ÖBB-Boss „immer wieder Werksbesuche gemacht und so das Herz von Betriebsräten erobert“, berichtet ein Roter. Manche Gewerkschafter um Erich Foglar sollen ihn aber skeptisch sehen.

Rote Neuwahlangst: Doch ein Parteikandidat?
Kern und Zeiler sollen beide bereit sein, den schwierigen Job zu übernehmen. Mit Kern rechnet man auch in der ÖVP und wälzt bereits Neuwahlpläne. Das erahnen auch Häupl sowie Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl. Niessl soll daher auch einen Vorsitzenden favorisieren, der aus dem Minister- oder Länderteam kommt.
Und sagt ÖSTERREICH: „Noch ist alles offen.“ Am Dienstag soll der Neue vom Parteivorstand nominiert und bei einem Parteitag am 25. Juni gewählt werden.

Kern: Smarter Manager mit großem Netzwerk
Christian Kern gilt bereits seit einigen Jahren als „logischer“ Nachfolger von Werner Faymann an Regierungs- und SP-Spitze. Der 50-jährige Wiener hat seit seinem Aufstieg zum ÖBB-Boss 2010 sein Netzwerk in Partei und Staat erstaunlich ausgebaut: Egal, ob bei einer Charity für Flüchtlinge mit André Heller oder bei Werksbesuchen mit Betriebsräten scheint der Ex-Pressesprecher von Ex-Klubchef Peter Kostelka stets neue Fans zu gewinnen.

Simmering und St. Gallen
Das liegt vielleicht auch an der persönlichen Vielfalt des einstigen Arbeiterkindes aus Wien-Simmering: Nach einem Publizistik-Studium in Wien absolvierte er an der Elite-Uni in St. Gallen ein Management-Postgraduate. Der Vater von vier Kindern (drei Söhne und eine Tochter) bespielt auch die Social-Media-Kanäle im Internet geschickt selbst: Als das ganze Land Montagabend rätselte, ob er der neue Kanzler werden würde, postete er ein Selfie von sich bei einem Konzert: „Muse im Sweatshop – 35 Grad im Schatten. Ganz cooler Auftritt heute Abend.“

Ob er wohl die neue Muse der zerstrittenen SPÖ wird?

Kern oder Zeiler: Was für die Kandidaten spricht, was gegen sie

Christian Kern (50)
Christian Kern gilt als telegen und gut mit sämtlichen SP-Länderchefs vernetzt.

Plus: Geschickter Manager. Als ÖBB-Boss hat er den Staatsbetrieb zum Vorzeigeunternehmen gemacht. Dafür brauchte es viel politisches Gespür, Verhandlungsgeschick und Durchsetzungskraft. Er kennt alle SP-Landesorga­nisationen, ist ehrgeizig, ­extrem zielorientiert. War Assistent von SP-Staatssekretär Kostelka.

Minus: Haltung zur FPÖ. Die SPÖ-Linken sehen einen Manager kritisch. Sie wollen einen „Partei-Ideo­logen“. Teile der Gewerkschaft sind misstrauisch, ob Kern sich Rot-Blau öffnen würde.

Gerhard Zeiler (60)
Zeiler ist erfolgreicher internationaler TV-Manager. Jetzt sucht er spätes Kanzlerglück. Seine Führungsqualitäten sind top.

Plus: Perfekte Auslandskarriere.
War TV-Chef bei Tele 5 und RTL II. Von 1994 bis 1998 ORF-General. 1998 Wechsel in die Chef­etage von RTL. Seit 2012 Präsident von Turner-International. Er leitet alle Kanäle des US-Senders außerhalb der USA, darunter CNN International. Er wird von Häupl und Ex-Kanzler Vranitzky favorisiert. Lebt in London, der Anruf aus Wien erreichte ihn jetzt in New York.

Minus: Kurze Polit-Erfahrung. War zwar Sprecher der SP-Kanzler Fred Sinowatz und Franz Vranitzky. Seit 1998 aber ist er aber weg von der politischen Bühne in Österreich. Viele in der SPÖ kennen ihn nicht mehr und sind skeptisch. Auch finanziell wäre es für ihn ein deutlicher Abstieg.

Gesundheitsministerin Oberhauser: "Das ehrt mich sehr"

Die rote Gesundheitsministerin gilt als Liebling der SPÖ-Basis. Sie hält sich bedeckt.


Auf Facebook drängen sie immer mehr Fans, doch selbst neue Kanzlerin und SPÖ-Chefin zu werden. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser antwortet im ÖSTERREICH-Gespräch.

ÖSTERREICH: Wen wünschen Sie sich als Parteivorsitzenden?

Sabine Oberhauser: Den, der sozialdemokratische Inhalte in Sozial- oder Bildungspolitik lebt.

ÖSTERREICH: Wieso sind eigentlich nur Männer für die Nachfolge von Faymann im Gespräch? Ist die SPÖ wirklich noch nicht reif genug für eine Frau an der Spitze?

Oberhauser: Ich vertraue in dieser Frage ganz auf Michael Häupl, der als Einziger in seinem Regierungsteam mehr als 50 Prozent Frauen ausgesucht hat.

ÖSTERREICH: Viele in der SPÖ und auch auf Facebook bringen Sie als Parteichefin ins Spiel. Ist das vorstellbar?

Oberhauser: Es ehrt und freut mich sehr, dass mir das so viele zutrauen. Aber ich vertraue Michael Häupl, dass er den oder die Beste findet.
(isa)

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