Endstation Wahnsinn

Isabelle Daniel: "Ich traf Gaddafi"

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Mit Jörg Haider bei Gaddafi. So tickt der Wüsten-Diktator.

Seine Auftritte wirken zunehmend jenseitig. Einmal erscheint er mit überdimensionalem Regenschirm im libyschen Staats-TV, dann ruft er in einer libyschen Talkshow an und warnt die Welt vor Osama bin Laden als Drahtzieher des Aufstandes gegen ihn. Muammar Gaddafi, der 68-jährige Wüstendiktator, wandelte in den letzten Tagen zwischen Begrifflichkeiten wie "Schlächter“ seines Volkes" und "größter Polit-Kasperl der Neuzeit". Die Welt sieht zu und staunt.

Das war nicht immer so. Lange Zeit wurde der Mann mit den kleinen zornigen Augen von Staatschefs und Firmen hofiert. Sein Sechs-Millionen-Einwohner-Land verwandelte sich ab 2003 vom "Schurkenstaat" – Gaddafi war für mehrere brutale Terrorattentate von Wien bis Lockerbie verantwortlich – zum vermeintlichen Freund des Westens.

Einer, der ihn hofierte, als ihn der US-Geheimdienst noch als Terroristen jagte, war Jörg Haider. 1999 besuchte ihn der 2008 verstorbene FPÖ-Chef das erste Mal im Zelt in Tripolis. Es sollten viele Besuche folgen. Gaddafi empfing damals auch Journalisten, die Haider begleiteten. Ich war 2003 live dabei. Ich traf Gaddafi.

Frauen-Leibgarde
Bereits damals, im Frühjahr, verzichtete Gaddafi auf eine seiner Fantasie-Uniformen aus den 80er Jahren, um seinen "Freund" Haider zu begrüßen. Im langen braunen Gewand schüttelte er, leicht abwesend, artig allen die Hand, nahm erfreut Gastgeschenke entgegen und lauschte dann teilnahmslos und unkonzentriert den Ehrerbietungen aus Österreich. Vor dem aufgestellten Zelt bei der Kaserne Bab al-Asisjah an der Stadtgrenze von Tripolis (dort hielt er am vergangenen Montag auch seine Wutrede) patrouillierte seine Frauen-Leibgarde. Ohne Kopftücher – darauf hatte der Mann, der Libyen seit 1969 beherrscht, stets geachtet.

Gaddafi – der "Frauen-Förderer"
Das erzählte auch gern sein Sohn Saif-al-Islam Gaddafi. Seinem Vater seien "Frauenrechte immer wichtig gewesen", sagte mir der heute 38-Jährige etwa bei einem Interview 2004. Saif Gaddafi habe ich seither mehrmals getroffen – und interviewt.

Damals in Tripolis war auch der Sohn dabei. Begrüßte die österreichische Delegation locker in Jeans und weißem Hemd – wie sein Vater gefiel sich Saif in der Rolle des Dandy, nur mit modernerem Schliff. Dass auch er jetzt – da Tausende Demonstranten gegen seinen Vater aufbegehren – mit Morddrohungen von sich hören lässt, war damals höchstens zu erahnen. Auf den großen Saif war der weit kleiner gewachsene Papa freilich immer besonders stolz.

"Mein Freund Bruno" – Gaddafi schwärmt
Muammar Gaddafi erinnerte bei diesem Besuch 2003 aber noch lieber an seinen "Freund Bruno".

Der legendäre SPÖ-Kanzler hatte den dienstältesten Wüstendiktator schließlich bereits in den 70er Jahren in Wien begrüßt. Muammar Gaddafis Gesicht wirkte bereits 2003 seltsam vernarbt – so als würden die Gerüchte über diverse Schönheitsoperationen stimmen.

Schönheits-OPs
Dass Gaddafi mit dem Älterwerden nicht zurande kam, verrieten nicht nur seine tiefschwarz gefärbten Haare. Er könne "sehr charmant" sein, erzählte man damals jedenfalls in Tripolis. Um dann hinter vorgehaltener Hand von "der Drogenabhängigkeit" des Diktators zu berichten. Von den cholerischen Anfällen, die sich mit Phasen der "Apathie" abwechseln würden. Von millionenschwerem Schmuck, den er Botschafter-Gattinen schenkt, die bei Empfängen seine Aufmerksamkeit erregten.

Und, dass er "Reformen" versprochen hatte, nachdem er seinen Freund, Saddam Hussein, vor Gericht in Irak gesehen hatte.

Von Medienfreiheit hielt der Mann, der heute Journalisten als "Hunde" beschimpft, freilich noch nie etwas. Auch die österreichischen Journalisten wurden 2003 permanent von Aufpassern des "Informationsministeriums" begleitet. Dass mich die Agenten dann in den engen Gassen von Tripolis prompt verloren, hat der Despot wohl nie erfahren.

Wörthersee-Party
Sein Sohn Saif war da schon aufgeschlossener. Bei einem Interview in Wien postierten sich links und rechts zwei Bodyguards – der junge Saif wies die Leibwächter an, auf Distanz zu gehen.

Der Sohn liebte, wie einst der Vater, als er noch als "fescher" Revoluzzer galt, Sport, schöne Frauen und Partys. Regelmäßig erschien Saif, der an der Imadec in Wien studierte, auf Festen am Wörthersee. 2004 stellt er seine Bilder "The desert is not silent" im Palais Auersperg vor.

Mir erklärte er damals lange die Bedeutung eines seiner Bilder: Das repräsentiere die "Gräueltat" der Amerikaner, die "meine Familie 1986 angegriffen hatten". Und für einen kurzen Moment wusste man damals schon, dass Saif seines Vaters Sohne ist.

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