Der Seele eine Auszeit gönnen

Pilger-Reisen

Der Seele eine Auszeit gönnen

Hut, Stock, Rucksack und ein neues Paar Wanderschuhe: So machte sich der deutsche Schauspieler und Moderator Hape Kerkeling im Sommer 2001 auf den 800 Kilometer langen Jakobsweg zum Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela (Spanien). Seine Erfahrungen brachte er vor zwei Jahren in Ich bin dann mal weg (Malik-Verlag) zu Buche, das sich über 3 Millionen Mal verkauft hat und einen regelrechten Pilgerboom ausgelöst hat. Im neu erschienenen Sammelband verschiedener Autoren – Loslassen, um anzukommen – analysiert Hape Kerkeling, warum man beim Pilgern die Seele so gut baumeln lassen kann.

Der Pilger-Hype
Allein der Jakobsweg erfreut sich jährlich über 150.000 Pilgerer aus aller Welt, Tendenz steigend. In den Regalen der Buchhandlungen reihen sich unzählige Erfahrungsberichte aneinander. Doch was genau fasziniert all jene Menschen, die im Verlauf der vergangenen 16 Jahrhunderte mit leichtem Gepäck Hunderte Kilometer zurückgelegt haben? Für die heutige Gesellschaft bedeutet Pilgern meist etwas anderes, als nur zu laufen und dabei zu beten. Hape Kerkeling: „Der oft atheistisch angehauchte und fitnessorientierte Mensch der Moderne sieht das Pilgern gerne als Art Wanderung zu sich selbst. Denn Pilgerreisen und Wallfahrten vermitteln ebenfalls Spaß am Wandern, bieten körperliche Ertüchtigung und Naturverbundenheit und verbinden diese mit spirituellen Aspekten.“ Eine Wanderung ist aber keinesfalls mit einer Pilgerreise gleichzusetzen“, so der Autor, denn Pilgern sei viel mehr: „Während einer Bergwanderung kann einem so mancher kleine Stolperstein zu schaffen machen. Auf einer Wallfahrt sind es eher die inneren Hindernisse, die es zu überwinden gilt.“ Wer also an sich selbst arbeiten möchte, für den ist eine Pilgerreise ideal: „Unsere kleinen Macken und Fehlerchen verwandeln sich im Laufe des Pilgerns für uns und so manchen fremden Mitbürger in feuerspeiende Drachen, die es zu erledigen gilt. Denn weit kommt man mit diesen nicht.“

Der innere Kampf
Ein Hörsturz und eine Gallenoperation waren für den Entertainer der Anlass, sich eine Auszeit zu nehmen und sich auf den befreienden Weg zu machen. Dreckige Unterkünfte, Durst und Hunger waren nur einige der Probleme, mit denen er zu kämpfen hatte. Auch die Kondition machte ihm anfangs Schwierigkeiten. Während er anfangs elf Stunden gebraucht hat, um 36 Kilometer zurückzulegen, schaffte er dieselbe Strecke nach vierzehn Tagen bereits innerhalb von acht Stunden. Und eines hat er dabei mit Sicherheit gelernt: „Meine Energie richtig einzusetzen, mit ihr zu haushalten, Pausen zu machen, wenn notwendig, und mich bei aller Anstrengung immer gut zu behandeln.“ Doch auf den Körper hören lernen – was in unserer Gesellschaft ja nicht mehr selbstverständlich ist – ist nur einer der positiven Nebeneffekte.

Denn beim Pilgern lernt man auch, den Alltagsstress loszulassen und sich wieder mit sich selbst zu beschäftigen. „Meist läuft man ja über Stunden alleine, ohne jemandem zu begegnen.“ Kerkelings persönlicher Tipp gegen das ständige Alleine sein: Lieder trällern! Er selbst wiederholte laut Musicals, Hymnen, Volkslieder aus den unterschiedlichsten Ländern, genauso wie Arien, Märsche und Popsongs.

Innerer Frieden
Auch Probleme lassen sich mitunter bei dem langen Fußmarsch lösen. Denn mit etwas Abstand schauen viele Situationen gleich ganz anders aus. „Als Pilger geht es darum, Frieden mit sich zu schließen. Der Pilgerweg macht die Menschen wirklich gleich. Alle laufend schwitzend und schnaufend die gleich Strecke und haben die selben Probleme. Früher oder später ist jeder auf die Hilfe oder Gastfreundschaft eines Mitmenschen angewiesen, aber es existieren so viele individuelle Arten, damit umzugehen, wie es Pilger gibt“, erklärt das Allroundtalent.

Bestseller-Autor Hape Kerkeling lädt nach seinen positiven Erfahrungen jeden ein, das Pilgern selbst zu probieren. Denn: „Man kommt nie zu Hause an, wenn man sich nicht davon entfernt. Also, entfernen Sie sich doch einmal ein Stück von sich. Und wer weiß, was dann passiert?“

It-Buch: Der neue Kerkeling
Im Buchband Loslassen, um anzukommen sind die besten Pilger-Geschichten und Erfahrungsberichte berühmter Persönlichkeiten gesammelt – angefangen vom Gründer des Jesuitenordens, Ignatius von Loyola, bis hin zu modernen Autoren wie Paolo Coelho. Herausgegeben von Bettina Feldweg im Malik-Verlag, um 15,40 Euro.

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