Russland will nüchterne Fluggäste

Kein Wodka über den Wolken

Russland will nüchterne Fluggäste

Wodka-Gelage, Sekt-Sausen, Cognac-Orgien - über den Wolken ist die Trinkfreude oft grenzenlos. In russischen Flugzeugen lassen betrunkene Passagiere oft alle Hemmungen fallen. Im Suff kommt es zu Schlägereien mit Flugbegleitern und Mitreisenden, vor allem auf Langstrecken, zum Beispiel in Russlands Osten oder zu beliebten Urlaubszielen wie Thailand. Immer wieder müssen deshalb Maschinen außerplanmäßig landen. Die Airlines stöhnen über hohe Zusatzkosten. Doch mit der Trunkenheit soll es bald vorbei sein. Russland will den nüchternen Fluggast.

Alkohol abgeben
Auf Initiative der Fluggesellschaften hat das Transportministerium in Moskau nun eine Gesetzesnovelle vorgelegt. Passagiere sollen ihren im Duty-Free-Bereich gekauften Alkohol an der Kabinentür abgeben und erst nach der Landung zurückerhalten. Zwar verbieten viele Linien schon jetzt den Konsum von eigenen Getränken. Doch nicht immer passt das Personal auf - und drückt die Augen zu. Auf Charterflügen etwa von Staatsunternehmen trinken die Passagiere hemmungslos, schütten flaschenweise harten Alkohol in sich hinein.

Randale über den Wolken
Auf einem Flug von Bangkok ins sibirische Krasnojarsk randalieren fünf sturzbetrunkene Russen. Sie schlagen die Flugbegleiter, rauchen, belästigen Mitreisende. Das Flugzeug legt sicherheitshalber auf der chinesischen Insel Hainan eine Zwischenlandung ein, die Männer werden festgenommen. Vorfälle wie diesen gibt es viele, doch auch auf kurzen Flügen kommt es zu Eskalationen: Auf dem Weg von der Ostsee-Exklave Kaliningrad (Königsberg) nach Moskau will ein Betrunkener das Flugzeug entführen. Andere Passagiere überwältigen ihn nach einem wilden Handgemenge.

Alk gegen Flugangst
Laut Umfragen fliegt fast ein Fünftel der Russen nie nüchtern, viele von ihnen betäuben so ihre Flugangst. Zahlreiche Menschen verstehen nicht, wieso gerade auf Flügen, auf denen stundenlang nichts zu tun ist, etwas verboten wird, das traditionell zum Alltag gehört. Und andere wiederum warnen vor immer neuen Bevormundungen.

Eine Lösung haben die Behörden bisher nicht gefunden. Statistiken zeigen, dass die Zahl der Fälle jährlich zunimmt. Niedrige Strafen von umgerechnet 37 Euro für Verstöße sind keine Abschreckung. Zwar schenkt die größte Fluglinie Aeroflot seit 2010 auf den am stärksten betroffenen Langstrecken zum Beispiel nach Kuba, Bangkok, Shanghai und nach Wladiwostok keinen Alkohol mehr aus. Auf ein allgemeines Verbot konnten sich die Airlines und die Regierung bisher nicht einigen.

Die Duty-Free-Lobby sei sehr einflussreich, meinen Experten. Schätzungen zufolge machen die Läden im Abflugbereich rund 40 Prozent ihres Umsatzes mit Alkoholverkäufen. Und auch die Fluggesellschaften fürchteten wirtschaftliche Einbußen, wenn sie auf den profitablen Alkoholverkauf an Bord verzichten müssten, sagt der Verbraucherschützer Dmitri Janin der Agentur Ria Nowosti.

Schwer umzusetzen
Doch auch die neue Initiative, Alkohol während des Fluges zu konfiszieren, sei nur schwer umzusetzen, meint der Rechtsexperte Michail Anschakow. "Persönliches Eigentum steht unter dem Schutz der Verfassung." Zudem entstünden bei der Rückgabe am Ende des Fluges Verzögerungen, kritisiert Anschakow.

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