Touristen auf den Spuren der Korruption

Prag

Touristen auf den Spuren der Korruption

Karlsbrücke, Goldenes Gässchen und Prager Burg locken jährlich Millionen Besucher in die tschechische Hauptstadt. Stattliche Wohnhäuser von Lobbyisten und korrupten Politikern sowie überteuerte Tunnelprojekte gehörten bisher eher nicht zu den Hauptattraktionen der Stadt. Doch das will Petr Sourek ändern. Der 1974 in Prag geborene Theaterautor und Regisseur hat die Reiseagentur "CorruptTour" gegründet, die Besuchern die Schattenseiten der postkommunistischen Gesellschaft zeigen will. "Wir haben den Korruptionstourismus erfunden", lautet das wenig bescheidene Motto.

Führungen
"Goldener Zauber in Prag" heißt der neue deutschsprachige Rundgang von "CorruptTour". Vor dem Prager Innenministerium, dem wohl bestbewachten Gebäude in Tschechien, hat sich eine kleine Gruppe versammelt. Tourguide Philip sticht mit seinem skurrilen Kostüm samt bunten Schleifen und breitem Krempenhut aus der Masse heraus. Er verspricht, die Gruppe "von wertvollen Betonmonumenten bis zu nicht existierenden Briefkastenfirmen" zu führen.

Ein älterer Herr ist aus Österreich angereist. Er habe sehen wollen, was bei den Nachbarn los ist: "Hier gibt es eine weltweite Tourismussparte, die bisher noch nicht erschlossen ist und möglicherweise der nächste Hit wird", meint er.

Philip führt die Gruppe zur angeblich "größten Goldmine" in Tschechien. Man steht am Rande einer gigantischen Baustelle. Es ist die zukünftige Ausfahrt des Tunnels Blanka, mit einer Strecke von 6,4 Kilometern einer der längsten innerstädtischen Tunnel Europas. Im Mittelalter hätten Alchemisten am Hof von Kaiser Rudolf II. leidenschaftlich versucht, Gold herzustellen. Heute würden indes Großprojekte gebaut, so Philip.

Für den einen oder anderen falle dabei ein Stück vom Kuchen ab. "Wer sich soviel Mühe macht, muss belohnt werden", meint der Reiseführer mit sarkastischem Unterton. Tatsächlich wird seit Baubeginn über Sinn und Unsinn des Tunnelprojekts in den tschechischen Medien diskutiert. Unklar ist, wer von der bisherigen Kostenüberschreitung profitiert haben könnte.

Prager Burg
In der Nähe der Prager Burg stoppt Reiseführer Philip vor einer zweistöckigen Villa. Hier wohne ein bekannter Lobbyist, flüstert er. Es sei lustig, das Villenviertel in unmittelbarer Nachbarschaft zahlreicher Regierungsministerien so abzugehen, meint einer der Tourteilnehmer. "Die Wohnung liegt strategisch wirklich sehr günstig", findet er mit einem Hauch von Bewunderung. In einem Park stößt die Gruppe dann sogar zufällig auf den aus Zeitungs- und Fernsehberichten bekannten Lobbyisten - beim Gassigehen mit seinem Hund.

Petr Sourek, Erfinder der Rundgänge, ist sich sicher, aus einem schier unendlichen Fundus schöpfen zu können. "Das Quantum der Korruptionsdenkmäler ist groß", sagt Sourek. Um sich vor etwaigen Klagen zu schützen, greife er nur auf gesellschaftlich diskutierte und medial bekannte Korruptionsfälle zurück. Noch nehmen es die Betroffenen mit Humor.

"Die Leute sind sehr enttäuscht von der ganzen Politik", bestätigt eine Tourteilnehmerin aus Tschechien. Der EU-Mitgliedsstaat teilt sich auf dem Länderindex der Korruptionswahrnehmung von Transparency International den 57. Platz mit Saudi Arabien und Namibia. Die besten Noten bekommen Neuseeland und die skandinavischen Länder. Österreich liegt auf Rang 16 - dennoch sieht manch einer der österreichischen Tourteilnehmer in der Heimat Expansionspotenzial: "In Wien kommen Sie mit zweieinhalb Stunden nicht aus - wir sind besser", sagt einer am Ende des Rundgangs.

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