Mann oh Mann!

"Joseph und seine Brüder" in der Josefstadt

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Günter Krämer inszenierte Thomas-Mann-Bearbeitung von Herbert Schäfer.

Es ist nicht alles glänzend, was Gold ist. Das Bühnenbild zu "Joseph und seine Brüder - Die Berührte" etwa, das wie die Theaterfassung eines zentralen Kapitels aus Thomas Manns Romantetralogie von Herbert Schäfer stammt, besteht vorwiegend aus einer hohen, neigbaren Goldwand, wie auch so manches Kostüm golddurchwirkt ist. Und doch wirkt diese Dramatisierung im Theater in der Josefstadt eher matt.

Stück mit vielen Fragen

"Joseph, ach, Joseph, was bist Du so keusch? Das Küssen macht so gut wie kein Geräusch." Diese Liedzeilen stammen nicht von Thomas Mann, sondern aus Leo Falls Operette "Madame Pompadour". In der Josefstadt hört man sie zweimal: Unmittelbar nach der Pause, ironisch dargebracht von Dudu, dem zwergwüchsigen, intriganten Höfling (gespielt von Erni Mangold mit unnachahmlicher Beiläufigkeit), und am Ende, als melancholischer Epilog des vielbegehrten Sklaven Joseph. Eine Antwort auf die Frage bekommt man von Regisseur Günter Krämer freilich während des ganzen, inklusive Pause zwei Stunden 20 Minuten dauernden Abends nicht.

Joseph als everybodys darling

Potiphar, im Begriff am Hofe des Pharaos ganz weit nach oben zu kommen, ist bei Tonio Arango ein nicht unsympathischer, kettenrauchender Frackträger mit Fistelstimme. Seine Manneskraft wurde schon von seinen Eltern seiner Hofkarriere geopfert, seiner schönen Gattin steht er durchaus freundschaftlich gegenüber, doch seine tiefe Zuneigung scheint eher dem Sklaven zu gehören. Dieser, Joseph (meist jedoch Osarsiph genannt), ist everybodys darling, ohne recht zu wissen, wie ihm geschieht. Gut behütet mit einem weiten asiatischen Kegelhut ist er in einem von Herbert Schäfer in die Josefstadt umgeleiteten Nil-Nebenarm meist mit Ackerbau beschäftigt und weiß mit seinen grünen Setzlingen besser umzugehen als mit den wild wuchernden Trieben, die Potiphars Gattin Mut in Josephs Nähe treiben.

Starbesetztes Mann-Stück
Der als wunderschön beschriebene junge Sklave sei vorwiegend Projektionsfläche für die Vorstellungen und Lüste der anderen, hatte Nestroy-Publikumspreisträger Florian Teichtmeister im Vorfeld wiederholt analysiert. Nur: Wie spielt man eine Projektionsfläche? Teichtmeister versucht, so blass und naiv wie möglich zu bleiben, was in der Konfrontation mit der immer exaltierter ihre dick überschminkte Oberfläche aus Blasiertheit und Langeweile durchbrechenden Mut der Sandra Cervik ein starkes Ungleichgewicht ergibt. An der skandalösen Fast-Liebesszene scheitert man mit vereinten Kräften, begleitet von einem witzlosen Lispeln Nurs, die sich vor heißem Verlangen in die Zunge gebissen hat. Dass gelegentlich ein überdrehter, spärlich bekleideter Jungmädchen-Chor auftreten darf, der wie eine Schar von Wolford angezogener Gänschen wirkt, und dass immer wieder Musikuntermalungen über Handlungsarmut auf der Bühne hinwegtrösten sollen, macht die Sache nicht besser. Erstaunlich dagegen, dass Thomas Manns nicht eben heutige Sprache ihre Bewährungsprobe durchaus besteht und ihre Sperrigkeit nicht wegnivelliert, sondern sorgsam ausmodelliert wird. Hier hat Krämer überraschend gute Arbeit geleistet. Für eine echte Wiederentdeckung der 1926-43 entstandenen Romane findet er jedoch kaum Argumente. Die Buchhandlungen brauchen wohl nicht umdisponieren: Im Weihnachtsgeschäft dürfte "Fifty Shades of Grey" knapp vorne bleiben.

Info
Thomas Mann: "Joseph und seine Brüder - Die Berührte", Fassung von Herbert Schäfer, Regie: Günter Krämer, Bühnenbild und Dramaturgie: Herbert Schäfer, Kostüme: Alberte Barsacq. Mit Tonio Arango - Potiphar, Sandra Cervik - Mut, Florian Teichtmeister - Joseph, Erni Mangold - Dudu; Weitere Vorstellungen: 6.-8.12., 14.-16., 26.-28.1.2014, Karten: 01 / 42700-300, www.josefstadt.org


 

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