Jüdischer Kongress

Aktivisten seien "Lynchmörder"

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Die Aktivisten des Gaza-Hilfskonvois hätten die Konfrontation heraufbeschworen.

Der Jüdische Weltkongress hat Aktivisten des im Mittelmeer aufgebrachten Gaza-Hilfskonvois als "Lynchmörder" ("lynch mob") beschimpft. Sie hätten die israelischen Soldaten mit Eisenstangen und anderen potenziell tödlichen Waffen angegriffen und damit die Konfrontation auf hoher See heraufbeschworen, heißt es in einer Erklärung vom Mittwoch.

Empört kritisiert die Organisation die internationale Berichterstattung, in der "die gewalttätigen Aktivisten als humanitäre Helfer" dargestellt würden. "Das waren Lynchmörder, und verantwortungsbewusste Beobachter sollten das klar aussprechen".

Weiter schreibt der Jüdische Weltkongress, dass er den Verlust von Menschenleben ernsthaft bedauere. Israel sei jedoch berechtigt gewesen, die Kontrolle der Schiffe zu übernehmen, weil diese gegen die international "rechtlich sanktionierte" Seeblockade verstoßen hätten. Israel habe "einen solchen Ausgang weder geplant noch provoziert".

Israel schiebt alle Aktivisten ab
Zwei Tage nach dem Militäreinsatz gegen die internationale Hilfsflotte für den Gazastreifen hat Israel die Abschiebung der über 600 festgenommenen Ausländer nach eigenen Angaben beendet. Bei diesen Abgeschobenen handelt es sich um Muslime aus Ländern, mit denen Israel keine diplomatischen Beziehungen unterhält.

Alle werden freigelassen
Zwei Tage nach dem blutigen Angriff hat Israel am Mittwoch nach eigenen Angaben alle ausländischen Aktivisten wieder freigelassen. Eine Sprecherin der Gefängnisbehörde teilte mit, 632 internationalen Häftlinge seien aus der Haft entlassen worden und auf dem Heimweg.

9 "Solidarische" tot
Israels Marine hatte am Montag die sechs Schiffe der Gaza-"Solidaritätsflotte" im Mittelmeer angegriffen, um sie an der Fahrt in den von der radikal-islamischen Palästinenser-Organisation Hamas beherrschten und seit drei Jahren blockierten Gazastreifen zu hindern. Bei der Militäraktion kamen nach israelischen Armeeangaben mindestens neun Menschen ums Leben, Dutzende weitere wurden verletzt. Die Aktion war weltweit heftig kritisiert worden.

Hilfsgüter kommen an
Ein Teil der tausenden Tonnen Schiffsladung der Hilfsflotille wurde unterdessen auf dem Landweg in den Gazastreifen transportiert. Die Ladung eines der sechs Schiffe des gestoppten "Free Gaza"-Konvois wurde gelöscht und von acht Lastwagen über den Kontrollpunkt Gui Inbar in den Gazastreifen gebracht. Es handelte sich vor allem um Medikamente, Rollstühle und Lebensmittel. Ein Dutzend weitere Lastwagen würden am Kontrollpunkt Kerem Shalom abgefertigt. Bis Donnerstag soll die gesamte Ladung der Schiffe gelöscht und in das Palästinensergebiet transportiert werden. Nach Angaben der Organisatoren der Hilfslieferung umfasst die Ladung rund 10.000 Tonnen - vor allem Medikamente und medizinisches Gerät, Lebensmittel, Fertighausteile und Kinderspielzeug.

Irland hat an Israel appelliert, ein irisches Hilfsboot in das Palästinensergebiet zu lassen. Israel müsse eine sichere Fahrt des irischen Bootes gewährleisten, welches humanitäre Hilfe in den Gazastreifen bringen wolle, sagte der irische Außenminister Micheal Martin am Mittwoch in Dublin. Es dürfe auf keinen Fall passieren, dass nochmals eine gewalttätige Konfrontation oder Blutvergießen wegen einer solchen rein humanitären Hilfsaktion entstünden.

"Zuverlässige Beziehung" zu USA
Die USA unterstützen die Forderung nach einer Untersuchung des israelischen Militäreinsatzes gegen die Hilfsflotte, wollen das Verhalten der israelische Streitkräfte aber nicht verurteilen. Die Kommandoaktion gegen pro-palästinensische Aktivisten in internationalen Gewässern werde an der "zuverlässigen Beziehung" zwischen Washington und Israel nichts ändern, so der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs.

Das diplomatische Ringen um den Frieden im Nahen Osten erscheint als schier endlose Abfolge aus vorsichtigen Friedenshoffnungen und bitteren Rückschlägen. Die Kommandoaktion israelischer Marine-Einheiten gegen einen Schiffskonvoi mit Hilfsgütern für den Gazastreifen hat die Liste der Rückschläge um einen weiteren Punkt verlängert. Die USA, die sich unter Präsident Barack Obama mit großen Ambitionen in der Nahost-Friedensdiplomatie engagiert haben, geraten durch das international weithin kritisierte Vorgehen ihres Verbündeten Israel in die diplomatische Klemme.

Arabische Staaten sehen kriminellen Akt
Das türkische Parlament hat Israel zu einer offiziellen Entschuldigung für die Kommandoaktion in der Nacht zum Montag aufgefordert, bei der neun Aktivisten getötet wurden. Außerdem müsse Israel den Hinterbliebenen eine Entschädigung zahlen und die Verantwortlichen für den Einsatz vor Gericht stellen, hieß es in der am Mittwoch verabschiedeten Deklaration.

Die türkische Regierung wird darin zu einer umfassenden Überprüfung des Verhältnisses zwischen beiden Ländern auf allen Ebenen aufgefordert. "Die Türkei soll versuchen, durch nationale und internationale Rechtsinstitutionen Gerechtigkeit gegen Israel zu erwirken", hieß es weiter.

Ägypten lockerte am Mittwoch die Blockade des Gazastreifens. Mehrere hundert Palästinenser verließen das Gebiet über den Grenzübergang Rafah. Im Gegenzug reiste eine kleinere Menschenmenge in den Gazastreifen ein. Außerdem wurden Hilfsgüter wie Decken, Zelte und Stromgeneratoren eingeführt.

Mankell für Sanktionen gegen Israel
Der schwedische Bestsellerautor Henning Mankell will seine Lesereise für sein neues Buch "Der Feind im Schatten" morgen, Donnerstag, in Berlin starten. Einige Stationen der Reise hatte der Schriftsteller absagen müssen, weil er sich an Bord eines Schiffes der Gaza-Hilfsflotte befunden hatte, als diese von israelischen Soldaten aufgebracht worden war. Bei dem Zwischenfall waren mindestens neun Menschen ums Leben gekommen. Vor der ersten Lesung wird Mankell bei einer Pressekonferenz auch Fragen zu seiner Teilnahme an der "Ship-to-Gaza-Aktion" beantworten.

Mankell fühlt sich nach Angaben seines Verlages in der Lage, sein neues Buch zu präsentieren. "Es geht ihm so gut, dass er sich spontan entschlossen hat, seine Lesereise doch zu machen", sagte eine Sprecherin des Zsolnay Verlages am Mittwoch in München. "Dass so etwas natürlich nicht spurlos an einem vorbei geht, ist klar", betonte sie. Auch die Stationen der Lesereise, die ausfallen mussten, sollen nachgeholt werden. Nach Berlin fährt Mankell zunächst nach Düsseldorf und Braunschweig.

Mankell sei nicht, wie zunächst gemeldet, auf dem Schiff "Marmara" gewesen, sondern auf dem Schiff "Sophia", sagte die Sprecherin. Der Autor war beim Sturm des israelischen Elitekommandos auf die "Ship to Gaza"-Aktion unverletzt geblieben. Zusammen mit 610 Aktivisten war er vorübergehend inhaftiert worden. Nach seiner Freilassung flog er von Israel über München nach Göteborg in seiner schwedischen Heimat. In der Zeitung "Expressen" kritisierte er das israelische Vorgehen scharf. "Das war in internationalen Gewässern. Also handelt es sich um Seeräuberei und Kidnapping", sagte er.

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