Pharma-Bad-Boy Shkreli

Amerikas "Staatsfeind Nr. 1" vor Gericht

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Pharma-Bad-Boy Martin Shkreli steht wegen Betrugsvorwürfen vor Gericht.

Blauer Blazer, weiße Hose und ein Lächeln für die Kameras: Beim Prozess in New York gibt sich der derzeit wohl unbeliebteste Unternehmer Amerikas cool. Dabei ist Pharma-Bad-Boy Martin Shkreli, der durch drastische Preiserhöhungen bei einem lebensrettenden Medikament Berühmtheit erlangt hat, in dieser Woche im Dauerstress.

Mittwoch: Anhörung im Bezirksgericht Brooklyn, wo sich der 32-Jährige wegen Betrugsvorwürfen einfinden muss.

Donnerstag: Kreuzverhör in Washington, dort soll er dem US-Kongress Rede und Antwort zu seinen umstrittenen Pharma-Geschäften stehen.

Irre Preiserhöhungen

Shkreli wurde in den USA zum Hassobjekt, nachdem seine Firma Turing Pharmaceuticals das Entzündungsmedikament Daraprim - das unter anderem Aids-Patienten helfen soll - kaufte und den Preis im September schlagartig von 13,5 auf 750 Dollar (686 Euro) pro Pille anhob.

Die Geschäftspraxis, sich erst die Rechte für marktdominierende Medikamente zu sichern und dann kräftig die Preise zu erhöhen, ist in der Pharmabranche zwar weder neu noch unüblich. Doch das Ausmaß und die kritisierte Dreistigkeit sorgten dafür, dass Shkreli vielen jetzt als Inbegriff der hässlichen Fratze des Raubtierkapitalismus gilt.

"Staatsfeind Nummer 1"
Der Volkszorn ist riesig. Die BBC bezeichnete Shkreli als den "meistgehassten Mann Amerikas", die "Washington Post" als "Staatsfeind Nummer 1". Ex-Außenministerin Hillary Clinton, die gern bald US-Präsidentin werden würde, drohte ihm im Wahlkampf sogar persönlich: "Wenn Sie amerikanische Familien auspressen und die Kosten ohne Grund in die Höhe treiben, werde ich Sie zur Verantwortung ziehen."

Mitte Dezember wurde Shkreli festgenommen - allerdings nicht wegen Halsabschneiderei im Pharma-Business. Ihn holte vielmehr der Umgang mit Geldern seiner früheren Firmen ein.

Höchststrafe 20 Jahre Haft
Die Vorwürfe der Ermittlungsbehörden: Shkreli soll Millionen abgezweigt haben, um Verluste bei seinen Hedgefonds auszugleichen. Die Anschuldigungen betreffen seinen früheren Job als Chef der Pharmafirma Retrophin. Geld von Anlegern, das seine Fonds in den Sand setzten, habe er sowohl mit neuen Investorengeldern als auch mit Mitteln von Retrophin ersetzt, heißt es in der Anklage. "Shkreli hat mehrere Komplotte betrieben, mit denen er Investoren in ein Netz aus Lügen und Betrug eingewoben hat", sagte Staatsanwalt Robert Capers.

Was hat Shkreli, dem schlimmstenfalls 20 Jahre Gefängnis drohen, zu seiner Verteidigung zu sagen? Das blieb am Mittwoch erst einmal unklar. "Ich weiß, er hat zuvor mit Ihnen gesprochen, aber eine der Bedingungen, unter der ich ihn vertrete, ist, dass er bis zur Klärung der strafrechtlichen Klagen mit keinen Pressevertretern mehr spricht", sagte sein neuer Verteidiger, der Staranwalt Benjamin Brafman, der bereits Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn und Rap-Star Jay Z vertrat, den Reportern. Dieses Redeverbot ist ungewöhnlich: Shkreli lässt normalerweise keine Gelegenheit aus, zu polarisieren.

Rüpel-Image
Zuletzt pflegte er sein Rüpel-Image, indem er den Rapper Ghostface Killah vom Wu-Tang Clan in einem skurrilen Video angriff. Der Musiker hatte Shkreli als "Scheißkerl" bezeichnet. Zuvor hatte der wiederum für rund 2 Mio. Dollar ein Album der Hip-Hop-Gruppe ersteigert, von dem es nur ein Exemplar gibt.

Nachdem Shkreli Ghostface gedroht hatte, seine Rap-Parts zu löschen, legte er kurz vor dem Gerichtstermin in einem Radio-Interview nach: "Wenn er jetzt hier wäre, würde ich ihm verdammt noch mal ins Gesicht schlagen." Später schob Shkreli noch hinterher: "Ich komme von der Straße".

"Der King"
Ob solche Auftritte vor Gericht helfen? Shkreli hat derzeit ohnehin wenig Glück: Sein Aktienvermögen ist seit der Verhaftung um 40 Mio. Dollar geschrumpft, wie die Staatsanwaltschaft nun offenbarte. Womöglich reicht das Geld nun nicht mehr als Sicherheit für das 5 Mio. Dollar schwere Kautionspaket aus, das ihn auf freiem Fuß hält. Doch Angst vor dem Knast hat Shkreli nach eigenen Angaben nicht. "Diese Gefängnisse sind doch wie Studentenheime", sagte er vor wenigen Tagen in einem "Vice"-Interview. In der Untersuchungshaft sei er so was wie "der King" gewesen.

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