Geschwächtes Europa

Brexit: Experte warnt vor Zerfall der EU

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Eine Spaltung Großbritanniens und Überdominanz Deutschlands sieht Bayer als mögliche Folgen.

Politisch betrachtet wäre ein Brexit "gigantisches Wasser auf die Mühlen der EU-Skeptiker", gibt Bayer zu bedenken. Die rechtsnationalen Parteien in Europa, die französische Front National, die FPÖ, die AfD in Deutschland und die Partei für die Freiheit (PVV) des Niederländers Gert Wilders würden sich schon jetzt die Hände reiben.

Der nationalistische Druck komme von rechts, ist Bayer überzeugt: In Österreich seien die einzigen wirklich EU-Feindlichen die FPÖ. Die rechten Populisten würden gerne die EU zerschlagen: "Wenn Frankreich auch noch austräte, dann ist Feuer am Dach."

Deutschlands Dominanz würde steigen

Außerdem würde sich schon mit einem Austritt der Briten das Macht- und Einflussgefüge innerhalb der EU massiv verschieben, statt drei großen Ländern - Deutschland, Frankreich und Großbritannien - würde dann Deutschlands Dominanz angesichts des geschwächten Frankreich noch stärker werden. "Ob das gut ist, dass sich ein großer deutscher Elefant draufsetzt und alles dominiert?" Bayer ortet diesbezüglich schon Angst der kleinen und kleineren Mitgliedsländer.

Die Auswirkungen eines Brexit auf die Beziehungen mit Irland seien schwer abzuschätzen, meint der Ökonom Bayer. Nach Ansicht mancher Beobachter würde dadurch sogar der nordirische Friedensprozess massiv infrage gestellt, weil dann innerhalb der irischen Insel eine EU-Außengrenze errichtet werden müsste. Republikaner in Nordirland, die einen Zusammenschluss mit Irland wollten, fühlten sich dann wohl abgeschnitten und würden vielleicht nicht mehr friedlich an einer Lösung des Konflikts mitwirken.

Großbritannien droht eine Spaltung

Auch das Vereinigte Königreich könnte in Folge eines Brexit auseinanderbrechen. Die Mehrheit der Schotten sei laut Umfragen für die Beibehaltung der EU-Mitgliedschaft. Tritt England nun aus der EU aus, würden die Schotten möglicherweise ein weiteres Referendum über ihren Austritt aus Großbritannien starten. Mit Schottland, Nordirland und Wales gebe es unterschiedliche Autonomieabkommen, die sich alle auf EU-Recht berufen würden. Wenn England nicht mehr bei der EU sei, gebe es daher verfassungsrechtliche Probleme, ob die Autonomieabkommen weiter halten würden.

Wenn in Europa der Nationalismus wieder überhandnehme, führe das im schlechtesten Fall dazu, dass die EU in 28 Staaten zerfalle, oder eine Kern-EU mit ein paar Ländern entstehe, aus der die kleineren und peripheren Länder draußen bleiben, entwirft Bayer ein Zukunftsszenario. Die Gefahr sei, dass EU-Referenden als Denkzettel gegen die eigene Regierung bzw. gegen die Globalisierung ausarten würden, dann wären die nationalistischen EU-feindlichen Kräfte schwer zu bremsen.

Die EU, wie sie bisher war, werde sich sicher weiterentwickeln müssen, meint Bayer. Auch wenn die Befürworter der EU das Referendum gewinnen sollten, werde England nicht locker lassen, um Änderungen im EU-Vertrag zu erreichen. Und auch in den anderen Ländern sei die EU-Skepsis massiv angestiegen. "Wenn man zu einer grundlegenden EU-Diskussion kommt, wäre das nicht das Schlechteste", meint der Experte. Ein völliger Zerfall der EU würde die Bedeutung Europas in der Weltpolitik und der Wirtschaftswelt minimieren - "das ist schon sehr gefährlich".

 

Video zum Thema: Kusskette gegen Brexit

 
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