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Brücken-Einsturz in Genua

Noch immer sind Menschen unter den Trümmern

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Retter suchen mit Hochdruck nach Überlebenden.

Der Einsturz einer vierspurigen Autobahnbrücke in der italienischen Hafenstadt Genua hat möglicherweise Dutzende Menschen in den Tod gerissen. Es seien mindestens 42 Menschen ums Leben gekommen, sagte der Staatsanwalt Francesco Cozzi dem Fernsehsender RaiNews 24.

Auch in der Nacht sollten die Rettungsarbeiten weitergehen. "Wir werden nicht aufhören zu suchen", sagte der Einsatzleiter des Zivilschutzes, Luigi D'Angelo. Zuvor hatte Innenminister Matteo Salvini von 30 bestätigten Toten und Verletzten in ernster Verfassung gesprochen. Elf Überlebende seien aus den Trümmern geborgen worden, hatte Bürgermeister Marco Bucci dem Fernsehsender SkyTG24 gesagt.

"Die Hoffnung stirbt nie, wir haben bereits ein Dutzend Menschen aus den Trümmern gerettet", sagte ein Vertreter der Feuerwehr, Emanuele Gissi, der Nachrichtenagentur AFP. Er kündigte an, die Helfer blieben "rund um die Uhr" im Einsatz.

Berühmte Urlaubsverbindung

Die Morandi-Brücke auf der Autobahn A10, der berühmten Urlaubsverbindung "Autostrada dei Fiori", stürzte in mehr als 40 Metern Höhe auf einem zwischen 100 und 200 Meter langen Stück ein. Nach Berichten von Zeugen wurden Autos in die Tiefe gerissen, Lastwagen stürzten in den Fluss Polcevera. Zahlreiche Fahrzeuge wurden unter herabfallenden Trümmern begraben. Nahe der Bahngleise soll sich Berichten von Ansa zufolge eine Art Krater gebildet haben, in dem die Rettungskräfte um die 30 Fahrzeuge vermuten.

Unter den Toten soll auch ein Kind sein. Der Polcevera-Viadukt, im Volksmund nach dem Architekten Riccardo Morandi auch Ponte Morandi genannt, überquert unter anderem Gleisanlagen und ein Gewerbegebiet im Westen von Genua.

Mehr als 300 Rettungskräfte waren laut Feuerwehr im Einsatz. In der Nähe der Brücke wurden nach dem Einsturz vorsichtshalber Gebäude geräumt. Es bestehe das Risiko, dass weitere Teile des Bauwerks einbrechen, berichtete Ansa unter Berufung auf Rettungskräfte. Drei Krankenhäuser in Genua wurden in Alarmbereitschaft versetzt.

"Entsetzliche Tragödie"

Verkehrsminister Danilo Toninelli sprach von einer "entsetzlichen Tragödie". Er schloss in einem Radio-Interview aus, dass Bauarbeiten an der Brücke Grund für den Einsturz seien. Vize-Regierungschef Luigi Di Maio sagte, der Staat werde alles unternehmen, um den Familien der Opfer zu helfen. Regierungschef Conte zeigte sich am Abend in Genua "tief betroffen" von der Tragödie.

Auf einem Video, das die italienische Polizei ins Internet stellte, sind die beiden Seiten der abgebrochenen Brücke zu sehen. Zwischen beiden Teilen klafft eine riesige Lücke. In einem anderen Video sind Stimmen von Menschen zu hören, die aus der Ferne den Einsturz sehen und geschockt aufschreien.

Der Einsturz dürfte weitreichende Konsequenzen haben: Die Brücke werde abgerissen und das werde einhergehen mit "schwerwiegenden Auswirkungen" auf den Verkehr und mit Problemen für die Bürger und Unternehmen, sagte der Staatssekretär im Verkehrsministerium, Edoardo Rixi.

Bauarbeiten waren im Gange 

Zum Zeitpunkt der Tragödie waren laut Betreibergesellschaft Autostrade per Italia Bauarbeiten im Gange. Wie das Unternehmen am Dienstag auf seiner Homepage mitteilte, sei an der Sohle des Polcevera-Viadukts gearbeitet worden. Auf der Brücke selber habe ein Baukran gestanden. Der Zustand der Brücke sowie der Fortgang der Renovierung seien immer wieder kontrolliert worden. Erst wenn ein gesicherter Zugang zur Unfallstelle möglich sei, könne Näheres über die Ursachen des Einsturzes gesagt werden, teilte das Unternehmen weiter mit.

Der "Viadotto Polcevera" war nach vierjähriger Bauzeit 1967 vom damaligen Staatspräsidenten Giuseppe Saragat eröffnet worden. Der Viadukt mit einer Gesamtlänge von 1182 Metern überquert ein Industriegebiet und stützt sich auf drei Betonpfeiler. Das längste Teilstück ist 210 Meter lang.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich erschüttert über den Einsturz geäußert. Er sei tief betrübt über die Katastrophe, sagte Juncker am Dienstag nach einer Mitteilung. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und andere EU-Politiker drückten ihr Mitgefühl aus. Präsident Emmanuel Macron bot der italienischen Regierung Hilfe an.

"Es hätte jeden treffen können"

Ein junger Mann namens Ismael zeigt Journalisten ein Video, das er selbst von der gerade eingestürzten Brücke gedreht hat. "Ich habe den Einsturz gesehen", wiederholt er immer wieder. Wie die meisten hier blickt auch er - meist schweigend und kopfschüttelnd - zu den Trümmern.
 
Von seinem Schlafzimmer aus habe er freien Blick auf das Viadukt gehabt - bis es mit einem lauten Knall in sich zusammen gefallen sei. "Mir war ganz schön bange, als das alles passiert ist." Auf seinem Handy zeigt er, wie das Viadukt vor wenigen Tagen ausgesehen hat.
 
"Ich bin immer wieder über die Brücke gefahren, für alles Mögliche, um meine Familie zu sehen, um zur Arbeit zu fahren", erzählt der 22 Jahre alte Dario. "Alle Genuesen sind über die Brücke gefahren. Es hätte jeden treffen können."
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