Moskau

Chodorkowski zu 13,5 Jahren Haft verurteilt

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Der Kreml-Kritiker wird vermutlich bis 2017 im Gefängnis sitzen.

Der inhaftierte Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski ist in einem international umstrittenen zweiten Prozess zu dreizehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Das meldete die Agentur Interfax am Donnerstag aus dem Gerichtssaal in Moskau.

Vorwurf des Diebstahls und der Geldwäsche
Das Moskauer Gericht verurteilte den 47-Jährigen zusammen mit seinem mitangeklagten Geschäftspartner Platon Lebedew wegen des Diebstahls von Millionen Tonnen Öl sowie Geldwäsche. Lebedew erhielt dasselbe Strafmaß.

In einem ersten Prozess waren beide bereits wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt worden, die im kommenden Jahr abgelaufen wäre.

Abgesessene Haftstrafe wird angerechnet
Die erste Strafe von acht Jahren werde auf die Haftdauer angerechnet, urteilte Richter Viktor Danilkin am Donnerstag in Moskau nach Angaben der Agentur Interfax. Damit bleibt der Gegner von Regierungschef Wladimir Putin vermutlich bis 2017 in Haft.

Chodorkowski "ungebrochen"
Russlands bekanntester Häftling ist sich nach mehr als sieben Jahren Haft im sibirischen Straflager treugeblieben. Er sei ungebrochen, wurde der Kremlkritiker Michail Chodorkowski nicht müde zu betonen. Äußerlich gelassen hatte der 47-Jährige monatelang in dem zweiten Verfahren wegen Unterschlagung und Geldwäsche in einem Moskauer Gerichtssaal in einem Käfig aus kugelsicherem Glas gesessen. Die Anschuldigungen verfolgte der in zweiter Ehe verheiratete Vater von vier Kindern meist mit einem ironischem Lächeln.

Politisch motiviertes Urteil
Das Urteil von Richter Viktor Danilkin sehen Kritiker weltweit als politisch motiviert. Regierungschef Wladimir Putin wolle seinen noch immer einflussreichen und finanzstarken Erzfeind über die Präsidentenwahl 2012 hinaus politisch kaltstellen, lautet der Vorwurf.

Vertreter des Raubtierkapitalismus
Bei seiner Festnahme 2003 war Chodorkowski im Volk als Vertreter des postsowjetischen Raubtierkapitalismus unbeliebt. Dass er in einem sibirischen Straflager gefangen gehalten wurde, entlockte vielen Russen nicht mehr als ein Schulterzucken. Doch mittlerweile ist der einst reichste Mann des Landes für viele ein Symbol für den Widerstand gegen die autoritäre Politik seines Erzfeindes Putin. Das Gesicht mit der randlosen Brille und den kurz geschorenen Haaren ziert schon längst Protestplakate.

Keine Begnadigung
Unbeugsam kündigte Chodorkowski an, er werde gegen einen Schuldspruch bis vor den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen. Eine Begnadigung durch Präsident Dmitri Medwedew lehnt er ab - denn dafür müsste Chodorkowski seine Schuld eingestehen. Stattdessen beharrt er auf seiner Unschuld. Aus dem Straflager nahe der chinesischen Grenze, wo er seine erste achtjährige Haft wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verbüßt, hat Chodorkowski in schriftlichen Interviews mit westlichen Medien immer wieder das "autoritäre System Putins" angeprangert.

Lob für Medwedew
Für den amtierenden Kremlchef Medwedew findet Chodorkowski allerdings auch immer wieder warme Worte. "Persönlich sind mir Werte und Prioritäten, wie sie Medwedew vertritt, näher und verständlicher als die Putins", sagte der Milliardär etwa im Frühling. "Medwedew versucht, das System zu reformieren."

Imperium
Rasch baute der am 26. Juni 1963 in Moskau geborene Chodorkowski nach dem Ende des Kommunismus vor 20 Jahren ein Imperium auf. Ob Handel mit Gorbatschow-Matrjoschka-Puppen, Computern oder Cognac: Der studierte Chemiker hatte riesigen Erfolg. Mit Freunden und einer randvollen Kasse gründete er schließlich eine Bank und sicherte sich für nur 300 Millionen US-Dollar (heute etwa 227 Millionen Euro) ein Kontrollpaket an Ölförderern. Daraus entstand der russische Ölkonzern Yukos, der bald zum größten im Land aufstieg. Chodorkowskis Vermögen wurde auf bis zu 15 Milliarden Dollar geschätzt.

Verhängnisvolle Einmischung in die Politik
Doch dann verstieß der Ölunternehmer gegen das ungeschriebene Gebot des Kreml: Die Machtelite lässt die Oligarchen gewähren, im Gegenzug mischen sich diese nicht in die Politik ein. Stattdessen legte sich der erfolgreiche Manager mit dem damaligen Präsidenten Putin an und finanzierte die Opposition. Zudem warf er der Führung Korruption vor und verhandelte mit US-Unternehmen über einen Einstieg bei Yukos. Warnungen schlug er in den Wind - am 25. Oktober 2003 wurde Michail Borissowitsch Chodorkowski bei einer Zwischenlandung in Nowosibirsk aus seinem Privatjet heraus festgenommen.

Merkel: "Politische Motive"

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht politische Absichten hinter dem Urteil gegen den früheren russischen Ölmagnaten. "Es bleibt der Eindruck, dass politische Motive bei diesem Verfahren eine Rolle gespielt haben", sagte Merkel am Donnerstag in Berlin. "Dies widerspricht Russlands immer wieder geäußerte Absicht, den Weg zur vollen Rechtstaatlichkeit einzuschlagen." Sie sei enttäuscht über das Urteil und das harte Strafmaß, sagte die CDU-Chefin.

Die deutsche Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bezeichnete das Urteil als "eindeutig politisch motiviert". Dass Chodorkowski "auf Jahre eingesperrt bleiben wird, erklärt sich nur dadurch, dass ein Chodorkowski in Freiheit offensichtlich von den Mächtigen in Russland als politische Konkurrenz empfunden wird", sagte die FDP-Politikerin. Es sei völlig inakzeptabel, dass Chodorkowski für den gleichen Sachverhalt noch einmal zu einer Strafe von nunmehr insgesamt 14 Jahren verurteilt worden sei.

USA: "Missbrauch des Rechtssystems"
Die USA haben die erneute Verurteilung des Kreml-Kritikers zu jahrelanger Haft als "Missbrauch" des Rechtssystems kritisiert. Außenamtssprecher Mark Toner sagte am Donnerstag in Washington, die US-Regierung sei besorgt über die Berichte über schwerwiegende Verstöße gegen rechtsstaatliche Normen während des Prozesses in Moskau. Die russische Wirtschaft werde sich nur entwickeln, wenn es auch ein unabhängiges Justizwesen gebe, betonte Toner.
 

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