Nach Vorfall in Nizza

Das sagt die Erfinderin des Burkinis zum Verbot

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Eine heiße Diskussion ist entbrannt in der sich jetzt auch die Erfinderin  zu Wort meldet.

Seit an der französischen Küste das Burkini-Verbot gilt, ist in Frankreich und in Europa eine neue alte Diskussion entbrannt. Ist dieses Verbot gerechtfertigt? Kann ein Land so etwas einführen, das für Liberté, egalité und fraternité steht? Für die französische Politik anscheinend ja. Erst gestern wurde ein Fall bekannt, der für Wirbel sorgte. Gemäß dem neuen Verbot forderten Polizisten am Strand von Nizza eine Muslima im Burkini auf, sich zu entblößen. Diese zog daraufhin ihre Sachen aus und musste obendrein noch eine Strafe von 38 Euro bezahlen.

Jetzt meldet sich Aheda Zanetti zu Wort. Sie ist die Erfinderin des Burkinis und findet die derzeitigen Entwicklungen bedenklich. „Ich habe den Burkini erfunden um Frauen Freiheit zu geben, nicht um sie ihnen wegzunehmen“, sagt sie. An Frankreich hat sie eine besondere Nachricht. „Ich wäre jetzt gerne dort, um zu sagen: Ihr habt das falsch verstanden“, erklärt sie im Interview mit „The Guardian“.

Alles begann in Cannes

Es begann im Juli mit einem Erlass der reichen Gemeinde Cannes an der französischen Riviera, der zunächst unbemerkt blieb. Inzwischen haben etwa 30 Küstenkommunen in Frankreich Ganzkörper-Badeanzüge für Musliminnen an ihren Gestaden verboten. Und das ganze Land debattiert mit erstaunlicher Härte und Ausdauer über Sinn und Unsinn solcher Regelungen.

Auch in der Regierung des sozialistischen Premiers Manuel Valls sorgt das Reizthema für Spannungen. Bildungsministerin Najat Vallaut-Belkacem meint, es sei nicht willkommen, dass es immer mehr Anti-Burkini-Verordnungen gebe. "Das ebnet den Weg für rassistische Parolen", sagte sie dem Radiosender Europe 1. Valls rief die Ressortchefin postwendend zur Ordnung und entgegnete im TV-Sender BFMTV, es handle sich nicht um eine Fehlentwicklung.

Rechte machen sich Thema zu eigen

Acht Monate vor den Präsidentenwahlen macht sich die Rechte das Thema zu eigen. Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy möchte ohnehin eine Debatte über Sicherheit und Identität der Franzosen führen, da kommt der Burkini-Streit offensichtlich ganz gelegen.

Der 61-Jährige, der 2017 wieder den Elysee-Palast zurückerobern will, plädiert bereits für ein neues Gesetz: Äußere Zeichen einer Religionszugehörigkeit sollten verboten werden, forderte der Konservative im TV-Sender TF1 mit Blick auf Schulen, Universitäten, Verwaltungen oder Unternehmen. "Man sperrt Frauen nicht hinter Tüchern ein."

Null-Toleranz gegen religiöse Symbole

Schon seit 2004 gilt in französischen Schulen eine Null-Toleranz-Linie gegen "auffällige religiöse Symbole"; Frankreich hat zudem seit fünf Jahren ein Burka-Verbot.

Kritiker fordern, die Jagd auf muslimische Frauen an den Stränden so rasch wie möglich zu beenden. Die linksliberale Zeitung "Liberation" spricht von einer "diskriminierenden Posse", die Demokraten schockiere und die Polizei in eine schwierige Lage bringe.

Für Empörung sorgten Fotos vom Strand der Mittelmeermetropole Nizza, die eine von vier städtischen Polizisten umringte Frau zeigen. Sie zieht ihre Bluse aus, es wird dabei nicht deutlich, ob sie auf Druck der Ordnungshüter oder aus eigenem Antrieb handelt.

Kritik aus dem Ausland

Deutliche Kritik kommt inzwischen auch aus dem Ausland. "Ich bin da ganz klar. Ich denke nicht, dass irgendjemand Frauen sagen sollte, was sie tragen dürfen und was nicht", sagte der neue Londoner Bürgermeister Sadiq Khan der britischen Zeitung "Evening Standard". Khan ist selbst Muslim.

Cannes und Nizza haben Burkinis an ihren Stränden verboten - Antibes liegt zwischen beiden Städten und hat bisher auf einen Bann verzichtet. "Seit dem Attentat von Nizza sind wir in einem Klima einer extremen Spannung", bilanziert Bürgermeister Jean Leonetti in der "Liberation". "In Antibes liegt der Strand in der Verlängerung der Promenade. Soll ich auf dem Sand (etwas) verbieten, was ich auf dem Asphalt erlaube?", fragt der Konservative.

Trennung von Kirche und Staat

Bürgermeister an der Riviera begründen ihre Burkini-Verbote oft mit der französischen Tradition einer strikten Trennung von Kirche und Staat, die man Laizität nennt. Sie verweisen zum Teil aber auch auf den Hintergrund der islamistischen Terroranschläge. Das Attentat eines radikalisierten Gewalttäters hatte am 14. Juli auf der Standpromenade von Nizza 86 Menschen in den Tod gerissen.

Der französische Staatsrat, das oberste Verwaltungsgericht, befasste sich am Donnerstag auf Antrag der Menschenrechtsliga mit dem Anti-Burkini-Erlass der Gemeinde Villeneuve-Loubet an der Côte d'Azur. Die Gerichts-Entscheidung, die die aufgeheizte Debatte im Land vielleicht beruhigen könnte, dürfte aber voraussichtlich noch etwas auf sich warten lassen. In Paris wird mit einigen Tagen gerechnet.

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