Terror-Miliz

Experte: "ISIS geht langsam das Geld aus"

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Politikwissenschafter Harald Müller gibt der Terror-Miliz noch maximal drei Jahre.

Wegen schrumpfenden Öleinnahmen gehe der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) langsam das Geld aus, glaubt der Politikwissenschafter Harald Müller. Dies werde dazu führen, dass es den IS als Territorialstaat in drei Jahren nicht mehr gebe, erklärte er im APA-Gespräch. Sehr wohl aber als Netzwerk, das seinen Bedeutungsverlust mit mehr Terroranschlägen auch im Westen zu kompensieren versuchen werde.

Öleinnahmen
Weiterhin würden die Öleinnahmen, neben Kriegsbeute, Steuern sowie Schutzgelderpressung, Entführungen, Menschen- und Drogenhandel den "größeren Teil" der Einnahmen des IS ausmachen, sagte Müller. Angesichts der massiven Luftangriffe auf Erdölfelder, Raffinerien und Transportwege sowie des weltweiten Ölpreisverfalles hätten diese jedoch zuletzt "stark nachgelassen".

Als Konsequenz hätte der "Islamische Staat" den Sold für seine Kämpfer ebenso reduzieren müssen, wie die Unterstützung für deren Familien und in manchen Gebieten gebe es keine Wasser- und Stromversorgung mehr. Resultat sei eine höhere Zahl an Deserteuren, aber auch an fliehenden Zivilisten, so Müller. "Weil man auf dem Gebiet des IS einfach nicht mehr ordentlich leben kann." Die Frage sei nun, ob sich diese Fluchtbewegung "zu einer Lawine entwickelt", erklärt der Politikwissenschafter. "Wenn es eine Lawine ist, dann beschleunigt das natürlich den Herrschaftszerfall."

Sold wichtiger als Ideologie
Anders als bei europäischen Jihadisten sei für Kämpfer aus ärmeren Ländern zudem oft der Sold wichtiger als die ideologische Anziehungskraft der Terrormiliz, betonte Müller. Womit der IS auch ein Rekrutierungsproblem bekommen könnte, seien Schätzungen zufolge doch 15.000 bis 18.000 seiner Kämpfer aus der Region rund um Syrien, Afghanistan, dem Kaukasus und Nordafrika.

Generell glaubt Müller nicht, dass der IS als "Territorialstaat" in Syrien und dem Irak "länger als drei Jahre durchhalten" wird. In Form eines Terror-Netzwerkes werde die "Organisation aber leider noch eine längere Lebensdauer" haben und wie auch die Al-Kaida nur schwer vollständig zu besiegen sein. Dadurch werde "zunächst einmal die Zahl der Anschläge steigen", auch in westlichen Staaten. Denn der IS müsse die militärischen Niederlagen und "das Schrumpfen der Herrschaft irgendwie kompensieren - und das kann nur mit Gewalt erfolgen".

Schmuggel

Im Kampf gegen die Terrormiliz sieht der Politikwissenschafter neben einer Fortsetzung der von den USA angeführten Luftangriffen auf die Öl-Infrastruktur vor allem die Türkei und die Nachrichtendienste gefordert. "Hier müssen die Geheimdienste gemeinsam mit Soldaten, mit der Polizei, vielleicht auch mit Experten aus dem Finanzsektor ihre Arbeit machen", um grenzüberschreitende Finanzflüsse - etwa, um im Ausland Waffen zu kaufen - aufzudecken, fordert er.

Was den Schmuggel von Öl aus Syrien und dem Irak in die Türkei betrifft, wo es von Schwarzhändlern aufgekauft, gewaschen und über freie Raffinerien auf den regulären Markt gebracht wird, fordert Müller weitere Anstrengungen von der türkischen Regierung. Hier gebe es zwar schon Bewegung, weshalb auch die Menge des geschmuggelten Öls gesunken sei, sagt er. Aber "größere Anstrengungen wären möglich", nur habe der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit dem Kampf gegen die Kurden-Minderheit eben "andere Prioritäten, wo er sein Militär einsetzt".

Panama Papers
Dass sich auch der "Islamische Staat" seine Finanztransaktionen mithilfe mehrere Briefkastenfirmen versteckt über das reguläre Bankensystem abwickelt, wie es die "Panama Papers" zuletzt für das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und dessen Umgehung internationaler Sanktionen gezeigt haben, glaubt der Politikwissenschafter eher nicht. Vielmehr würden dieselben IS-Kämpfer, die das Öl in die Türkei schmuggelten, mit Koffern voller Geld wieder zurück über die Grenze fahren. Selbst für türkische Banken, wäre das Risiko nämlich "sehr, sehr groß, wenn einen der CIA erwischt".

Harald Müller ist Mitglied der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. In Wien war er auf Einladung der Wiener Privatbank Gutmann, wo er am Mittwochabend einen Vortrag über die Terrormiliz "Islamischer Staat" hielt.
 

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