Nach Lampedusa-Unglück

Flüchtling: "Ich überlebte die Horror-Flucht"

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Ein Überlebender erzählt von den Gefahren einer Mittelmeer-Überfahrt. 

Erneut Lampedusa, erneut Dutzende Tote. Nach dem zweiten Schiffsunglück vor der sizilianischen Küste binnen einer Woche ist Europa im Schock. Dieses Mal sind mindestens 50 Tote, darunter 10 Kinder, zu beklagen.

125 Menschen fuhren auf 
einem Sechs-Mann-Boot
ÖSTERREICH traf einen Mann, der wie die Lampedusa-Flüchtlinge auf einem Boot nach Europa flüchtete. Der 17-jährige Mohammed aus Afghanistan überlebte und schildert, wie das Geschäft mit der Hoffnung funktioniert:

  • 11.000 Dollar Kosten: Mohammed zahlte mehreren Schleppern 11.000 US-Dollar (8.120 Euro) für die Flucht. Er verließ seine ganze Familie.
  • 125 Flüchtlinge auf 6-Mann-Boot: Nach einem Fußmarsch in die Türkei wartet er sechs Wochen, bis das Schiff nach Italien startet. Aber: Auf dem 6-Mann-Boot sind 125 Flüchtlinge. Vier Tage ohne Essen, ohne Trinken, ohne Toilette.
  • Risiko Überfahrt: Doch plötzlich der Schock. Der Motor streikt, Wasser dringt ins Boot. „Ich dachte, das ist mein letzter Tag“, sagt Mohammed.
  • Prügel in Haft: Mit Glück gelingt es, auf einer griechischen Insel zu stranden. Doch Mohammed wird in Athen als Illegaler verhaftet, dort prügeln ihn Polizisten.
  • Drei Monate Tortur: Nach fast 100 Tagen Flucht schafft er es nach Österreich. Jetzt lebt er im Caritas-Heim in NÖ und ist in Sicherheit.

 

Mohammad (17): "Ich hatte Angst, zu sterben"

ÖSTERREICH: Wie die Flüchtlinge in Lampedusa sind Sie auch auf einem Boot nach Europa geflüchtet …...
Mohammed:
Ich bin aus Afghanistan, lebte dann im Iran, aber ohne Arbeitsbewilligung. Ein Freund erzählte, wie toll Europa ist. Deshalb habe ich mich zur Flucht entschlossen. Mein Bruder sagte damals: „Geh, wenn du keine Angst hast.“

ÖSTERREICH: Wer hat Ihre Flucht organisiert?
Mohammed: Es waren mehrere Schlepper, ich zahlte 11.000 US-Dollar. Die Flucht dauerte drei Monate. Mehrere Schlepper haben unsere Route nach Europa organisiert. Zuerst ging ich zu Fuß in eine türkische Grenzstadt. Dort  musste ich wochenlang Wochen warten, bis Platz auf einem Boot nach Italien frei war.

ÖSTERREICH: Was haben Sie auf diesem Boot erlebt?
Mohammed: Es war ein Motorboot für sechs Personen. Doch es war überfüllt. Wir waren rund 125 Menschen, auch Frauen , Männer und Kinder. Wir waren vier4 Tage lang auf dem Wasser, ohne Essen, ohne Trinken, ohne Toilette. Wir lagen auf dem Boden, hungrig und müde. Plötzlich hatten wir eine Panne …

ÖSTERREICH: Was ist passiert?
Mohammed: Mitten in der Nacht war der Motor kaputt. Wasser drang ins Boot. Alle weinten. Wir riefen die griechische Küstenwache zur Hilfe, doch sie halfen uns nicht. Ich dachte, das ist der letzte Tag in meinem Leben. Ich hatte Angst, zu sterben.

ÖSTERREICH: Wie wurden Sie dann gerettet?
Mohammed: Der Schlepper reparierte den Motor, wir schaufelten das Wasser aus dem Boot. Wir schafften es auf eine griechische Insel und später nach Athen. Doch dort wurde ich als illegaler Flüchtling verhaftet.

ÖSTERREICH: Wie waren die Zustände im Gefängnis?
Mohammed: Es war brutal. Wir schliefen am Boden und die Polizei prügelte mich. Per Lkw ging es weiter. Als ich ausstieg, wusste ich gar nicht, dass ich in Österreich bin.

ÖSTERREICH: Sie sind alleine hier. Vermissen Sie Ihre Familie?
Mohammed: Es ist hart, lange Zeit hatte ich keinen Kontakt. Jetzt telefonieren wir ab und zu. Mir geht es gut, ich lerne hier Deutsch und will Schweißer werden.

ÖSTERREICH: Wissen Sie, was in Lampedusa passierte?
Mohammed: Ja, ich sah es im TV. Es erinnert mich an meine Flucht. Ich würde es aber heute noch einmal probieren.

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