CARE-Mitarbeiter:

"Flüchtlinge sollte man nicht an ihre Grenzen treiben"

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Jordanischer CARE-Mitarbeiter schildert Leben in Flüchtlingslager.

Die schlechte wirtschaftliche Situation in Jordanien macht auch die Lage der syrischen Flüchtlinge dort immer schwieriger. "Flüchtlinge sollte man nicht an ihre Grenzen treiben", warnt der Flüchtlingshelfer Jameel Dababneh im Gespräch mit der APA in Wien. Dessen sollte sich die internationale Gemeinschaft bewusst sein, betont der Mitarbeiter der Hilfsorganisation CARE.

"Fackel der Hoffnung"

"Es geht um Hoffnung, Stabilität, Ressourcen, eine Zukunft", unterstreicht der Jordanier, der seit 2013 im Flüchtlingscamp Azraq tätig ist, wo derzeit 55.000 Syrer leben. "Flüchtlinge - ja, alle Menschen - folgen ihren Bedürfnissen." Ein Flüchtling, der ein "Todesboot" über das Mittelmeer besteigt, "ist dabei sicher nicht glücklich". Vielmehr brauche er eine Perspektive, "eine Fackel der Hoffnung", wie der Helfer formuliert.

Dabei sollte die internationale Gemeinschaft aber auch die Unterstützung der jordanischen Bevölkerung nicht vergessen, etwa indem in die jordanische Wirtschaft investiert und Jobs geschaffen werden. Der CARE-Mitarbeiter verweist darauf, dass syrische Flüchtlinge nach jordanischen Angaben bereits 14 Prozent der Bevölkerung des Zehn-Millionen-Landes ausmachen und die Jordanier die Ressourcen des Landes - Dababneh verweist insbesondere auf das knappe Wasser in dem großteils aus Wüste bestehenden Binnenstaat - mit ihnen teilen müssen. "Bisher gibt es noch keinen Konflikt zwischen Jordaniern und syrischen Flüchtlingen. Aber wenn es keine schnelle Antwort (auf die Probleme) gibt, kann man nicht davon ausgehen, dass diese friedliche Beziehung von Dauer sein wird."

Schlimme Zustände

Dababneh schildert im APA-Gespräch ausführlich die Zustände in dem nordostjordanischen Lager Azraq, das inmitten der Wüste liegt, 27 Kilometer von der nächsten Siedlung entfernt. "Mehr als 50 Prozent der Lagerbewohner sind Kinder. Mehr als 40 Prozent sind Frauen, die gleichzeitig Familienoberhäupter sind", also ihre Kinder ohne Mann betreuen müssen, berichtet er.

Die Menschen leben in 24 Quadratmeter großen Hütten; auf zwölf dieser Wohneinheiten kommen je ein Waschraum für Frauen und einer für Männer, die gleichzeitig auch als Toiletten dienen. In diesen Nassräumen gibt es kein fließendes Wasser: Vielmehr hat nur jeder "Block", der jeweils bis zu 1.000 Personen beherbergt, einen einzigen Wasserhahn. Für Nahrungsmittel erhalten die Menschen vom Welternährungsprogramm (WFP) rund einen Dollar am Tag: Die Preise in dem einzigen Geschäft des Lagers seien jedoch "so hoch wie in Wien", so Dababneh.

"Wir sind das Öl im Leben des Lagers"

CARE, eine Partnerorganisation der österreichischen staatlichen Entwicklungshilfeagentur ADA (Austrian Development Agency), hat in dem Camp die Aufgabe, die sozialen Verbindungen zu stärken und als Ansprechpartner für die Flüchtlinge zu agieren. "Wir sind das Öl im Leben des Lagers." Dabei hören sie auf die Bedürfnisse der Bewohner und bringen Angebot und Nachfrage aller Art zusammen. "Wenn etwa die Tür der Hütte einer jungen Mutter beschädigt ist, kann sie vielleicht gar nicht schlafen, weil sie Angst hat, dass ihre Kinder in der Nacht fortspazieren", schildert er. "Dann kommt sie zu uns, und wir vermitteln ihr jemanden, der ihre Tür repariert." Dabei würden sowohl Dienstleister von außen als auch geschulte Flüchtlinge eingesetzt.

Bei CARE können sich Lagerbewohner mit Fachkenntnissen registrieren lassen, die dann Jobs übernehmen, etwa im Spital, in den Schulen, bei Reparaturen oder der Reinigung. "Langfristig möchten wir die Organisationsaufgaben ebenfalls den Flüchtlingen übertragen." Außerdem gibt es berufliche Schulungen und sogar E-learning-Programme, bei denen die Interessierten über die Online-Bildungsplattformen internationaler Universitäten Zertifikate erwerben können.

Überhaupt ist es ein großes Anliegen der Helfer, die Menschen sinnvoll zu beschäftigen. "Wir müssen die Menschen daran hindern, in negativer Weise mit ihrer Situation umzugehen, etwa durch Gewalt, Prostitution, Depression...", betont Dababneh. "Unser Hauptfeind ist das Nichtstun."

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