Chaos befürchtet

Flüchtlings-Stau in Griechenland

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Der Migrationsminister warnt vor einer "humanitären Krise".

In Griechenland wächst angesichts der Tatsache, dass immer mehr Staaten entlang der sogenannten Balkanroute ihre Grenzen dichtmachen, die Sorge vor einem Rückstau an Migranten. Seit Montag sind 9.000 Flüchtlinge an Bord von Fähren in Piräus angekommen. Am späten Mittwochabend wurden weitere 2.000 erwartet. Und allein auf der Insel Lesbos warteten knapp 3.000 Migranten auf die nächste Fähre zum Festland.

"Riesiges Migrantenlager"
Auch an der Grenze zu Mazedonien harrten am Mittwoch mindestens 4.000 Menschen aus. Die mazedonischen Grenzpolizisten erlauben nur kleineren Gruppen von Flüchtlingen die Einreise, wie Mitarbeiter humanitärer Organisationen berichteten. Um die Mittagszeit wurde die Grenze vorübergehend für mehr als drei Stunden komplett geschlossen. Der griechische Migrationsminister Yiannis Mouzalas kritisierte das Vorgehen in Mazedonien. Es sei skandalös, dass fünf Polizeichefs die Entscheidung von EU-Ministern aushebeln könnten, sagte Mouzalas der Nachrichtenagentur Reuters. Vergangene Woche hatten sich mehrere Staaten dafür ausgesprochen, Mazedonien bei der Sicherung seiner Grenzen behilflich sein zu wollen - darunter auch Österreich.

"Griechenland wird in ein riesiges Migrantenlager verwandelt", schrieb das Nachrichtenportal "To Proto Thema". Das Land werde mit dem Zustrom der Migranten nicht fertig, warnte die konservative Zeitung "Kathimerini". Mouzalas hat die Griechen in den vergangenen Tagen darauf vorbereitet. "Bis zu 70.000 Menschen könnten hier stecken bleiben", sagte er wiederholt und warnte am Mittwoch vor einer "kleinen humanitären Krise". Bereits am Dienstag drückten EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos und die niederländische Ratspräsidentschaft ihre Sorge über eine humanitäre Krise angesichts der Flüchtlinge auf der sogenannten Balkanroute aus.

Chaos abwenden
Die Regierung in Athen versucht indes, das drohende Chaos abzuwenden. Im Hau-Ruck-Verfahren wurde in der Früh ein neues Aufnahmelager nahe Thessaloniki in Betrieb genommen. Migranten sollen in verlassenen Kasernen untergebracht werden, Bürgermeister öffneten Sporthallen. Am zentralen Viktoria-Platz von Athen verbrachten hunderte Migranten die Nacht im Freien. Einwohner ließen die Flüchtlinge in den Treppenhäusern Schutz suchen, als es am Vormittag anfing zu regnen. Viele Bürger verteilten Essen und warme Getränke.

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras beschwerte sich unterdessen bei der deutschen Kanzlerin Angela Merkel über das Verhalten einiger EU-Länder - ohne diese konkret zu benennen. Er habe seinen tiefen Unmut darüber zum Ausdruck gebracht, dass sich einige Staaten nicht an Abmachungen hielten, erklärte das Büro des griechischen Regierungschefs. Tsipras sei mit Merkel übereingekommen, die Bemühungen zur Umsetzung von EU-Vereinbarungen und zur Unterstützung Griechenlands zu verstärken. Auch solle der NATO-Einsatz gegen Schlepperbanden in der Ägäis umgehend gestartet werden, um den Flüchtlingszustrom zu bremsen. Die Regierung in Athen hatte bereits zuvor die Balkanstaaten für ihre Verschärfung von Einreisebestimmungen kritisiert.

Durchreise
Kaum ein Migrant will in Griechenland bleiben: Die meisten wollen nach Norden, insbesondere nach Österreich, Deutschland oder Schweden. Einige Afghanen sagten, sie überlegen, über Albanien weiterzureisen.

Der Leiter der griechischen Sektion der Internationalen Migrationsorganisation (IOM), Daniel Esdras, sagte dem Nachrichtensender Skai: "Diese Menschen werden den alten Weg über die Häfen von Patras und Igoumenitsa nehmen." Von diesen westgriechischen Häfen aus seien früher Flüchtlinge Richtung Italien aufgebrochen.

Bauern-Proteste
Auch entlang der Fernstraße zwischen Athen und Thessaloniki harren Migranten aus. Griechische Bauern blockieren aus Protest gegen neue Steuern und höhere Rentenbeiträge die wichtige Autostraße E-75 und lassen niemanden durch. Hunderte Migranten mussten die Nacht in Bussen verbringen. "Wir wollen los", skandierten verzweifelte Migranten - darunter auch viele sichtlich erschöpfte und kranke Kinder -, wie das griechische Fernsehen zeigte.

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