Knallharte Fronten

Gesundheitsreform Obamas als Totgeburt?

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Zu verhärtet scheinen die Fronten, zu weit entfernt Positionen und Philosophie.

Die Frage der Sitzordnung war noch das einfachste Problem. Als das Weiße Haus für den "Gesundheitsgipfel" die Tische im Blair House U-förmig aufstellen wollte, mit dem Platz an der Kopfseite für Präsident Barack Obama reserviert, hagelte es Proteste der Republikaner. Auf "gleiche Augenhöhe" pochten sie. Der Gastgeber lenkte ein und entschied sich für ein Rund. Das dürfte es aber auch schon gewesen sein, wenn es in der inzwischen ein Jahr alten Debatte um die Gesundheitsreform um Kompromisse geht. Es "könnte zum reinen Theater werden", meinte selbst Vizepräsident Joe Biden zum live übertragenen Parteien-Duell vom Donnerstag.

Keine Grundlage
Zu verhärtet scheinen die Fronten, zu weit entfernt Positionen und Philosophie. Es krankt schon an der absoluten Grundlage jeder Verhandlung - dass nämlich beide Seiten davon ausgehen, dass ein Kompromiss besser ist als ein Scheitern von Gesprächen. "Das existiert hier nicht", befindet das "Wall Street Journal" knallhart. Die Republikaner hätten überhaupt kein Problem damit, die Demokraten im eigenen Saft schmoren zu lassen. Gerade "eine Hand voll schrittweiser Vorschläge" bringen sie dem Blatt zufolge mit.

Dazu kommt: Was beide Seiten unter Kompromiss verstehen, gehe völlig auseinander. Während die Demokraten an den bereits in Repräsentantenhaus und Senat verabschiedeten Entwürfen noch ein wenig herumfeilen wollen, halten die Konservativen es für das Beste, alles bisher erreichte über Bord zu kippen. "Ich sehe das nicht als Verhandlung", meinte Eric Cantor, zweithöchster Republikaner im Repräsentantenhaus, entsprechend zum "Gesundheitsgipfel" vom Donnerstag. "Ich will herausfinden, ob der Präsident reinen Tisch machen und von vorne anfangen will." Nach dem Wunsch nach einer schnellen Einigung, nach Fortschritt klingt das freilich nicht.

Gesetzesentwurf abgeschmettert
Schon stellt sich die Obama-Regierung, die nach Meinung von Kritikern die auch untereinander zerstrittenen Parteien im Kongress viel zu lange an der Reform hat alleine herumwursteln lassen, anscheinend auf ein Rückzugsgefecht ein. Erst nach einem Jahr öffentlicher Debatte legte das Weiße Haus am Montag einen eigenen, konkreten Gesetzentwurf vor - nur um mit Verve von den zunehmend selbstbewussten Republikanern abgeschmettert zu werden.

Der wachsende Frust der Amerikaner angesichts hoher Arbeitslosigkeit und schleppender Konjunkturerholung treibt der populistischen, konservativen "Tea-Party"-Bewegung Anhänger zu. Lieber sähen sie es, der Präsident kümmere sich um Jobs als um das sieche Gesundheitssystem: Nach einer Umfrage des US-Senders CBS und der "New York Times" vom Monatsanfang halten 52 Prozent die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage für das drängendste Problem des Landes, nur 13 Prozent die Gesundheitsreform. Dazu kommt das Wahldebakel von Massachusetts, bei dem die Demokraten ihre "Super-Mehrheit" von 60 Stimmen im Senat einbüßten, die sie brauchen, um die Blockadepolitik der Republikaner zu brechen.

"Plan-B Obama"
Nun scheint sich das Weiße Haus darauf einzustellen, notfalls auch mit dem Spatz in der Hand zu leben. Das "Wall Street Journal" berichtete am Donnerstag von einem "Plan-B" Obamas, einer Rückfall-Position, die mit der zuerst angepeilten, umfassenden Reform nur noch annähernd zu tun hat. Danach soll der Versicherungsschutz auf nur noch 15 Millionen Amerikaner ausgeweitet werden, also etwa die Hälfte der bislang angestrebten Zahl. Die Kosten werden auf etwa ein Viertel des 950 Milliarden Dollar (704 Milliarden Euro) teuren Vorschlages des Weißen Hauses vom Montag beziffert. Obama steht bei den Amerikanern im Wort: Er sei nicht der erste Präsident, der sich des Themas annehme, sagte er im September in einer richtungweisenden Rede vor dem Kongress. "Aber ich bin entschlossen, der letzte zu sein."

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