Überraschung

Deutscher BP Köhler tritt zurück

Teilen

Er trat wegen Kritik an seinen Äußerungen zum Afganistan-Einsatz zurück.

Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler ist am Montag völlig überraschend zurückgetreten. Der seit 2004 amtierende Köhler begründete seinen Schritt in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in seinem Amtssitz in Schloss Bellevue mit der harten Kritik, die ihm in den vergangenen Wochen wegen seiner Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr entgegengeschlagen sei. "Ich bedauere, dass meine Äußerung in einer für unsere Nation wichtigen und schwierigen Frage zu Missverständnissen führen konnte", sagte Köhler, der in Begleitung seiner Frau Eva-Luise vor die Kameras getreten war.

Köhlers Rücktritts-Rede

Die Kritik sei zum Teil so weit gegangen, ihm zu unterstellen, er befürworte Einsätze der Bundeswehr, die nicht vom Grundgesetz gedeckt wären. "Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung, sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen", sagte der sichtlich bewegte Präsident. "Ich erkläre hiermit meinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten mit sofortiger Wirkung."

Lesen Sie hier die ersten Reaktionen deutscher Politiker!

Merkel wollte Köhler umstimmen
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler tief bedauert. Köhler habe sie zu Mittag angerufen. Sie habe noch versucht, ihn umzustimmen. "Das ist leider nicht gelungen", sagte Merkel am Montag in Berlin. Sie bedauere die Entscheidung "aufs Allerhärteste". Köhler sei in der Wirtschafts- und Finanzkrise ein wichtiger Ratgeber gewesen.

"Ich glaube, dass die Menschen in Deutschland sehr traurig sein werden über den Rücktritt", sagte Merkel. Sie habe mit Köhler immer gut zusammengearbeitet. Er sei ihr ein wichtiger Ratgeber gewesen. Köhler habe "wichtige Arbeit für Deutschland" geleistet und das Ansehen des Landes gestärkt. Es bleibe "ein tiefes Bedauern über diesen Schritt", aber es gelte, ihn zu respektieren, sagte Merkel.

Tränen in den Augen
Köhler bedankte sich bei jenen, die ihm Vertrauen entgegengebracht hätten. "Es war mir eine Ehre, Deutschland als Bundespräsident zu dienen", sagte Köhler zum Abschluss sichtlich berührt und mit Tränen in den Augen.

Fischer betont Wertschätzung
Bundespräsident Heinz Fischer hat den Rücktritt seines deutschen Amtskollegen Horst Köhler - "den ich nicht zu kommentieren habe" - zum Anlass genommen, um "große Wertschätzung und freundschaftliche Verbundenheit" mit dem deutschen Bundespräsidenten zum Ausdruck zu bringen.

"Unsere Zusammenarbeit war sehr intensiv, freundschaftlich, vertrauensvoll und nützlich, und es wird mir eine große Ehre sein, mit Horst Köhler und seiner Gattin Eva auch weiterhin in guter Verbindung zu bleiben", erklärte der Bundespräsident.

Böhrnsen übernimmt
Verfassungsgemäß übernehme der Präsident des Bundesrates zunächst seine Funktionen, sagte Köhler. Das ist der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen. Köhler sagte, er habe Böhrnsen, die Bundeskanzlerin, den Bundestagspräsidenten, den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und den Vizekanzler bereits von seinem Schritt unterrichtet. Die Bundesversammlung muss nun binnen 30 Tagen zusammentreten, um ein neues Staatsoberhaupt zu bestimmen.

Umstrittene Aussagen
Köhler hatte in einem Deutschlandradio-Interview nach seinem Besuch in Afghanistan erklärt, im Notfall sei auch "militärischer Einsatz notwendig ..., um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege". Das war im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz verstanden worden, um den es in dem Interview hauptsächlich ging. Ein Sprecher Köhlers präzisierte aber später, es sei auf die Mission "Atalanta" am Horn von Afrika gemünzt gewesen. Diese werde ausdrücklich auch mit der Sicherung der Handelswege begründet, während es in Afghanistan um ein UNO-Mandat geht.

Hier das Skandal-Interview mit Horst Köhler:

Linke, Grüne und SPD hatten am Freitag eine Klarstellung gefordert, ob Köhler wirklich Kriege zur Wahrung deutscher Wirtschaftsinteressen befürworte. Linke-Chef Klaus Ernst forderte, das Staatsoberhaupt solle seine weiter unklare Haltung in einer Rede an die Nation darlegen. Die Grünen forderten eine Korrektur Köhlers, und die SPD sprach von einem "abwegigen" Diskussionsbeitrag.

Nicht der erste BP-Rücktritt
Entgegen ersten Meldungen ist Horst Köhler bereits der zweite deutsche Bundespräsident, der vor Ende seiner Amtszeit zurückgetreten ist. Im Jahr 1969 war es der damalige Amtsinhaber Heinrich Lübke, der drei Monate vor Ablauf der zweiten Wahlperiode sein Amt niederlegte. Lübke war am 15. September 1959 gewählt worden.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.