Entführung bestätigt

ISIS-Drama um Familienvater aus Linz

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Stunden des Horrors für eine Familie aus Linz: Sie bangt um das Leben von Öl-Manager Dalibor S.(39) in Libyen.

Die Hoffnung schwindet. Mit jeder Stunde. Doch keiner gibt auf : Alle kämpfen für Dalibor S. (39), zweifacher Familienvater aus Linz. Das österreichische Außenamt hat einen Krisenstab eingerichtet. Die Chefs der Linzer Firma VAOS, für die er arbeitete, halten Kontakt zu libyschen Mittelsmännern – ohne Erfolg. Seit Freitagmittag fehlt jedes Lebenszeichen vom 39-Jährigen. Noch um 12 Uhr telefonierte er mit seiner Familie in Oberösterreich. Alles war o. k. Eine Woche zuvor war er daheim in Linz, schloss seine Kinder in die Arme. Dann flog er zurück.

VIDEO: ÖSTERREICH-Reporter Karl Wendl über das Geiseldrama


Nur zwei Stunden nach seinem letzten Telefonat mit seiner Familie wurde das Camp von ISIS-Terroristen gestürmt. Die Killer liquidierten elf libysche Sicherheitsmänner, köpften drei. Sonntagmittag hieß es, dass der Österreicher gemeinsam mit einem Tschechen und einem Dutzend anderer Öl-Arbeiter von den Philippinen, Bangladesch und dem Sudan verschleppt wurde . Entführt von ISIS-Mördern: „Die Attacke dürfte von ISIS-Terroristen erfolgt sein “, bestätigte Michael Linhart, Chef des Krisenstabs, gegenüber ÖSTERREICH. Am Montag dann die Gewissheit: Der Linzer befindet sich in der Hand der ISIS.

Außenamt bestätigt Entführung
Der 39-jährige Oberösterreicher, der nach einem Angriff der jihadistischen Organisation "Islamischer Staat" (IS) auf ein Ölfeld in Libyen mit mehreren anderen Personen vermisst wird, ist in der Hand der IS-Terroristen. Das bestätigte das Außenministerium der APA am Montag.

"Es liegen nunmehr gesicherte Informationen vor, dass sich die Gruppe von Ausländern, die sich auf dem Ölfeld al-Ghani befand, als dieses am 6. März von IS-Terroristen angegriffen wurde, in den Händen der IS-Terroristen befinden", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. "Zu dem Zeitpunkt, als die Gruppe mit mehreren Fahrzeugen von dem Ölfeld in Richtung Norden abtransportiert wurde, waren die Mitglieder dieser Gruppe unverletzt." Über den derzeitigen Aufenthalt der Gruppe gebe es keine gesicherten Informationen.

Die massiven Probleme für den Austro-Krisenstab:

  • ISIS hat keinen Ansprechpartner. Recherche vor Ort ist beinahe unmöglich.
  • Meist agieren die Milizen in kleinen Gruppen, nehmen keine Gefangenen.
  • Die Austro-Botschaft ist seit dem ISIS-Vormarsch in Libyen unbesetzt. Der Botschafter sitzt in Djerba im benachbarten Tunesien.

Risiko-Job in der Wüste: Mit 116 Mann im Camp
Daribor S. war Generalmanager des Öl-Camps Al-Ghani in Zentrallibyen, 180 Kilometer von der Mittelmeerküste entfernt. Sein Job: Koordination der gesamten Infrastruktur in dem Containerdorf auf dem Ölfeld. Unter seiner Führung standen 116 Mitarbeiter aus 13 Nationen.

Der Linzer, ein Österreicher mit serbischen Wurzeln, ist ein erfahrener Mann: Ex-Bundesheer-Unteroffizier, 2011 wechselte er zur Linzer Firma VAOS, die seit mehr als zwei Jahrzehnten in Libyen tätig ist. Dutzende Ölfelder werden von VAOS betreut, darunter auch das große Al-Ghani-Camp.

Johann Tomek, Chef der Firma, sagte zu ÖSTERREICH: „Wir haben keinerlei Informationen, ob und wer verschleppt worden ist.“ Schon vor drei Monaten wurden aus Öl-Camps in diesem schwer umkämpfen Gebiet Dutzende Arbeiter von ISIS-Milizen entführt. Die Männer sind bis heute verschwunden. Sie sind vermutlich tot, ihre Leichen wurden aber nie gefunden.

K. Wendl, J. Prüller, (APA)

Chef des Krisenstabs im Interview: Linhart: "Weder ein Lebenszeichen noch ein Todesbeweis"

ÖSTERREICH: Was weiß das Außenamt im Moment über den vermissten Oberösterreicher Dalibor S. (39)?
Michael Linhart: Es gibt derzeit von dieser Gruppe von Ausländern weder ein Lebenszeichen noch einen Todesbeweis.

ÖSTERREICH: Wer steckt Ihrer Meinung nach hinter dem Anschlag auf das Ölfeld?
Linhart: Die Attacke auf das Ölfeld dürfte durch eine Gruppe von IS-Terroristen erfolgt sein, die aus der Gegend von Sirte stammen. Die IS-Terroristen aus Sirte waren bekanntlich in der Vergangenheit unter anderem auch für die brutale Hinrichtung einer Gruppe von koptischen Christen verantwortlich.

ÖSTERREICH: Was wird derzeit von Österreichs Behörden unternommen?
Linhart: Das Außenministerium ist mit allen betroffenen Staaten sowie mit den libyschen Behörden in engem Kontakt. Mit unseren tschechischen Kollegen stimmen wir uns eng ab, ein tschechischer Experte wurde auch in die Beratungen des österreichischen Krisenstabes eingebunden.

ÖSTERREICH: Was versuchen die Behörden noch?
Linhart: Darüber hinaus halten wir engsten Kontakt mit anderen befreundeten Staaten und Institutionen, die in dieser Region über besondere Expertise verfügen.

ÖSTERREICH: Seit wann ist dieser Fall bekannt?
Linhart: Österreich wurde am Freitagabend von dieser Situation in Kenntnis gesetzt. Außenminister Sebastian Kurz hat umgehend einen Krisenstab unter meiner Leitung eingesetzt und seine Amtskollegen aus den betroffenen Staaten informiert. Er ist mit ihnen seither laufend in Kontakt.

ÖSTERREICH-
Reporter in der Todes-Wüste

Todeszone – die elf Ölfelder südlich von Brega und Ras Lanuf. Herzstück der libyschen Ölindustrie. Container-Dörfer im staubigen Nichts.

Ich war dort
Im Frühjahr 2011. Diktator Muammar Gaddafi stand kurz vor dem Fall. Erbittert wurde gekämpft. Ich sah, wie Rebellen einen Gaddafi-Jet abschossen.

Sie holten die Piloten aus ihrem Wrack, schnitten ihnen die Köpfe ab: „Allahu akbar“, riefen sie, „Gott ist groß.“ Stolz streckten sie die Köpfe vor meine Kamera : „Film das.“
Ich hielt das Köpfen für die Einzeltat von Psychopathen. Heute weiß ich: Grausamkeit ist die Waffe der ISIS-Fanatiker. Und die meisten Rebellen haben sich heute dem libyschen Anleger der ISIS angeschlossen.

VAOS-Chef: "Letzter Österreicher in Libyen"
Auch das Österreicher-Camp Al-Ghani lag an der Frontlinie in der Wüste: eine staubige Piste, Ölpumpen, Schlaf-Container, ein Restaurant, Aufenthaltsräume. Sonst nichts.

Die Linzer VAOS war schon damals in Zentral­libyen . 1.200 Mitarbeiter hatte die Firma. VAOS-Chef Johann Tomek harrte bis zum Sturz von Gaddafi vor Ort aus: „Ich bin der letzte Österreicher im Land“, sagte er zu mir.

Nach dem Sturz des Diktators kehrte VAOS nach Libyen zurück. Man half beim Wiederaufbau der Öl-Industrie. Bis die ISIS-Barbaren auftauchten.

 

VIDEO: Dutzende Tote bei Anschlag auf IS-Raffinerie

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