Horror im Marinepark

"Ich sah die Wal-Trainerin sterben"

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Eine Zeugin erzählt, wie Killerwal Tilly seine Lieblings-Trainerin in Floridas „SeaWorld“ grausam zerfleischte.

Nie wird sie den Augenblick des Horrors vergessen: Der riesige Wal, der mit einer Trainerin im Maul durchs Wasser raste, sie so heftig und gewaltsam herumschleuderte, dass Arme und Kopf wie unter Stromstößen zuckten. Victoria Biniak wurde Augenzeugin einer Tragödie, die die Welt erschütterte: Killerwal Tilikum hatte seine Trainerin Dawn Brancheau (40) in einem Ausbruch an Tötungsin­stinkt zerfleischt.

Momente davor stand die Zeugin mit ihrer fünfjährigen Tochter Elise hinter einer Beckenglaswand – und genoss einen fröhlichen Tag im Marinepark SeaWorld in Orlando, erzählte sie ÖSTERREICH. Sie bestaunten „Tilly“, wie der 5,4 Tonnen schwere, 30 Jahre alte Star des Parks liebevoll gerufen wird.

Warnungen ignoriert.
Dabei hatte der Wal eine Vergangenheit tödlicher Zwischenfälle: 1991 tötete er eine junge Trainerin in einem Park in Kanada, acht Jahre später einen Verwirrten, der nächtens in Tillys Pool sprang.

Orcas leiden in Gefangenschaft an Depressionen, so Experten, Tilly galt beim Personal als „schwierig“ und „unberechenbar“. Doch seine Star-Power füllte die Tribünen. Dazu ist Tilly ein reger Zuchtbulle, zeugte insgesamt 17 Walkälber. Der Kontakt der Dompteure schien nicht sonderlich eingeschränkt. Zwar gab es einen schriftlichen „Verhaltenskodex“, so SeaWorld-Boss Jim ­Atchinson. Doch vor allem Brancheau, mit 17 Jahren Erfahrung Top-Trainerin des Teams, verbrachte Stunden im Pool mit Tilly, ist auf Fotos bei allerlei Akrobatik mit ihm zu sehen.

Protokoll des Grauens.
Der Mittwoch ist ein sonniger Tag, der Park gut besucht. „Wir warteten bei der großen Mittagsshow vergeblich auf Tilly“, so Zeugin Biniak: Auch die drei sonst an der Show teilnehmenden Orcas benahmen sich seltsam, „ignorierten die Befehle der Trainer“.

Tilly ist stattdessen an diesem Tag beim Fütterungsritual. Ein anderer Besucher hält per Video fest, wie Brancheau Tilly sanft zwischen den Augen streichelt, ihm zur Belohnung Fische in den Rachen wirft. Artig hebt der Koloss die Riesenflosse. Sie wackelt mit den Hüften. Der Wal schüttelt den Kopf. Sie tanzen. Am Videoband sind Kinder zu hören: „Wow, schau wie brav der ist ...“ Es sind die letzte Momente in Brancheaus Leben.

Als Neunjährige hatte die Tiertrainerin, deren Begräbnis für heute angesetzt ist, den weltgrößten Marinepark in Orlando besucht. Zu ihrer Mutter sagte sie damals entschlossen: „Ich will mit Walen arbeiten.“ Sie erfüllte sich ihren Lebenstraum, die Riesentiere waren „ihre Babys“, so ihre Schwester. Brancheau war verheiratet, doch kinderlos. Vielleicht vertraute sie dem Säuger am Ende doch zu sehr.

Wal holt Schwung.
Zeugin Biniak steht in diesem Moment an der Aquarium-Glaswand im Untergeschoss: „Ich erkannte Tilikum sofort“, erzählt sie. Sie hört, wie Trainer am Beckenrand ihm zurufen. „Es sah aus, als sollte Tilly für ein Foto in Position gehen.“ SeaWorld-Mitarbeiter neben ihr erklären Besuchern die Details ihres sechs Meter langen Aquarium-Stars.

Alles scheint Routine.
Plötzlich holt der Wal Schwung, sein Riesenkörper schiebt sich aus dem Wasser, zieht sein Opfer am Rossschwanz ins Wasser. Diskutiert wurde, ob der Wal die baumelnden Haare mit einem Fisch verwechselte. Biniak erstarrt: „Es war rasch klar, dass er etwas im Maul hatte“, sagt sie. Im Schock realisiert sie erst ein paar Momente später: „Es ist ein Mensch, eine der Trainerinnen im Tauchanzug.“ Die 52 messerscharfen Zähne verbeißen sich tief in ihre Hüfte.

Die Zeugin des Grauens hält schnell ihrer Tochter die Augen zu. Blut sei zwar wenig im Wasser auszumachen gewesen, „doch der Wal schüttelte ihren Körper gewalttätig“. Es ist roher Tötungstrieb, Tilly schien außer Kontrolle, so Biniak: „Ich hatte panische Angst, dass er gegen die Scheibe rast, sie zerbricht und wir alle sterben.“ Sie sieht, wie Helfer hektisch schwarze Netze ins Becken werfen. Dann heulen die Sirenen los: „Wir mussten raus aus dem Raum.“

Der Wal wird mit den Netzen in einen Nebenpool dirigiert. Erst nachdem sie ihn aus dem Wasser hieven, gibt er die leblose Trainerin frei.

Free Tilly?
Nach dem Horror im Freizeitpark tobt die Debatte: Soll Tilly eingeschläfert werden? Oder freigelassen? Experten bezweifeln, dass er in freier Wildbahn nach 30 Jahren der Gefangenschaft überleben könnte. Der Orca Keiko, Star im Filmhit Free Willy, war im Atlantik vor Island zwar freigesetzt worden. Doch er muss von Helfern gefüttert werden.

Parkboss Atchinson stellte klar: Tilly bleibt der Star der Shows, Trainer werden jedoch nicht mehr mit den Walen schwimmen. Biniak muss sich nun besonders um Tochter Elise kümmern: „Sie fragt immer wieder, warum der Wal dieser lieben Frau wehgetan hat...“

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